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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

22. 3. 2016 - 16:35

Wer vom Krieg berichtet

Barbara Eders Spielfilm "Thank you for bombing" porträtiert drei Figuren im Medien- und Kriegsdschungel. Eder war auch zu Gast in "Auf Laut", um über Kriegsberichterstattung und die heutigen Ereignisse in Brüssel zu reden.

FM4 Auf Laut: Der Umgang mit Terror in Europa

Der Terroranschlag in Brüssel wirft die Frage auf, wie wir in Europa dem Terror begegnen. Was bedeutet die Anhäufung der Anschläge in Europa für seine Bevökerungen? Wie kann Terrorismus aus demokratiepolitischer Sicht begegnet und geschwächt werden? Welche medialen Mechanismen setzen ein, wenn eine Bombe hochgeht und was macht das mit uns?

Claus Pirschner diskutiert darüber mit Politologe Vedran Dzihic, der Filmemacherin Barbara Eder und Anrufer/-innen.

  • Mitdiskutieren unter 0800 226 996

Es ist eine Binsenweisheit, dass wir wenig von der Welt wüssten, gäbe es nicht Menschen, die uns von der Welt da draußen berichten. Dennoch stellt sich die Frage, was Menschen dazu bewegt, die Ungewissheit eines Krieges live zu erleben. Im Jahr 2001 hat der Schweizer Dokumentarfilm "War Photographer" über die Persönlichkeitsstruktur des schweigsamen, feinfühligen Kriegsfotografen James Nachtwey dargestellt, weshalb es Menschen braucht, die sich unabhängig, unparteiisch und frei den Gefahren eines Krieges aussetzen müssen, um davon zu berichten.
Die österreichische Regisseurin Barbara Eder hat sich für eine andere Form entschieden: sie setzt ihre Recherchen über Kriegsberichterstattung in einen Spiefilm um.

"Thank you for bombing" trägt den Zynismus im Titel. Es ist ein Zynismus, der Kriegsjournalistinnen und -journalisten gerne unterstellt wird: nämlich, dass sie sich freuen, wenn’s kracht. Regisseurin Barbara Eder sagt über den Titel ihres Films: "Es muss krachen und es muss arg sein, das fordern die großen News-Stationen ein. Auch wir wollen letztlich geschockt sein über das, was in der Welt passiert und wollen dann auch wieder abdrehen und feststellen, dass in unseren vier Wänden alles in Ordnung ist."

Auf Laut

    Lotus Film

    Schon die erste Episode des Filmes macht klar, dass es viel zu kurz greift, den Kriegsreporter - fast immer ist er männlich - als menschenverachtenden Adrenalinjunkie abzutun. Ein gealteter Auslandskorrespondent, der in Wien lebt, soll nach Kabul fahren. Doch er wird sein Flugzeug nie besteigen. Denn am Flughafen fällt ihm ein Mann auf, den er als jenen Soldaten zu identifizieren glaubt, der Anfang der 1990er Jahre im Jugoslawienkrieg einen Kameramann erschossen hat. Erwin Steinhauer spielt den traumatisierten Reporter, einen psychisch zerrütteten und körperlich erledigten Mann und hat dafür den Diagonale-Schauspielpreis gewonnen.

    Lotus Film

    "Thank you for bombing" zeigt drei voneinander weitgehend unabhängige Portraits. Im Dokumentarfilm wären sie Protagonisten, im Spielfilm sind es Figuren. Barbara Eder hat ein Jahr lang recherchiert, in Beirut, an der libanesisch-syrischen Grenze, in Afghanistan.

    Sie hat sich gegen das Dokumentarische entschieden. Stattdessen hat sie in Zusammenarbeit mit ihrem Ko-Autor Tommy Pridnig drei zugespitzte Figuren entworfen, die den Widerspruch zwischen Medien- und Kriegsgesetzen und die innerer Zerrissenheit zwischen Karriere und Verantwortung darstellen.

    "Thank you for bombing" läuft seit 18. März 2016 in den österreichischen Kinos.

    Die zentrale Episode präsentiert eine junge Amerikanerin in Kabul, die live vor der Kamera von afghanischen Männern begrapscht und hinter der Kamera von ihrem Chef klein gehalten wird. Aber sie ist mutig bis zum Draufgängertum. Die körperliche und seelische Demütigung, die sich die Fernsehjournalistin für ihre Karriere gefallen lässt, verhandelt Regisseurin und Drehbuchautorin Barbara Eder in großer und nicht unbedingt zweckdienlicher Breite. Aber die Devise sex sells wird man nach diesem Film in einem anderem Licht sehen.