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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

18. 3. 2016 - 19:56

Post Pop Depression

"Post Pop Depression" ist Iggy Pops letztes Album - und auch eines seiner besten. Für den würdigen Abschluß einer langen Karriere mitverantwortlich: Josh Homme von Queens of the Stone Age.

Es hätte auch schief gehen können. Die Wahrscheinlichkeit war zwar nicht hoch, aber auch nicht ausgeschlossen: der Godfather of Punk trifft Josh Homme, den slicken Schweine-Rock-Schwerenöter vor dem Herrn. Der Plan: ein letztes Album - und da hätten sie, ganz zeitgemäß - aber auch anlassbezogen, viel zu viel wollen können. So was kommt vor.

Release

"Post Pop Depression" erscheint am 18. März auf Loma Vista Recordings.

Aber Post Pop Depression ist kein Kräftemessen, keine überambitionierte Statement-Platte. Niemand markiert das Revier, die Rollen sind klar verteilt: Iggy Pop gibt den Bariton-Crooner und Geschichten-Erzähler: sein Topos kreist vornehmlich um Sex und Tod. Josh Homme ist der Mann im Hintergrund, der unverkennbar, aber auch undogmatisch, mit ein paar guten Ideen um die Ecke denkt.

Iggy Pop Official

Post Pop Depression ist ein Album wie Iggy Pop selbst. Je mehr man ihm zuhört, desto mehr geht es unter die Haut.

I'm gonna break into your heart
I'm gonna crawl under your skin
I'm gonna break into your heart
And follow till I see where you begin

Ein wehmütiges "Break Into Your Heart" eröffnet Iggy Pops 17. Solo-Album, das letztes Jahr, ganz geheim, in Josh Hommes´ kalifornischem Wüsten-Studio Joshua Tree entstanden ist. Die beiden haben das Album selbst finanziert, um vollkommen druck- und zwanglos an die Sache heranzugehen, wie Pop in einem Interview erzählt:

"We didn’t want to take anyone’s money. We didn’t want a record person up our ass. And we didn’t want to define anything or put it in a box or say if it was gonna be an album or a documentary of a disaster or whatever it was going to be; the type of music or anything like that."

Diese Herangehensweise ist nicht nur Ausdruck der alten DIY-Punk-Idee, sondern auch Selbstschutz. Die Plattenindustrie hat Iggy Pop im Laufe seiner Karriere schon öfters über den Tisch gezogen, vor zwei Jahren hat er diesbezüglich bei einer BBC John Peel Lecture aus dem Nähkästchen geplaudert - und so unsexy es auch klingen mag, leistet dieses letzte Album auch einen Beitrag für seine Altersvorsorge, denn seine Angst vor Altersarmut ist groß, wie er in einem Guardian-Interview erzählt hat:

"I have this picture of myself in some little old people’s home with a bunch of other old geezers, and a flannel robe with holes in it, waiting for somebody. Even 15 years ago, my accountant was saying: 'You will never be poor, don’t worry.' But I do worry. I worry constantly. It drives me nuts."

Iggy Pop Official

Kennengelernt haben sich Iggy Pop und Josh Homme bei einer Award-Gala vor einigen Jahren. Nummern wurden ausgetauscht, Drinks geleert. Auf der Suche nach einem Produzenten für seine letzte Platte fiel die Wahl dann auf Homme und für den ging dadurch wohl ein Kindheitstraum in Erfüllung. Das große Idol bittet den Fan um die Zusammenarbeit - der ein paar SMS und ein Inspirations-Paket vorausgegangen waren, in dem Pop ein paar handgeschriebene Essays über sein Sex-Leben, seine Zeit in Deutschland und auch Gedichte über seine Sessel-Sammlung (!) zusammengetragen hatte.

Keine Supergroup

Komplettiert wurde die illustre Runde vom Queens of the Stone Age-Gitarristen und Keyboarder Dean Fertita und dem Arctic Monkeys-Drummer Matt Helders. Supergroup ist es aber trotzdem keine, es ist ganz klar ein Iggy Pop Solo-Album. Der Titel "Post Pop Depression" bezeichnet übrigens den Zustand, in den die drei Musiker gefallen sind, wenn Pop das Studio verlassen hat. Ein Zustand, den wir irgendwann alle erfahren werden. Ein Titel, der dann zum geflügelten Wort werden wird.

Aber noch ist es nicht soweit - zum Glück! Doch der Tod zieht sich durch das ganze Album. Das herausragende "American Valhalla" verzahnt eine schwere Rhythmussektion mit hellen Xylophon-Tupfen und stellt die Frage, wie denn der Himmel aussehen könnte? Und wo denn die letzte Ruhestätte für einander ebenbürtige, gefallene Krieger zu finden sei?

Where is American Valhalla
Death is the pill that's hard to swallow
Is anybody in there?
And can I bring a friend?
I'm not the man with everything
I've nothing, but my name

"I’ve nothing but my name" wiederholt er trocken zwei Mal am Ende des Songs, die Worte hallen lange nach, denn man hat das Gefühl, dass in diesem Moment aus Iggy Pop wieder Jim Osterberg wird.

In den letzten Jahren hat der 68-jährige Pop einige seiner engsten Weggefährten verabschiedet: seine Stooges-Kollegen Ron Asheton (2009), Scott Asheton (2014) und Steve Mackay (2015) - und heuer im Jänner verwandelte sich sein alter Freund und Mentor David Bowie in einen schwarzen Stern. Bowie produzierte Iggys erste Solo-Alben "The Idiot" und "Lust for Life" während der gemeinsamen Zeit in Berlin.

Und Iggy Pop blickt - genauso wie David Bowie 2013 in dem Song "Where are we now" - auf die Jahre in Deutschland zurück. Während Bowie den Potsdamer Platz und das KaDeWe besingt, widmet sich Pop in "German Days" dem Schnellimbiss, Champagner, Türstehern sowie Papst Benedikt.

Aber es geht nicht immer um den Tod auf Post Pop Depression, sondern auch um die schönste Nebensache im sonst oft so tristen Leben. "Gardenia" ist eine funkelnde und funkige Suche nach der verschollenen Geliebten. Es geht um Sehnsucht und Schuld, Dominanz und Unterwerfung, allesamt altbekannte Themen im I-Wanna-Be-Your-Dog-Kosmos - in dem sich Pop auch zu "America's greatest living poet" stilisiert - der er vielleicht auch ist:

Alone in the cheapo motel
By the highway to hell
America's greatest living poet
Was ogling you all night
You should be wearing the finest gown
But here you are now
Gas, food, lodging, poverty, misery
And gardenia
You could be burned at the stake
For all your mistakes, mistakes, mistakes

"Sunday" ist ein sechsminütiges Glam-Rock-Monster samt Disco-Chor, das gegen Ende hin in einen Trauermarsch mit Streichern und Bläsern mündet, den auch Calexico oder Beirut nicht besser hinbekommen hätten. "Vulture" liefert den Soundtrack für einen Spaghetti-Western, in "In The Lobby" fragt er nach der eigenen Vergänglichkeit:

What is the problem if I disappear

Und "Chocolate Drops" ist eine bitter-süße Ode an das flüchtige Glück:

"When you get to the bottom, you’re near the top/ the shit turns into chocolate drops"

Iggy Pop Official

Zugegeben, Post Pop Depression zeugt von Altersmilde. Es gibt keine Raw Power (1973) mehr, es ist mehr Search als Destroy. Es knüpft thematisch an das letzte Stooges-Album Ready to die (2013) an, aber das ist alles halb so wild, denn auf Post Pop Depression hören wir den besten Iggy Pop seit Jahren. Und dass er auch noch mal richtig zornig werden kann, beweist er auf dem letzten Track "Paraguay" - wo er zum Schluss tobt und schreit:

Iggy Pop spielt am 4. Juni beim Rock In Vienna auf der Wiener Donauinsel.

You take your motherfucking laptop
And just shove it into your goddamn foul mouth
And down your shit heel gizzard
You fucking phony two faced three timing piece of turd
And I hope you shit it out
With all the words in it
And I hope the security services read those words
And pick you up and flay you
For all your evil and poisonous intentions
Because I'm sick
And it's your fault
And I'm gonna go heal myself now
Yeah!

Wenn es nach Iggy Pop geht und tatsächlich kein weiteres Material nachkommt, handeln seine letzten Worte auf seiner letzten Platte von Selbstheilung. Und das ist doch ein versöhnlicher Schluss für den Transzendenz-beschwörenden Selbstzerstörer, the Last Punk Standing.