Erstellt am: 17. 3. 2016 - 16:14 Uhr
Warum die GDC großartig ist
Robert Glashüttner
Drei Jahre lang war ich nun nicht auf der GDC, doch vor ein paar Monaten hat mich die Sehnsucht wieder gepackt. Die Game Developers Conference, das Stelldichein der (nicht nur) westlichen Spieleentwickler_innen aus allen Bereichen, ist jedes Mal aufs Neue ein stichhaltiger Beweis dafür, wie reichhaltig digitale Spielkultur ist. Natürlich gibt es hier jede Menge Tech- und Businessvorträge. Selbstverständlich kann man in Hype und Euphorie etwa des aktuellen Virtual-Reality-Frühlings baden. Aber es gibt so viele Alternativen!
Wie es sich für einen Redakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehört, suche ich mir vorrangig jene Menschen und Themen aus dem umfangreichen Programm heraus, die unkonventionell, im weiteren Sinne künstlerisch bzw. nicht-kommerziell sind. Selbst, wenn man so an die Sache herangeht, müssen viele Vorträge, Postersessions, Panels, Präsentationen und Interviews ausgelassen werden, damit sich für die fünf Konferenztage einigermaßen durchführbare Zeitpläne erstellen lassen.
Misfits und Masterminds
Robert Glashüttner
Ich spreche mit einem Mann, der 1982 mit ein paar Mitstreitern "Pac-Man" gehackt und danach der offiziellen Vertriebsfirma als Nachfolger "Ms. Pac-Man" verkauft hat. Außerdem mit dem Vorstand einer Charity, die sich für körperlich behinderte Menschen und deren Computerspielleidenschaft einsetzt, einem Künstler, der sein kurioses Webvideocomedyformat in ein Adventure-Game umwandeln will oder dem Gründer der GDC, der seit 25 Jahren von der Idee besessen ist, Computern das Wesen menschlicher Kommunikation näher zu bringen. Nach vierzehn Jahren Spielejournalismus ist mir noch keine Fachveranstaltung untergekommen, die eine so große Bandbreite an Themen, Geschichten und Personen unter einen Hut bringt.
Bevor ich am Montag in der Früh zum ersten Mal zum Messegelände gehe, mache ich zuerst noch einen Abstecher zum sogenannten Gamenest. Das Gamenest ist ein Co-Working-Space für Spielemacher und -macherinnen, nicht weit vom Moscone Center entfernt, wo die GDC stattfindet. Ganz oben im Nest sitzen Andreas Zecher und Mattias Ljungström von Spaces of Play, die schon seit einer Weile ihr wunderschönes Waldexplorationserlebnis "Future Unfolding" in der Mache haben. Bei der GDC sind sie dieses Jahr nicht - immerhin kostet ein Konferenzticket für Entwickler_innen pro Nase einige hundert US-Dollar, die zu den Flug- und Unterkunftskosten dazukommen. Die Möglichkeit, sich eine Woche lang mit potenziell hunderten Kollegen, Geschäftspartnern und Gleichgesinnten auszutauschen, muss man deshalb aber nicht sausen lassen.
Hinterfragen von Konventionen
Robert Glashüttner
Aber auch, wenn man einen GDC-Pass hat, muss man nicht immer in den Konferenzhallen abhängen. Der niederländische Gamesforscher sowie Autor und Designer Mata Haggis hat sich mit seinem Laptop kurzerhand in ein Café ins Freie gesetzt und präsentiert dort sein in Kürze erscheinendes Spiel "Fragments of Him". In dieser interaktiven Erzählung geht es um eine Person, die bei einem Autounfall ums Leben kommt, und was dieser Verlust für das engste soziale Umfeld dieser Person bedeutet. Es ist eine bedrückende Geschichte darüber, wie traurig und gleichzeitig absurd es ist, von einer Sekunde auf die andere einen ganz nahen Menschen zu verlieren. Nachdem ich die Demoversion gespielt habe, meint Mata Haggis, dass ich dabei ja ganz schön viel herumgeschaut habe und quasi hyperaktiv war, obwohl das Spiel von mir gar keine Leistung, sondern vielmehr Beobachtung und Anteilnahme einfordert. Die Grenzen, was ein Spiel ist oder sein kann, werden auf der GDC regelmäßig herausgefordert und gesprengt. Und ich verhalte mich beim Spielen offenbar immer noch wie der typische Gamer. Erwischt.
Unterschiedliche Menschen, eine Leidenschaft
Robert Glashüttner
Etwas, das mich ebenfalls immer wieder zur GDC zieht, ist das Brückenschlagen zwischen den Generationen. Ob jemand 25 oder 65 ist, kümmert hier erst einmal niemanden. Jede und jeder hat eine Geschichte zu erzählen, hat Visionen oder Anekdoten, die mit anderen geteilt werden wollen. Traditionell sind die sogenannten Classic Game Post Mortems, wo die Entwicklung von Spielen besprochen wird, die vor 25 Jahren oder noch früher erschienen sind. Als ich den Designer von "Ms. Pac-Man", Steve Golson, treffe, ist einer seiner drei Söhne mit dabei. Der Vater erzählt vom Platinenhacken in den frühen Achtziger Jahren, während der Sohn von Copyrightproblemen bei Twitch-Streams berichtet. Generationenkonflikt gibt es keinen, vielmehr lernt man voneinander. Alle haben eine Passion und ein Interesse, und das sind digitale Spiele.
Mehr Spielekultur:
fm4.ORF.at/games
Weil die Game Developers Conference dieses Jahr 30. Jubiläum feiert, ist die Nostalgie ausnahmsweise noch ein bisschen weiter ausgebreitet worden: In "Flash Backward"-Kurzvorträgen werden Highlights wie die Entstehung der originalen Playstation oder die Geburt von Multi-User-Dungeons (MUDs) dargelegt. Doch das kann natürlich nur ein ganz kleiner Ausschnitt sein. Videospielkultur hat so viel mehr bemerkenswerte Bewegungen, Ideen, Technologien und Unterhaltungsformen hervorgebracht, als in eine 60-Minuten-Session passen. Selbst, wenn dabei einige Stars der Games-Welt am Start sind, die maßgeblichen Einfluss auf ihre Entwicklung hatten.
Robert Glashüttner