Erstellt am: 13. 3. 2016 - 13:24 Uhr
Konfettikanonen zum Finale
Diagonale - Festival des österreichischen Films,
8. bis 13. März 2016, Graz
Die Homebase Spezialsendung zur #Diagonale16 vom 10. März gibt es 7 Tage zum Nachhören.
Alles zur Diagonale auch auf orf.at/diagonale16.
Ingeborg Bachmann wäre sehr erfeut, Paul Celan würde fragen: Aber ist es ein Spielfilm? Das ist Fiktion. Der große Diagonale-Preis Spielfilm geht an Ruth Beckermann für "Die Geträumten". For real.
Ruth Beckermann Filmproduktion
Es ist ein schöner Film, getragen von Anja F. Plaschg, durch den die Wucht der Korrespondenz zwischen den AutorInnen Bachmann und Celan Hingabe allem voran zu Kunst offen legt. "Ich lebe und atme manchmal nur durch sie", schreibt Bachmann an Celan über dessen Gedichte. Ausgesprochen ist der Satz noch unfassbarer. Es ist Anja F. Plaschg, die diese und weitere Bachmanns Zeilen verinnerlicht hat, wenn sie die Texte vorträgt. Laurence Rupp steht ihr stellenweise gegenüber wie das Publikum und vielleicht damals Paul Celan (der für Monate schwieg und ihr nicht schrieb): ganz Ohr.
Die Filmemacherin Ruth Beckermann war ursprünglich von einer Doku ausgegangen, sagte sie bei Publikumsgesprächen. Die Frage, wie lange sie für "Die Geträumten" mit Kameramann Johannes Hammel gedreht habe, umschifft sie. Angesichts anderer Spielfilme, die im Wettbewerb der diesjährigen Diagonale gelaufen sind, kann die Jury-Entscheidung in your face wirken. Auch könnte man sich ernsthaft die Frage stellen, wozu es Labels und die kategorische Trennung Spiel- von Dokumentarfilm braucht.
Sigmund Steiners "Holz Erde Fleisch" jedenfalls ist für die diesjährige Doku-Jury der beste Film der Diagonale 2016. Aus diesem Film ginge man mit Mut und einem Lächeln hinaus, sagt die Jury bei der Verleihung. "Einen Bauern kann man erst dann verstehen, wenn man einmal mit ihm im Wald war", sagte der Vater des Regisseurs über sich zu seinem Sohn.
Dorthin führt der Film, an die Arbeitsplätze und zu einem Verständnis für bäuerliches Wirtschaften noch abseits von Massenproduktion. Es ist ein Blick in eine Welt, von deren Sensationen man keinen Begriff mehr hat, wenn man in der Stadt aufgewachsen ist. Nicht zuletzt erzählt "Holz Erde Fleisch" von Vater-Sohn-Beziehungen. Das ist auch ein Generationenkonflikt: "Da ist die Mutter ein Puffer", sagt einer der Bauernsöhne.
La Banda Film
"Vielleicht ist zwischen Holzarbeit und Filmarbeit gar kein so großer Unterschied: Man muss manchmal etwas herausschneiden, damit anderes Platz zum Wachsen hat", zieht Sigmund Steiner für sich eine Parallele. Nicht sich und seine Familie rückt er ins Bild, er setzt sein Porträt mit anderen Bauern und Söhnen zusammen.
Den Diagonale-Preis Innovatives Kino erhielt Antoinette Zwirchmayr für "Josef – Täterprofil meines Vaters". Sie möchte sich "an erster Stelle bei meinem Vater für den Banküberfall" bedanken. Dann nützt sie ihren Auftritt, um auf die Insolvenz der Synchro Film, Video & Audio GmbH aufmerksam zu machen: Analoges Filmschaffen ist in Österreich gefährdet.
Weitere Ausgezeichnete
Im Gegensatz zur Diagonale Awards Party unmittelbar danach ist die Preisverleihung der Diagonale geschrumpft. Dabei dachte man, das wäre gar nicht noch weiter möglich. Die Konfettikanonen konnten nur kurz ablenken.
Selma Doborac wird für das Sounddesign ihres Films "Those Shocking Shaking Days" ausgezeichnet, ein Juror nennt den Film zurecht den "intellektuellsten Dokumentarfilm der diesjährigen Diagonale" und der Verband Österreichischer SounddesignerInnen schenkt noch einen Klangfrosch dazu. Moderatorin Nina Sonnenberg amüsiert sich gleich zwei Mal über das zusätzliche Geschenk. Selma Doborac kontert, man müsse nicht immer dasselbe wiederholen. Man möchte ergänzen: Man könnte sich vor einer Moderation auch klar machen, welche Relevanz die Veranstaltung für die Anwesenden hat.
Diagonale/Pelekanos
Für seine Kameraarbeit für "Winwin" bekommt Gerald Kerkletz den Preis für die beste Bildgestaltung in der Kategorie Spielfilm, 2012 hat er den Preis für "Stillleben" bekommen. In "Stillleben" hatte Anja F. Plaschg eine kleine Rolle übernommen. Laura Weiss wurde für ihre Arbeit am Szenenbild zu "Winwin" mit einer Diagonale-Nuss ausgezeichnet. Gerald Kerkletz dankt u.a. seinen Eltern, da sie ihm ein Backup bieten, wenn zwei Filme mal nicht so schnell werden wie geplant. "Winwin" hat Daniel Hoesl bzw. A European Film Conspiracy mit derart geringem Budget realisiert, wie man es beim Anschauen des Films über Gier und Geld nicht glauben kann.
"Winwin" ist nicht der einzige Spielfilm, der auf der diesjährigen Diagonale Premiere hatte und mit oder besser trotz geringem Budget Erstaunliches zeigt. Für manche FilmemacherInnen wäre das den Preis für Innovative Produktionsleistung wert. Aber dieser Preis geht ex aequo an Lotus-Film für "Thank You for Bombing" von Barbara Eder und an die Golden Girls Filmproduction für "Einer von uns" von Stephan Richter.
Bei Constantin Wulff und "Severin und Veronika und Lisa und sehr vielen Freunden, die mir geholfen haben," bedankt sich Kurdwin Ayub, die für die beste Bildgestaltung für ihre Doku "Paradies! Paradies!" eine Preis-Nuss erhält. Anna Paul hat diese kleinen, vergoldeten Nüsse entworfen.
Weitere Projektionen und Kinostarts wünscht man weiteren Filmen, die bei der Diagonale zu sehen waren. Damit der österreichische Film nicht nur in Graz gefeiert werden kann und zu seinem Publikum kommt!