Erstellt am: 24. 3. 2016 - 11:36 Uhr
Laute und bunte Zwischenwelten
Mein Kopf ist ein müder Regent,
der sein Volk mehr verwaltet als lenkt.
Meine Eltern sind so besorgt,
meine Träume sind nur geborgt.
Und manchmal frag ich mich: Bin das ich?
(Filou - "Mein Kopf")
Begleitet von schnarrender Bassgitarre, druckvollem Schlagzeugrhythmus und verzerrten Gitarrenlinien verstrickt sich Texter Lukas Meschik gleich zu Beginn in philosopischer Identitätssuche. Zwischen heimtückischer Selbstsabotage und kräfigender Bewusstseinsbildung sucht der Wiener Schriftsteller und Sänger nach seinem innersten Kern.
Ein klares Statement, mit dem das Quartett Filou ihr drittes Album "Feste Farben" eröffnet. Hier geht es ans Eingemachte. Ihre Songs sind ganz nah dran am Alltagsleben und bieten gleichzeitig immer genügend Platz zur Reflexion. Die Mischung erzeugt eine Spannung, vom ersten Basston bis zur letzten elektronischen Soundspielerei, mit der "Feste Farben" ausklingt.
Steig in den Sound
Die Single "Sound" ist das Herzstück des neuen Filou-Albums. Es knackt der Bass, es zwirbelt der Disco-Beat, nervös flirren Funk-Gitarren durch die Luft. Neben Tamburin-Klängen und klatschenden Händen gibt es auch Sprechgesang und einen eingängigen Refrain zu hören. Lukas Meschik verwendet dabei eine sehr bildhafte Sprache: Man kann förmlich den feuchten Probekeller sehen und riechen, in den er nach seinen Brotjobs flüchtet. Dort kreiert die heimische Band eine ganz eigene Welt. Eine, die Raum und Zeit lässt für Experimente, für die Suche nach dem eigenen Wesen, sei es nun musikalisch oder auf sozialer Ebene. "Sound" ist so gesehen eine Hymne an das Banddasein und bestätigt wieder einmal, dass sich die Mühen und Entbehrungen auszahlen, wenn man versucht, mit vier unterschiedlichen Menschen eine gemeinsame musikalische Sprache zu finden.
Filou live:
- 03. 04. Rhiz, Wien
- 08. 04. Feierwerk, München (DE)
- 09. 04. Subkultur, Fürstenfeldbruck (DE)
- 05. 05. Korneuburg Open Air
In diesem dreieinhalb-minütigen Popsong offenbart sich die Kraft und die Stärke von Filou. Jeder Ton sitzt, jedes Wort schmiegt sich an die Harmonien, nichts ist zuviel, alles hat seinen Platz. Reduktion ist die Zauberformel, jedoch nicht um seiner selbst willen. Wie in seinen Büchern bemüht sich Lukas Meschik auch bei seinen Songtexten darum Unnötiges wegzulassen. Füllwörter, Phrasen und barocke Umschreibungen haben hier keine Chance. Das Feilen der Sprache ist zwar schon lange sein Hauptberuf, aber bei Filou können die Wörter zum Fluss der Musik tanzen. Eine große Herausforderung, die allerdings auch einen musikalisch charakterbildenden Synergieeffekt hat.
Steig in den Moment
Dass Filou und vor allem Lukas eine Vorliebe für textlastige Bands haben, hört man bei vielen Songs. So kommt einem bei dem herrlich krachenden und ungestümen "Alles dreht sich" die Hamburger Schule in den Sinn. Dass das nicht nur mit dem rockigen Sound zu tun hat, beweist die zurückgelehnte Ballade "Wie die Welt". Diese traurige Nummer, die mit vorbeihuschenden Slide-Gitarren und einer einsamen Trompete Gänsehaut-Feeling entwickelt, erinnert ein bisschen an die Wärme der langamen Kante-Songs.
Dass "Feste Farben" ein derartig reifes Gesamtwerk geworden ist, liegt sicher auch an der erneuten Zusammenarbeit mit Soundtüftler Alex Tomann, der mit Bands wie den Beatsteaks oder Bilderbuch im Studio arbeitet.
Filou/Seayou Records
Er hat die vier Musiker bestärkt, ihre Songs live einzuspielen, die Magie des Augenblicks und die Energie der Band zu nützen, um sie möglichst ungeschminkt auf die Platte zu bannen. Sänger Lukas Meschik hat viele Mikrofone ausprobiert und mit Alex auch am Gesangsstil gearbeitet. Lukas' Stimme klingt jetzt viel gelassener und hat trotzdem immer die nötige Präsenz. Eine schmale Gratwanderung, die deutlich macht, dass Filou einen gehörigen Entwicklungsschritt gemacht haben. Denn die Stimme steht bei allen elf Songs eindeutig im Vordergrund.
Dass durchaus Platz für Experimente war, macht ein Song wie "Mama" deutlich. Zwar kommt er in klassischem Rockgewand daher, allerdings bricht hier das Quartett immer wieder in überraschende Spielereien aus. Keck und eigenwillig wird die Songstrophe zerfleddert, um den darauffolgenden drive des Refrains noch mehr herauszustreichen. Der ausproduzierte Track "Vögel" ist eine besondere Perle. Über elektronisches Rauschen und organischen Pop legen sich warme Pianoakkorde, zirbende Gitarrenfeedbacks und elegischer Gesang. Ein düsteres, aber auch sehr spannendes Lied, das am Ende vom Album Lust auf mehr macht.
© Julian Simonlehner