Erstellt am: 16. 3. 2016 - 15:36 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 16-03-16.
#medien&pr #wohnpolitik
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
Urbaner Wohnraum wird gerade teurer und kleinteiliger portioniert; des lieben Profites willen, und auf Kosten einer dadurch abrutschenden Mittelschicht. Zudem wird die neue Kompaktheit via PR/Medien auch noch als gesellschaftlicher Auftrag transportiert.
Bauen mit marktüblichen Tricks und Nebengeräuschen
"Die Fertigstellung ist bis Sommer 2016 geplant", heißt es im Folder, den man am Zaun vor der Baustelle entnehmen kann. Könnte sich ausgehen. Denn die Arbeiten am und im Nebenhaus, die bekommen wir hautnah mit, tagtäglich. Und kürzlich waren die Estriche dran.
Die Immobilientreuhänder/Makler mit dem durchaus bekannten Namen (dem, der sich auf ein legendäres US-Pornohochglanzheft reimt) haben im ganzen Bezirk ihre Projekte, gleich ums Eck ist noch ein demnächst fertiggestelltes neues Haus. Das alte, das, das sie letzten Spätsommer in einer Blitzaktion runtergerissen haben, wäre durchaus auch instandsetzbar gewesen. So wie unser Haus, das ein Architektenteam ausgehöhlt und neu strukturiert hatte. Aber da hätte man die Raumaufteilung und die Stockhöhe nicht selber (und neu, sprich marktkonform) definieren können.
Gewinnmaximierung durch Raumbeschränkung
Dass man dazu die Altmieter mit sicher auch marktüblichen Tricks (ein Laufhaus an der Adresse annoncieren und so für nächtlichen traffic an den Türklingeln sorgen z.B.) rausekelt, die Nachbarn mit Lügengeschichten abspeist, das läuft unter cityübliche Nebengeräusche in der Haifisch-Branche Bauwesen, geschenkt.
Dass Gesetze und Bestimmungen zum Lärm- und Umweltschutz (ausgeweitete Bauzeiten, Straßen-Absperrungen, Behinderungen etc.) systematisch ausgehöhlt und ausgehebelt werden und wurden, hat mit dem prinzipiellen Wohlwollen der Stadtväter und -mütter dem goldenen Kalb Wohnungsbau und der AMS-Statistik-technisch so wichtigen Bauwirtschaft gegenüber zu tun. Da muss man durch.
Dass sich die Gewinnmaximierung der Baumeistereien über die Einschränkung des individuellen Wohnraums rechnet - auch so ein Selbstläufer des neoliberalen Kapitalismus. Das Nebenhaus hat jetzt 5 statt 4 Stockwerke, blieb dabei aber gleich hoch. Und durfte gleich zwei Dachausbauten draufsetzen.
Die Aushebelung von Bauvorschriften - etwa in Bezug auf die Maximalhöhe von Häusern - ist wohl so alt wie der Wiener Hausbau selber. Die zahllosen Sous-Terrains, Mezzanine und Hochparterres sprechen da eine beredte Sprache.
Marktverknappung, PR und willfährige Transporteure
Stutzig macht, dass die kleinere Einheit der im Folder angebotenen Wohnungen um fast 10 m² kleiner ist als die kleinere Einheit in unserem, ganz deutlich schmäleren Nachbarhaus, obwohl sich auch nur zwei auf jeder Etage befinden. Der Block-Klatsch weiß aktuell von zwei Verkäufen und noch 13 offenen Eigentums-Maisonetten. Denn natürlich sind die Wohnungen in Relation zu klein bzw zu teuer; und die Aussicht auf bald eintretende und durchgängige Gentrifizierung der Gegend (nur weil in fünf Jahren die U-Bahn Station machen wird) deutlich zu optimistisch. Die nahe Zukunft birgt andere Herausforderungen.
Damit sich das alles trotzdem rechnet, damit die Immobilienbauer/händler auf ihren Schnitt kommen, braucht es Marktverknappung, PR und willfährige Transporteure. Die Marktverknappung funktioniert über steigende Mieten, steigende Kaufpreise, Gentrifizierungsversuche, Leerstände und Verfallsbeschleunigung; die PR vor allem über andauerndes Hungertuchgejammer.
Die Lebensplanung der Menschen schreit nach winzigen Wohnungen
Gut, dass die Branche über einen direkten Draht in die Medien verfügt, und quasi direkt in die wochenendlichen Beilagen der Tageszeitungen, vor allem die hochpreissegmentigen der sogenannten Qualitätsmedien hineinzuwirken vermag. Da diese Immobilien-Bücher/Beilagen von Kurier/Standard/Presse/Bundesländer-Zeitungen unter redaktioneller Hoheit antreten, fällt das nur dann auf, wenn die Branche zu stark auf die Tube drückt um ein Anliegen quasi konzertiert nach außen zu tragen.
Letztes Wochenende beschäftigten sich sowohl in der Presse als auch im Standard (redaktionelle) Beiträge mit dem "Trend" zum "kompakten" Wohnen. Aussage: Bauträger setzen deshalb auf kompakte Einheiten, weil diese begehrt wären, nicht nur wegen der besseren Leistbarkeit, sondern weil die Lebensplanung der Menschen (Stichworte: höhere Flexibilität, berufliche Fluktuation, mehr Single-Wohnungen auch für Senioren etc.) das so verlange. Die Berichte übernehmen diese These unüberprüft und unhinterfragt.
Und das ist dann der Moment, wo es reicht.
Sich von einer Branche, die zentrale Bedürfnisse des Lebens vermarkten, übervorteilen und ausnehmen zu lassen, ist erste Bürgerpflicht im hiesigen Kapitalismus - okay. Mit Mietmarkt-Verengung und unleistbaren Kaufpreisen für immer kleiner werdenden Wohnraum leben, sich also an den Neoliberalismus anpassen müssen - muss der Einzelne in Ermangelung politisch wehrhafter Gegenkräfte als Fakt hinnehmen. Die Mittelschicht wird nicht nur in diesem Bereich massiv destabilisiert - das Wohnen ist aber der haushaltsbudgettechnisch wesentlichste Faktor um Entwicklungen zu steuern.
Dass die Bauwirtschaft jedoch ihre Gewinnspannen-Gier als direkte Folge einer quasi gesellschaftlichen Forderung nach beengtem, Sorry, "kompaktem" Wohnen verkaufen und sich als Wohltäter, Trendsetter und Flexibilitätsförderer abfeiern lässt, ist in einer demokratischen Gesellschaft, in der die Medien eine Kontroll-Funktion erfüllen können, nicht notwendig. Und ganz ohne Verweis auf EU, Gesetze und Realpolitik zu verhindern. Einfach indem die PR der Immo-Branche nicht direkt in die Medien fließt; indem An- und Aussagen der Branche hinterfragt werden - z.B. mit der wichtigsten aller Fragen (wem nützt es?).