Erstellt am: 13. 3. 2016 - 14:23 Uhr
Falls das nicht Liebe ist, wird es die Bombe sein
Das fallweise Bedürfnis nach absoluter Hingabe und kompletter Selbstaufgabe innerhalb einer Beziehung - durchaus innerhalb eines amourösen Verhältnisses oder im Rahmen gegenseitiger körperlicher Bedürfnisbefriedigung gedacht, aber eben nicht ausschließlich immer nur auf das Vorzeichen "Liebe" gemünzt. Der Wunsch nach Unterwerfung und ein prickelndes masochistisches Verlangen.
Wenn ANOHNI, vormals Anthony, in ihrer aktuellen, ja, erschütternden Single namens "Drone Bomb Me" die titelspendenden Zeilen singt, kann das ganz klar als metaphorischer Verweis auf Begehrlichkeiten, Zerwürfnisse, Machtgefälle in der intermenschlichen Partnerschaft (welcher Prägung auch immer) gelesen werden.
ANOHNI
Auf anderer Ebene, der wörtlichen, der an der Oberfläche liegenden, meint ANOHNI aber eben auch genau das, was sie da sagt: "Drone Bomb Me".
Im Mai wird unter dem sprechenden Titel "Hopelessness" das Debütalbum von ANOHNI erscheinen und zu nicht geringen Teilen vom Menschen herbeigeführte Katastrophen, Krisen, Krieg, Weltuntergangsszenarien thematisieren.
Produktionstechnisch haben ANOHNI dabei der schottische Maximal-Boy Hudson Mohawke und der New Yorker Konzept-Elektroniker Oneohtrix Point Never unterstützt – eine nicht bloß in musikalischer Hinsicht stimmige, sondern auch stellenweise bezüglich theoretischen Unterbaus fruchtende Zusammenarbeit: Hudson Mohawke wie auch Oneotrix Point Never verhandeln in ihrer Musik immer wieder - mal eher spielerisch-beiläufig anhand des verwendeten Soundmaterials, mal eher intellektuell ausformuliert - Motive wie Konsum-Overkill, Kapitalismus, die Zumüllung der Welt durch Signale, Informationen, Plastik.
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
"4 Degrees", die erste Single von ANOHNI, hat sich ausdrücklich mit dem Klimawandel als einer der großen Bedrohungen für den Planeten auseinandergesetzt, der Song "Drone Bomb Me" sei jetzt, so ANOHNI selbst, aus der Sicht eines jungen Mädchens geschrieben, sei es aus Afghanistan, sei es aus Somalia, das eben durch eine Dronen-Attacke der USA die gesamte Familie verloren hat. Und sich jetzt auch bloß noch den Tod wünscht.
Im Kontrast dazu ist die Musik fast schon uplifting: Synthetische Fanfaren, Drumsalven, ein süßliches Zwitschern und Plinkern, später dann kunststoffhafte, knappe Beats wie Gummigeschosse. Dass der Aggressor auch immer meint, wohl aber sicher einen guten Grund gehabt zu haben, verdeutlicht ANOHNI in einer kurzen, schmerzlichen, wieder aus der Perspektive des Opfers gesungenen Zeile: "After all, I’m partly to blame". Ein Tanz auf Ruinen, der weh tut.