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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 3. 2016 - 14:45

The daily Blumenau. Monday Edition, 14-03-16.

Was die AfD alles von der FPÖ gelernt hat. Etwa die Sache mit der Zuspitzung und der Hoffnung auf dümmliche Medien-Reaktionen.

#demokratiepolitik #medienkrise

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Die aktuellen, jetzt auch greifbaren Erfolge der AfD greifen auf eine Trick zurück, dessen sich seit den Zeiten Jörg Haiders regelmäßig auch die FPÖ bedient: eine raffinierte Doppelstrategie, die auf die blinde Zuspitzung durch empörungsgeile Medien setzt.

Man nehme: eine empörungssüchtige Medienkultur...

Der Begriff der Lügenpresse wäre auch dann falsch, wenn die Vorwerfer, die AfD/Pegidabesorgten Bürger, die Putinversteher, der nationale Untergrund und die anderen Aluhüte mit dem, was sie an Verschwörungs-Theorien daherspinnen, wirklich recht hätten.

In einem demokratischen Umfeld sozialisierte Medien und Medienmacher können nicht wegen ihrer prinzipiellen Verfaßtheit gar nicht lügen; sie haben eine andere Technik entwickelt um nicht genehme Wahrheiten nur indirekt ansprechen zu müssen: sie heucheln. Und sind damit in der guten Gesellschaft letztlich aller. Genauso wie wir alle Empathie und Empörung heucheln, wenn es um gesellschaftlich relevante Themen geht, mit denen wir uns nicht länger als eine gänsehautmachende Schlagzeile lang beschäftigen möchten, machen es auch die Medienvertreter: uns recht nämlich.

Diese Schwachstelle schreit danach benutzt und instrumentalisiert zu werden. Uns so spielen seit eigentlich immer schon Populisten und andere politische Trickster auf den Medienorgeln ihrer Bereiche.

Die (auch gedankliche) Verkürzung fördert den Populismus

Letzte Woche hat kress.de eine interne Mitteilung der AfD-Chefin Frauke Petry "geleakt", in der sie den medial noch wenig beleckten Kollegen eine nachvollziehbare Verhaltensweise vorgibt: "In einer auf Zuspitzungen und Verkürzungen angelegten Medienlandschaft gehen differenzierte und sachlich formulierte Aussagen leicht unter ... Um sich medial gehör zu verschaffen sind daher pointierte, teilweise provokante Aussagen unerlässlich. Sie erst räumen uns die notwendige Aufmerksamkeit und das mediale Zeitfenster ein, um uns in Folge sachkundig und ausführlicher darzustellen."

Diese Info (in der sich Petry inhaltlich im übrigen auf Adenauer, also die Basics beruft) sorgte für mediale Empörung - als ob derlei nicht in allen Parteisekretariaten (und in letztlich allen PR-Stellen) gelehrt würde.

Was not tut ist eine Ecke weiter zu denken - wie Christoph Süß hier ab 34:30 im BR-Magazin Quer. Wer schlau ist, begnügt sich nicht mit der bloßen Zuspitzung (und der Hoffnung dann von den Medien wahrgenommen zu werden und sein Ding breiter präsentieren zu können), sondern schickt noch eine Art Trojaner mit.

... und schon setzt man zwei Botschaften gleichzeitig ab...

So wie es AfD-Chefin Frauke Petry im Fall der notorischen Debatte um den Grenz-Schießbefehl auf Flüchtlinge getan hatte. Petry sprach davon, dass "notfalls" die Grenzen auch mit der Waffe gesichert werden müssen, was aus dem Gesetzestext heraus, strittig aber doch, so interpretierbar ist, und somit den Verfassungsrahmen nicht verlässt. Petry kalkuliert mit der Blindsichtigkeit der Medien, die sobald es um Ihresgleichen geht, nicht mehr differenzieren und abwägen, sondern verkürzend zuspitzen: Petry will auf Flüchtlinge schießen lassen!

Hat sie so nicht gesagt.
Und kann sich dann also auf eine Falsch-Zitierung ausreden, ihre Ehrenhaftigkeit innerhalb des Verfassungsbogens betonen und die Lügenpresse Lügenpresse heißen.

Indem sie mit der Zuspitzung kalkuliert und bewusst in Kauf nimmt so - nämlich nominell falsch - verstanden zu werden, bedient sie auch noch den Rechtsaußen-Law&/Order-Rand und setzt so gleich zwei Botschaften zugleich ab. Petry hofft also von den Medien genau so missverstanden zu werden, wie sie es gemeint hat. Es ist erst die mediale Zuspitzung, die ihr die Worte in den Mund legt und von sich aus liefert, was sie auch noch sagen will - ohne dass sie sich dazu bekennen muss.

Die vorschnelle Teilhabe am digitalen Stammtisch-Gerülpse

Eine raffinierte Doppelstrategie, die einst der Meister dieser Kunst, Jörg Haider entwickelt hat, nachdem er mit seinen frühen plumpen Sagern (von der ordentlichen Beschäftigungspolitik unter den Nazis uä) auf die schnauze gefallen war. Und mit der die FPÖ-Strategiezentrale unter Mastermind Kickl heute noch arbeitet. Hier findet sich ein schön ausgearbeitetes und dokumentiertes Beispiel.

Das auch zeigt, dass die Rolle der aufputschenden Empörer nicht allein von den herkömmlichen Medien gespielt wird, sondern in Social Media massiv verstärkt wird. Was wiederum auf die Medien zurückstrahlt, die glauben, an dem Stammtisch-Geraune, der Hörensagen-Erregung, der ungenauen Analyse des Gesagten, dem Unüberprüften so schnell wie möglich teilhaben zu müssen.

Nun ist check-recheck-doublecheck nicht die Kernkompetenz des Stammtisches, auch nicht des medialen, nicht einmal die der Facebook-User aus dem Medienbereich. Und es ist auch nicht zu verlangen. Dass die Zuspitzung und Verkürzung auch bei selbsternannten Qualitätsmedien (und im Fall Petry/Schießbefehl war das so) ankommt, kratzt hingegen an der professionellen Arbeits-Ehre.