Erstellt am: 23. 3. 2016 - 16:18 Uhr
Achtsam gegen Dummheit
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Im Radio und auch als Podcast zum Anhören.
"Die Leiden des jungen Todor"
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Der Herausgeber der Boulevardzeitung "Österreich", Wolfgang Fellner, findet in seiner Kolumne, dass eine Diskussion darüber, "ob nicht der Islam als solcher in Europa verboten werden sollte", erlaubt sein müsse.

APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
Ich habe einen Bekannten in Bulgarien, der mir neulich etwas Ähnliches gesagt hat. Laut ihm sollte jeder, der Europas Territorium betritt, zum Christentum übertreten. Mein Heimatland hat übrigens schon Erfahrung in dieser Hinsicht: Im Winter 1984/85 wurden mit Gewalt die Namen von einigen hunderttausend bulgarischen Türken geändert. Der, der gestern Hassan hieß, sollte ab morgen Ivan heißen. Die türkische Sprache in Bulgarien wurde verboten, die traditionelle Kleidung wurde verbrannt. Jeder, der erwischt wurde, öffentlich Türkisch zu reden, wurde bestraft. Türkische Friedhöfe und Jahrhunderte alte Denkmäler wurden zerstört. Die, die damit nicht einverstanden waren, wurden in Arbeitslager und Gefängnisse gesteckt.
Im Sommer 1989 verließen dann um die dreihunderttausend muslimische bulgarische Staatsbürger das Land in Richtung Türkei. Zuerst sagte die Türkei, sie würde alle aufnehmen, dann machte sie die Grenze zu. Zehntausende blieben im Niemandsland – sie hatten alles in Bulgarien verkauft und die Türkei wollte sie nicht mehr. Der Anblick von damals ähnelt sehr dem, was wir heute sehen: Menschenmengen, die vor Stacheldrahtzäunen auf Feldern voll Exkrementen und Müll stehen.
Nach dem Fall des Kommunismus bekamen die bulgarischen Türken ihre Namen wieder. Geeint durch die Gewalt, die an ihnen verübt worden ist, gründeten sie eine eigene ethnische Partei, die bis heute ein enormer politischer Faktor in Bulgarien ist. Diese Partei hat einen riesigen wirtschatlichen Einfluss und spielt auch eine entscheidende Rolle in der bulgarischen Schattenwirtschaft. Die Idee, eine ethnische Gruppe zu zertrümmern, führte nur zur ihrer Abgrenzung. Es entstand ein tiefer Graben zwischen den seit Jahrhunderten zusammenlebenden Bulgaren und Türken. Diese Wunde ist bis heute immer noch nicht verheilt.
Damals war der ideologische Antreiber des sogenannten „Wiedergeburtsprozess“ der kommunistische Diktator Todor Zhivkov. Im Zeiten der Angst könnte jeder Politiker, der sich für unantastbar hält, so eine Idee wiederaufnehmen. Müsste danach jeder, der in die Türkei reist, sich zum Islam bekennen? Oder jeder, der in die Karibik auf Urlaub fliegt, zum Voodoo konvertieren?
Die Situation in Europa heutzutage ist schwierig. Wir müsse achtsam sein. Gegen Terrorismus, aber auch gegen Angst, gegen Selbstmitleid, gegen Aggression und vor allem gegen Dummheit.