Erstellt am: 17. 3. 2016 - 20:45 Uhr
Austrians Of New York
HBO-Serien wie "How to Make It in America", oscarnominierte Filme wie "Brooklyn" oder zahlreiche echte Lebensgeschichten suggerieren den "American Dream" und bekräftigen den oft zitierten Erfolgsweg "Vom Tellerwäscher zum Millionär"! Ja, eh. Tausendmal gehört. Trotzdem: Die Stadt strahlt trotz teurer Lebenserhaltungskosten, meist niedrigen Löhnen und einer enormen Konkurrenzdichte immer noch etwas Besonderes aus, sie hat was. Ja was denn genau? Ich bin neugierig, glaube ja nix was man so liest und hört und habe deswegen direkt bei zwei Östereicherinnen und einem Österreicher nachgefragt. Warum leben sie in New York und was treiben sie in dieser Stadt? Denn es hier zu schaffen, so scheint es, dürfte kein Kinderspiel sein.
Alte Seile und die New York Times
Spezialstunde: Austrians of New York
Eva Deutsch porträtiert drei Menschen, die Österreich den Rücken gekehrt haben und nach New York City ausgewandert sind. Am Donnerstag, den 17. März, von 21 bis 22 Uhr auf FM4 und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player.
Ich treffe die 32-jährige Sophie Sevigny aus Vöcklabruck. Sie lebt seit 2005 in New York und betreibt seit 5 Jahren ein gut gehendes Selfmade-Unternehmen namens SerpentSea. Seit knapp zwei Jahren ist sie mit Paul verheiratet, mit ihm hat sie einen kleinen Sohn und ja, Paul ist der Bruder von Indie-Superstar Chloë Sevigny. Als ich Sophie am Gang vor ihrem kleinen Studio in der 18. Straße zwischen 6th und 7th Avenue treffe, ist sie leicht gestresst, weil sie wieder mal zu spät ist. Wenn ich jene New Yorker betrachte, mit denen ich bisher mehr zu tun hatte, als sich gegenseitig ein nettes "Hi, how are you?" entgegenzuträllern, dann gehört es auch einfach dazu, busy zu sein. Wir sind hier immerhin in New York und nicht in Attnang-Puchheim.
Sophie stellt Matten aus gebrauchten Segel- bzw. Kletterseilen her. Ergänzend dazu gibt es Accessoires wie Schlüsselanhänger, Arm- und Kropfbänder. Die Idee, alte Seile zu Matten zu verarbeiten, kam ihr wegen einer Illustration aus einem alten Buch über Knotentechniken. Außerdem ist sie schon seit ihrer Kindheit versessen aufs Segeln. Ihre Upcycling-Idee war nicht sofort erfolgreich, aber doch ziemlich bald. Als sie auf einer Interieur-Messe auf eine Redakteurin eines bekannten Branchenmagazins trifft, vermittelt diese ihr einen Kontakt zur New York Times, die ihr eine ganze Seite in der Wochenendausgabe spendiert. Mehr push und multiplier geht nicht.
Eva Deutsch
Sophie Sevigny kann mittlerweile von ihrem Business leben. Das ist auch gut so, denn New York - bestätigt sie mir - ist teuer und man kann hier nur gut leben, wenn man wirklich viel arbeitet. Ein Klischee, das leider stimmt. Allerdings geht es laut Sophie wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt leichter, etwas aus dem Nichts aufzubauen. In New York hat man das Publikum mit Geld und die notwendige Presse, um aus kleinen Ideen ein florierendes Geschäft zu machen. Das macht laut Sophie auch den Reiz der Stadt aus.
Voll im New York-Flow
Dass New York ständig pulsiert, weiß auch Eduard "Edi" Frauneder. Der 38-jährige gebürtige Wiener ist ein gstandener Business-Man, ein Top-Gastronom mit Michelin-Stern, der gleich zwei Lokale, eine Cocktailbar und eine Cateringfirma, mit seinem Geschäftspartner Wolfgang Ban betreibt. "Edi and the Wolf" heißt das Restaurant mit rot-weiß-rotem Flair, in dem ich mich mit ihm verabrede. Der New Yorker, das Lifestyle-Magazin schlechthin, schwärmt von einer Nacht mit Blaufränkischem und Schoko-Nuss-Palatschinken. Auch österreichische Zeitungen berichten über den "Heurigen" in New York und darüber, dass Stars wie Michael J. Fox und Ralph Lauren dort gerne mal ein Schnitzel oder eine Käsekrainer essen. Edi ist also kein Unbekannter in seinem Metier.
Ich düse mit dem Taxi ins East Village, Avenue C und treffe einen Gastronomen, wie er im Buche steht: immer beschäftigt, immer auf Achse, immer am Händeschütteln, smalltalken, scherzen, selbstbewusst sein. Er kommt bei den Leuten gut an, eh klar, bei ihm ist immer eine Gaude und die New Yorker stehen auf Lokale mit nischiger Speiskarte und lockerer, alkoholgetränkter Atmosphäre.
Eva Deutsch
"The show must go on" – das ist tatsächlich das Credo von Edi Frauneder. Er ist gelernter Zuckerbäcker, hat seine Lehre im Betrieb der Eltern gemacht, die Selbständigkeit hautnah miterlebt und verinnerlicht. Krisen wie September 11 oder der Börsencrash von 2008 müssen bewältigt werden, meint Edi. Nur vorwärts zähle, es gäbe nur diese eine Richtung für ihn. Ausnahmslos. Da ist sie wieder, diese Energie, die mir auch bei Sophie Sevigny aufgefallen ist. Der eiserne Wille, Dinge anzupacken und sie unbedingt realisieren zu wollen. Vielleicht geht man dafür auch manchmal über sprichwörtliche Leichen und muss Einbußen in seinem Leben hinnehmen. Eine Familie hat Edi bisher nicht gegründet, obwohl er gerne würde.
Es ist bunt hier
Über Hingabe für ihre Arbeit verfügt auch die in Wien geborene Künstlerin Nin Brudermann. Sie stellte bisher unter anderem bei der Biennale in Venedig aus, in der Kunsthalle Wien, Krems und dem Kunstraum Dornbirn genauso wie im Brooklyn Museum oder im Institute of Contemporary Arts in London. Und der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban-Ki Moon, war auch schon mal Teil eines performativen Aktes von Nin Brudermann.
Eva Deutsch
Ich treffe sie in der Bakeri, einem Frühstückslokal auf der Wythe Avenue in Williamsburg/Brooklyn. Die Angestellten tragen alle blaue Jumpsuits und im Haar rote Tücher, alles schön durchgestylt. Nin Brudermann lässt so eine Aufmachung kalt. Sie strahlt eine ganz andere Art von Coolness aus. Sie lebt seit 20 Jahren in New York. Mit 16 Jahren kam sie für einen Schüleraustausch in die Stadt und bald darauf wieder zurück, um an die Tür einer ganz bestimmten Person zu klopfen: Louise Bourgeois, der bekannten zeitgenössischen französisch-US-amerikanischen Bildhauerin. Die lädt sie zu einem Kaffee in ihre Wohnung ein, Nin zeigt ihr ihre Arbeiten und dank einem letter of recommendation von Bourgeois erhält die junge Nin ein einjähriges Stipendium im PS1 (jetzt MoMA PS1), einer der größten Institutionen in den Vereinigten Staaten, die sich der zeitgenössischen Kunst widmen.
Nach dem Stipendium kauft sich Nin im East Village, damals noch eine Gegend mit ausgebrannten Autowracks, gemeinsam mit befreundeten Studierenden eine Lagerhalle. Die wird zu einzelnen Lofts umfunktioniert. Die "McKibbin Street Lofts" gelten als die ersten Künstlerlofts in New York, inklusive Wikipedia-Eintrag. Die Mieteinnahmen aus ihrem Loft bieten ihr nach wie vor eine finanzielle Basis. Wenn - gerade in einer Stadt wie New York - der Faktor Miete wegfällt, ist das schon ein guter Batzen Geld mehr, den man zum Leben zur Verfügung hat.
Nicht jede/r schaffts
Um hier auf Dauer angenehm leben zu können, braucht es eine gehörige Portion Zielstrebigkeit und Ideenreichtum sowie eine gewisse Nonchalance und auch genügend Durchhaltevermögen. Klar, machen wir uns nichts vor: Ich habe in New York drei Menschen getroffen, die es tatsächlich geschafft haben. Die Glück hatten, bei denen sich Zufälle positiv entwickelt haben, Menschen, die ihre Chancen bekommen, erkannt und genutzt haben. Vielen anderen ist der Erfolg nicht vergönnt, das Leben in New York weiterhin hart und es wird womöglich auch in Zukunft nichts langfristig Positives passieren. Sich von Sophie, Edi und Nin ein bisschen was abzuschauen und sich inspirieren zu lassen, kann trotzdem nicht schaden. Egal ob man in New York oder Attnang-Puchheim lebt.
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