Erstellt am: 24. 3. 2016 - 13:58 Uhr
Griechischer Heckenklescher
Im Jahr 2002 bekam Alexis Sorbas ernsthafte Konkurrenz: Warf man Leuten die Stichworte Griechen und Film hin, war bis dahin der unerschütterliche Optimist und Strandtänzer - von Anthony Quinn so überzeugend gespielt, dass er für den Rest seines Lebens für einen Griechen gehalten wurde - sicherlich der Erste, der den meisten einfiel.
2002 aber presste Schauspielerin und Drehbuchautorin Nia Vardalos ihre Autobiografie (Tochter griechischer Einwanderer heiratet einen Nicht-Griechen) in das Korsett einer romantischen Komödie. In "My Big Fat Greek Wedding" verliebt sich Toula (Vardalos), deren Eltern - und Onkel und Tanten - eben lebhafte Griechen im kalten Chicago sind, in einen Mann, der mehr WASP nicht sein könnte. Gespielt wurde der zurückhaltende Ian von John Corbett (ja, genau Tischler Adrian aus "Sex and the City") und der Portokalos-Clan musste zuerst damit umgehen lernen, dass Toula keinen Griechen heiraten würde.
UPI
Ein Film mit bescheidenem Budget, keinen Stars und auch keiner wahnsinnig originellen Geschichte wurde zum Überraschungserfolg, "My Big Fat Greek Wedding" spielte weltweit fast 400 Millionen Dollar ein und Vardalos versuchte die komödiantische Multikulti-Culture-Clash-Cash-Cow (die aber auch ein one trick pony ist) noch ein wenig weiter zu melken: "My Big Fat Greek Life" war eine kurzlebige CBS-Sitcom, "My Life in Ruins" ein Film über eine Amerikanerin mit griechischen Wurzeln, die als Stadtführerin in Athen arbeitet. Die Tagline des Films war "The Star of 'My Big Fat Greek Wedding' is Finally Going to Greece".
Schenk nochmal ein
Es ist also keine wirkliche Überraschung, dass man die Familie Portokalos nochmal vollzählig auf der Leinwand antrifft, 14 Jahre nach dem großen Erfolg des ersten Teils, rollt "My Big Fat Greek Wedding 2" in den Kinos ein. Der Filmverleih lädt vor der Pressevorführung zu griechischem Buffet und Schnaps, in Marketingsprache heißt das gerne auch sowas wie Es tut uns leid. Oder Wir finden’s auch nicht lustig, aber hier, yamas!.
UPI
Nia Vardalos' voice over eröffnet den Film, es ist eine dieser Stimmen aus dem Off, die alles erklärt, was man ohnehin sieht, vielleicht hat man einfach auch damit gerechnet, dass einigen schon während der ersten Minuten die Augen zufallen. Die Stimme aus dem Off erzählt von der fordernden Art dieser Familie, von Zusammenhalt, aber eben auch emotionaler Ausgelaugtheit. Und während es für Papou und Yaya, die Onkel, Tanten und kleinen Cousins gar nicht eng genug sein kann, will Toula und Ians Tochter Paris (wahrscheinlich nicht benannt nach Frankreichs Hauptstadt, sondern nach dem Helden der griechischen Mythologie, erstaunlicherweise wird das nie erklärt, dabei nutzt der Film doch sonst jede Gelegenheit griechische fun facts einzustreuen) hauptsächlich eines: weg. Paris ist 17, trägt Flannelhemden und grüne Parkas und betrachtet das morgendliche familiäre Abholprozedere mit dem klapprigen Auto - Papou am Steuer, am Rücksitz stapeln sich die klugscheißerischen kleinen Cousins - ihrer Familie mit dem Weltekel, der Teenagern eben so gerne ins Gesicht geschrieben steht.
Wo bleibt der Konflikt?
Ist das schon der Konflikt, frag ich mich, angesichts des genervten Teenagergesichts, ist das die Reibfläche, an der die Pointenstreichhölzer zünden wollen? Denn eine Komödie wie "My Big Fat Greek Wedding 2" braucht einen Konflikt. Aber nein, Paris trägt zwar den Lidstrich ein bisschen dicker auf und stöhnt manchmal ein genervtes "Mama" in die Welt, aber hier wird kein Film um eine pubertäre Rebellion inmitten der traditionsreichen Großfamilie, das hier wird keine hormoninduzierte Revolution gegen die nervende Familie. Was also, bringt die fette griechische Hochzeit im Aufguss ins Rollen? Ein fehlender Stempel: Der Konflikt, also der Komödien-Katalysator könnte hanebüchener nicht sein. Toulas Vater Gus findet heraus, dass er und seine Frau Maria gar nicht verheiratet sind, weil ein Priester damals vergessen hat, die Heiratsurkunde abzustempeln. (Ist das noch lahmer als den Heidi Klum und Sitcom erprobten "Treueschwur erneuern"-Kniff anzuwenden, um sich noch eine Hochzeit aus der Nase zu ziehen?)
UPI
Mehr Sitcom als Film
Im Grunde ist es völlig egal, was passiert, Hauptsache, man kann die alten Witze - die in Teil 1 schon nicht umwerfend waren, jetzt aber endgültig zäh geworden sind - nochmal aufwärmen. Jeder Versuch des Films, sich der schwierigen Kunst der Komik anzunähern, ist im Grunde ein Zitat aus dem Vorgängerfilm: Gus Vorliebe für den Windex-Spray, seine Behauptung, dass die Griechen alles erfunden haben, die Geschichten von Tante Voula, die gerne mit allzu detaillierten Krankheitsgeschichten Aufsehen erregt oder ab und zu ein Hinweis auf den Haarwuchs griechischer Frauen. "My Big Fat Greek Wedding 2" ist ein aus recyclten Pointen gebackener Auflauf, der mehr Sitcom als Film ist.
UPI
Hier genügt schon als Witz, dass die vielköpfige Familie wie eine dauerlabernde Hydra immer geschlossen auftritt, laut ist und als Reaktion darauf entweder Toula oder Paris gezeigt wird, die mit offenem Mund dastehen und sich in den Boden schämen. Das ganze Unterfangen, eine Komödie auf die Leinwand zu bringen, wird dadurch erschwert, dass Vardalos alles andere als eine gute Schauspielerin ist. Die Regieanweisungen sind ihr zwanzig Meter gegen den Wind anzusehen und ich erkenne in ihr einen Blick, den ich seit Schultheateraufführungszeiten nicht mehr gesehen hab: Der Blick von Unterstufenmimen, die still verharren und den Mund schon leicht öffnen, weil sie schon aufgeregt sind, dass jetzt sie gleich dran sind mit ihrer Dialogzeile.
UPI
Das winzige, was "My Big Fat Greek Wedding 2" im Grunde interessant macht, ist, dass Ian als Vorzeige WASP-Vertreter hier der Andere ist, der ruhige besonnene weiße Mann als Außenseiter angesichts des dauerquasselnden und streitenden Clans mit griechischem Ursprung. Ebenso ist es eine Wohltat, Frauen auf der Leinwand zu sehen, die nicht damit beschäftigt sind, sich zu dick zu finden oder verzweifelt einen Mann suchen.
Der Film ist eine Abwatschung der Schönheitsstandards, wie sie us-amerikanische romantische - oder auch unromantische - Komödien üblicherweise festsetzen. Und dann ist da auch noch eine homosexuelle Figur, die das herrlich unspektakulärste Outing überhaupt hat und weder für Witze herhalten muss, noch ins flamboyante Westerl gesteckt wird, das Hollywood seinen homosexuellen Männern immer noch gerne umhängt.
UPI
"My Big Fat Greek Wedding 2" läuft seit 24. März 2016 in den österreichischen Kinos
Das alleine kann man freudig bemerken, nur macht das halt noch keinen guten Film und vor allem keine gute Komödie aus. "My Big Fat Greek Wedding 2" ist eine unzynische, schwer gezuckerte Bilderbuchversion vom melting pot, Ich weiß nicht. ob es ein griechisches Gericht gibt, das aufgewärmt besser schmeckt, Filme, die sich um griechisch-amerikanische Familien drehen tun es definitiv nicht. Man kann nicht von jedem Film erwarten, dass er einen Tanz erfindet, denn ein Land freudig als Nationaltanz übernimmt, wie "Alexis Sorbas" das gemacht hat, aber zumindest ein neuer Witz, wenn man einen Film als Recyclingzombie nach 14 Jahren wiederauferstehen lässt, sollte schon möglich sein.