Erstellt am: 14. 3. 2016 - 15:23 Uhr
#TeamDiagonale!
Die Stadt mit Filmen zum Leuchten zu bringen, das haben die neuen Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger in ihrer Diagonale-Woche versucht. Und es ist ihnen gelungen. Bereits mit der Intendanz Barbara Pichlers ist das Festival des österreichischen Films in Graz wieder zum Fixpunkt für so viele BesucherInnen geworden. Der Run auf die Diagonale hat sich dieses Jahr fortgesetzt und gesteigert. 30.200 BesucherInnen waren dabei. Woohoo! Umsichtig und mit Enthusiasmus zu jeder Tages- und Nachtzeit hat sich das Intendantenduo Graz für das Festival des österreichischen Films erobert. Auch, indem die Leitung mit Grazer Institutionen kooperiert hat. Kinokarten mit Notizen und Notizen auf Papier.
Lukas Maul
- Ausverkauft!
Waren in den letzten zwei, drei Jahren die Karten für Abendvorstellungen von Premieren bereits wenige Tage nach Vorverkaufsstart weg, so galt das diesmal auch für Vorführungen tagsüber: Ab in die Wartelisten-Schlange. Das System Warteliste funktioniert. Die Diagonale 2016 steuert auf einen Publikumsrekord zu, freut sich Peter Schernhuber bei einer der letzten Vorführungen am Sonntagabend.
- Analoge Fotos
In analogen Schnappschüssen ist der Festivaltrubel der Diagonale dokumentiert und online gestellt worden. Ein privater Trend wird da aufgegriffen. Der Reiz des Analogen, übertragen ins Digitale, ist Ansichtssache.
- Bar 8020
Beim herbst 2011 hatten GrazerInnen die Bar im Hotel Mariahilf lieb gewonnen. Rustikal eingerichtet mit Tischen, über die man sich für Gespräche weit beugen muss, und einer Mini-Tanzfläche. Als "Bar 8020" war die Lokalität bei der Diagonale mit Ananas als Tischdeko wieder geöffnet. Jetzt wieder geschlossen.
- Bücherregal
Der Katalog 2015 ist zwei Zentimeter höher und einen Zentimeter länger als die Kataloge der Diagonale in den letzten zehn Jahren. Jetzt muss also ein neues Fach eröffnet werden. Eine Instagram-Biedermeier-Herausforderung! Das beste Goodie indes, das Diagonale-Notizbuch, gehört leider der Festivalgeschichte an. Stattdessen gab es dieses Jahr Brillenputztücher und Flüssigkeit gegen trockene Augen.
- Der Plan
Bei all dem neuen Design der Diagonale: Der Übersichtsplan im Programmheft ist leider komplett unbrauchbar. Weder Neon-Textliner noch Kugelschreiberkreise kommen gegen diesen Farbdruck an.
Radio FM4
- Hypnose
"Wenn du auf das Logo schaust und dann zum Beispiel auf ein weißes Blatt Papier, siehst du noch immer die Streifen". Ein Kinobesucher über das neue CI der Diagonale. In der Agenturbeschreibung liest sich das so: "Es bewegt sich. Das D der Diagonale, Festival des österreichischen Films. Ausgehend von der österreichischen Nationalflagge, erscheinen die horizontalen Linien des Halbtonverfahrens auf sämtlichen Kommunikationsmedien. Ein grafisches System, das sich in den Bildschirmfarben immer wieder neu formiert, egal ob in 16:9, 4:3 oder 1:1." Gestreifte Shirts, gestreifte Fahrradfelgen, gestreifte Pultverkleidungen.
- Meer sehen!
Es gibt Filme, deren Spannung sich in den eigenen Körper fortsetzt. Exemplarisches Stichwort: "Agonie". Dann aber wird das Hirn getriggert: Mit Meer, so blau, so ruhig, so fantastisch. Im Kurzfilm The Sea You Have To Love von Patrick Wally ist man draußen auf einem traditionellen Fischerboot. "All we have is now" denkt man angesichts eines zappelnden Fisches und fühlt sich plötzlich seltsam glücklich. Es fällt einem wieder ein, dass man in vier Autostunden an diesem Meer sein kann. Luxus.
Piece Of Cake Films
- Haut es mit dem Projektor an die Wände
Rainer Kohlbergers "Not even nothing can be free of ghosts" in algorithmisch produzierten Bildern pulsierte auf einer Hauswand in einem Innenhof der Strauchergasse. Die Projektion konnte fast mit jener im Kinosaal am Nachmittag mithalten, der Sound war in den Hinterhöfen gut geschützt. Zur Kurzfilmwanderung bei der Diagonale kamen sehr, sehr viele trotz der Kälte und PassantInnen schlossen sich kurzfristig an. Das Team des Street Cinema Graz beginnt bald mit ihren Sichtungen für den Lendwirbel.
- Eine Frage der Sympathie
Wie war die Erfahrung mit Ingeborg Bachmanns Texten? "Emotional anstrengend, weil ich mich erst in sie... in sie hineinkommen musste, weil sie für mich etwas Abstoßendes hat. Und die Arbeit hat mir auch entblättert - schmerzlich und emotional, - warum", sagt Anja F. Plaschg anlässlich der Premiere von "Die Geträumten" auf der Berlinale. So wie der Künstlerin und zunehmend auch Schauspielerin Anja F. Plaschg geht es einem auf der Diagonale in etlichen Filmen, die einen mit Charakteren konfrontieren.
Auch Jurymitgliedern ist es so ergangen. Ein "Sprengkörper im Wettbewerb" war für sie "Helmut Berger, actor". Regisseur Andreas Horvath führe ZuschauerInnen auf ethisch dünnes Eis. Auch "Girls Don't Fly" bot Gesprächsstoff für die Bar. Getanzt wurde im HDA.
- Short cut, Undercut
Short cut plus undercut, der radikale Kurzhaarschnitt der 1920er Jahre ist zurück in Kombination mit Undercut. Bei Soap&Skin, die nicht in Graz anwesend war, und auffallend bei Festivalbesucherinnen. Fehlt nur noch der Hut mit nach unten laufender Krempe, der vor einhundert Jahren der Grund war, weshalb sich die Frauen die Haare noch kürzer schnitten.
- Kinder
"Ja, ich hab' auch das Jugendamt am Hals", sagt ein vielleicht 10-jähriger Bub in "Kinders" von den Riahi Brothers in der Tonlage eines Erwachsenen, der Elternschaft als Alimente-Zahlen versteht. Der Blick auf kindliches Erleben war in mehreren Filmen Thema, vom Eröffnungsfilm "Maikäfer flieg" und "Hannas schlafende Hunde" zu "Im Spinnwebhaus". Kinder beherrschen Tragikomik.
- Kinostart?
"Kinders" hat übrigens noch keinen Verleih. Exklusivität ist für ein Filmfestival super, aber nach dem letzten Spieltag wünscht man vielen FilmemacherInnen reguläre Kinostarts für ihre Arbeiten. "Maikäfer flieg" ist jetzt in den Kinos. Barbara Eders "Thank you for bombing" über Journalismus in Kriegsgebieten startet diesen Freitag.
Radio FM4
- Talks
Das Programm der Diagonale 2016 war sehr dicht. Nicht, dass es in den vergangenen Diagonalen Zeitlücken gegeben hätte. Für Kaffeetrinken musste man immer eine Vorführung streichen. Aber diesmal war es ein bisschen schwieriger, sich im Rahmenprogramm zurechtzufinden: "In Referenz" stand sehr vieles. Österreichische Zeitgeschichte wie die internationalen Gäste mit Dokus im Programm.
- Team Diagonale
Die schönsten Filmfestivals sind jene, bei denen man sich nicht allein ins Kino setzt, sondern ein #TeamDiagonale bildet: Eine Freundin checkt die Karten, ein Freund reserviert Plätze im Saal und die Dritte radelt schon zum nächsten Kinofoyer, damit die anderen FreundInnen noch das Publikumsgespräch hören können. Menschen, die Fruchtgummi und Schokoriegel nicht nur für sich mit und zudem eine Meinung zu Filmen haben! Insert: Herzsymbol.
- Der Trailer
Wunderbar war der Trailer zur Diagonale 2016. Gleich nochmal hier zum Anschauen:
Diagonale Festival Trailer 2016 from Diagonale Film Festival on Vimeo.
- Patriarchat
Man will es nicht erwähnen, aber es drängt sich zu sehr auf: Kaum eine Geschichte über die diesjährige Diagonale kam ohne kommentierten Verweis auf das Alter der beiden Intendanten aus. "Diagonale-Jungs" ist ein Spitzname bei jenen, die mit Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger bei Festivals zusammengearbeitet haben. So groß das ausgesprochene Lob ist, öffentlich verwendet bleibt "Jungs" ein Diminutiv.
- Supermodels
In Helvetica auf eine Einkaufsstofftasche zu drucken:
"Severin
Veronika
Lisa &
Kurdwin".
Es fallen einem noch weitere Namenskombinationen ein. Der österreichische Film ist international erfolgreich und doch ist hierzulande alles sehr übersichtlich. Wie Veronica Franz ("Ich seh ich seh", internationaler Titel: "Goodnight Mommy") in der FM4 Homebase Spezialsendung Petra Erdmann erzählt, dass sie eben nicht mal schnell zu Tobey Maguire nach Zürich auf einen Kaffee fliegen kann, ist hörenswert.
Dass sich bei der Diagonale erneut so viele Filmschaffende in Graz eingefunden haben, ist sehr beglückend. Wer seinen Film nicht für die Diagonale eingereicht hat, wird man nur in den nächsten Monaten bei Filmstarts spekulieren können. Manchmal sind es auch andere Verwertungswege, die gegangen werden wollen.
Bis zur Diagonale 2017 gilt die Devise: Dein Programmkino liebt dich!