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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 3. 2016 - 17:19

Vier Fäuste gegen Texas

Zwei doch recht unterschiedliche Raubeine schlagen sich durch vertrackte Geldanschaffungsmanöver und laden brenzlige Situationen mit derben Sprüchen auf. Die Fernseh-Show "Hap and Leonard".

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Der ölig-salzige Duft des US-amerikanischen Südens, ständig liegt das feuchte, schwere Aroma der sicherlich diverse Geheimnisse bergenden Sümpfe in der Luft, ein vermeintlich einfacher Plan.

Die kürzlich angelaufene, vom Sundance Channel produzierte TV-Show "Hap and Leonard" basiert auf einer Reihe von Romanen und Geschichten des texanischen Autors Joe R. Lansdale, ihr gelingt den schön schmierigen Schundheft-Charme, die hartgekochte Krimi-Noir-Tongebung, den spröden Witz der Vorlagen in fiebriger, nicht selten fast schon klebriger Atmosphäre ins Bild zu übertragen.

"Hap and Leonard" erzählt die gute, alte Geschichte vom ungleichen Duo in den Kulissen von Southern-Gothic-Thrill, Heist-Movie und körperbetonter Buddy-Comedy. Der eine ist so, der andere ist so, trotzdem sind sie ein Unit.

Angesiedelt ist "Hap and Leonard" Ende der 80er-Jahre, in einer fiktionalen Kleinstadt im Osten Texas, ganz nah dran an Louisiana, die Titelhelden sind hartgesottene Kerle rund um die Fünfzig, die sich mit Gelegenheitsjobs und Hilfsarbeiten recht unglamourös durchs Leben schlagen. Zu Beginn der ersten Staffel sind sie Rosenpflücker, werden aufgrund nachrückender billigerer Arbeitskraft aber recht schnell wieder auf die Straße gesetzt.

Hap and Leonard

Sundance

Hap and Leonard

Die Freundschaft zwischen Hap und Leonard besteht schon seit Ewigkeiten, sie müssen sich nichts erklären oder ihre Unterschiede ausphilosophieren. Sie sind Männer und verhalten sich männermäßig.

Michael Kenneth Williams, vornehmlich bekannt aus "The Wire" und "Boardwalk Empire", ist Leonard: afroamerikanischer, homosexueller Vietnam-Veteran. James Purefoy, Shakespeare-geschulter Brite und Poe-zitierender Serien-Killer aus "The Following", gibt Leonards bestem Homie ein stets leicht traurig und angestrengt dreinblickendes Gesicht: Hap, weiß, heterosexuell, Ex-Sträfling und Kriegsdienstverweigerer.

Obwohl beide Männer gut schlagkräftig unterwegs und im Umgang mit der Waffe geschult sind, versucht Hap meist, sofern es denn geht, ohne Gewalt und Totschlag brenzligen Situation zu entgleiten, während Leonard gerne mal die Sicherungen durchbrennen und er ein eher archaisches Modell zur Exekution von Gerechtigkeit pflegt. Rassistische oder homophobe Äußerungen mag Leonard nicht mit Ruhe entgegnen, schnell sprechen die Fäuste, an besonders guten Tagen gibt’s einen kessen Spruch als Replik. Sagt ein Typ zu ihm "You don’t look gay", dann mein Leonard darauf: "Bend over, I’ll show you".

Ein Schatten aus der Vergangenheit bringt Unruhe ins Duo, verspricht einen Ausweg aus der finanziellen Notlage und verheißt Unheilvolles. Haps Ex-Frau Trudy, undurchsichtig und einnehmend verkörpert von Kristina Hendricks, kann die beiden Männer für einen nicht unbedingt legalen, aber lukrativen Job gewinnen: Hap und Leonard sollen einer Gang von Wannabe-Weltverbesseren und Pseudo-Revolutionären helfen, auf dem Grunde eines Flusses einen Millionen-Dollar-Schatz zu heben; die Beute eines Überfalls, vor Jahren durch ungünstige Verkettungen an nicht näher bekanntem Ort im Wasser gelandet.

Wem man hier trauen kann, ist freilich nicht klar. Hap wird aufgrund seiner genauen Kenntnis der Umgebung angeheuert, Leonard ist von der Army trainierter Taucher, dennoch riecht die ganze Angelegenheit von Anfang an fishy.

Zwar ist auch das Voranschreiten des Krimi-Plots klarer Motor von "Hap and Leonard", dabei lebt die Show stärker noch von der Atmosphäre, den Figuren, die nicht bloße Erfüllungsgehilfen einer Story sein müssen, ihren Interaktionen, ihren Macken und Marotten. Die Chemie zwischen den beiden Hauptfiguren ist magnetisch, ihre Darsteller sind auch im echten Leben seit Jahren schon befreundet.

"Hap and Leonard" lässt sich Zeit und Raum und führt dann – zack - quasi aus dem Nichts kommend schon am Ende der ersten Episode ein neues, tatsächlich komplett durchgeknalltes Killer-Pärchen ein, das die braun-graue Kleinstadt mit unmotivierten Messermorden und schriller Disco-Mode bereichert.

"Hap and Leonard" bedient sich beim trockenen Witz und dem ruralen Working-Class-Milieu von "Justified", den Gewalt-Exzessen und der gewollt schrägen Figurenzeichnung diverser Tarantino-Derrivate oder einiger Filme der Coen Brothers, bleibt dabei aber bodennäher, unaufgeregter, behebiger.

Bisweilen ist das langatmig, dann wieder pflegt die Show da und dort einen etwas zu jovialen Umgang mit dem eigenen Trash-Appeal. Meist aber glüht und zittert "Hap and Leonard" vor Leben, selbst wenn gar nichts gesagt wird und gar nichts passiert. Ein seltsamer Ton, ein komischer Vibe, eine smarte Show, die die eigene Smartheit nicht plakativ ausstellen muss. Und dann zirpen wieder die Grillen.