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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

15. 3. 2016 - 16:57

Refused are not fucking dead, lang lebe Refused!

Kein Bock auf seichte Unterhaltung: Refused haben eine neue Platte und zerlegen am 18. März die Wiener Arena.

REFUSED
18. März, Arena Wien

Tickets gibt es hier.

Location: Big Hall
Doors open: 19:00

Man sieht sich im Leben immer zweimal. Das hat schon Oma gepredigt und deswegen sollte man immer nett zu seinen Mitmenschen sein. You never know. Konsequent einen Schlussstrich unter Projekte und Menschen zu setzen ist jedenfalls auch nicht die Sache von Dennis Lyxzén, der letztes Jahr seine Band Refused wieder aus der Asche erhoben hat.

die Bandmitglieder von Refused in zartem hellblau

Dustin Rabin

Wir erinnern uns: Schreiende Kehlen, purer Punk, Mikrophonakrobatik de Lyxzén und viel Bierschweiß in feuchten Kellerclubs. Die aktuelle Platte "Freedom" ist nach langer Wartezeit 2015 bei Epitaph erschienen, danach folgte eine Tour, die Refused letzten Herbst schon nach Österreich gebracht hat und zwar mit einer wichtigen Message: Solange die Welt wieder einmal so kaputt ist wie gerade eben, solange braucht es wieder politische Bands, die ihren Grant auf die Welt lautstark manifestieren.

Sleater-Kinney, L7, At The Drive-In, Refused: Die Reunion-Welle ist noch lange nicht abgeflaut. Das freut die (oft zu spät geborenen) Kinder der 1990er, da werden zerfledderte Flohmarktleiberl aus dem Kasten gekramt und die alten Doc Martens mit Dreck poliert. Party like it’s 1998, pack die Oma an der linken Hand und in die andere drück ihr ein Bier. Zum Warmwerden auf das Konzert am kommenden Freitag (18.03) in der Wiener Arena hier einige audiovisuelle Appetizer:

Refused?

Refused wurden 1992 in der nordschwedischen Universitätsstadt Umeå gegründet, ihr drittes Album "The Shape of Punk to Come: A Chimerical Bombination In 12 Bursts" von 1998 hat den Hardcore Punk definiert wie keine andere Scheibe: Noch heute zeitlos in Sound & Vision, hat diese Platte wohl sämtliche Menschen diverse Partykeller in ihre Einzelteile zerlegen lassen. Hausnachbarn verwandelten sich wegen der unermüdlich auf "Repeat" gedrückten Nummer wahlweise in Ehepartner oder Erzfeinde, manchmal auch beides in Personalunion. Sämtliche Plafonds in Wohnungen sind heute noch mit Schlaglöchern von Besenstielen verziert.

Verwüstung pur: "New Noise" war wohl DER Hit der Band, wenn man in Anbetracht des Inpacts der Nummer, die Refused in den Hardcore-Himmel befördert hat, überhaupt in solch entwürdigenden Kategorien sprechen darf.

Refused Are Fucking Dead?

Nur wenige Monate nach dem Erscheinen von "The Shape of Punk to Come" hatten Refused 1998 aber gleich wieder die Schnauze voll vom Erfolg. Das kommerzielle Upgrade widersprach natürlich der antikapitalistischen Grundeinstellung der Band.

Capitalism Stole My Virginity sollte Dennis Lyxzén wenig später mit seiner neuen Band, The (International) Noise Conspiracy singen und damit auch einen kritischen Blick zurück auf seine Zeit mit Refused werfen. Nebenbei hat der Mann, der nie schläft, aber auch noch andere Projekte ins Leben gerufen: Sein Soloprojekt The Lost Patrol (Band), das nach diversen Namenswechseln heute zu einer Band namens INVSN gewachsen ist. Und dann wäre da noch die Hardcoreband AC4. Nicht totzukriegen der Mann.

2012 gab es dann aber schon wieder ein paar Refused-Shows, Gerüchte um neues Material mündeten 2015 in die vierte Refused-Platte "Freedom". Die erste Single "Elektra" und das dazugehörige Musikvideo waren soundtechnisch, als auch graphisch, ein feiner Streich. Brenn die Bank ab.

Refused Are Not Fucking Dead!

In den 1990ern gab es ja noch MTV und Hits wurden tatsächlich dort groß gemacht und nicht im seelenlosen Spotify-Limbo. Refused liefen dort rauf und runter. Es gab Musiksendungen, die sich härteren Gangarten widmeten und in diesen Formaten liefen wunderbarste Interviews jenseits einer heutzutage so allgegenwärtigen "1.30 Minuten-Schmerzgrenze", die irgendwelche Branchen- und kunstverachtenden Konzernbosse propagieren. ModeratorInnen konnten Bandnamen noch richtig aussprechen und waren keine austauschbaren Abziehbildchen von irgendwelchen F-Promis, die irgendwann einmal den neunten Platz in einer Castingshow in irgendeiner Tequillabar auf Ibiza gewonnen haben.

Es waren paradiesische Zeiten, in denen man in Clubs noch selbst mitgebrachtes Dosenbier trinken durfte und Dixiklos auf Festivals noch nicht nach einer implodierten Gummibärchenfabrik gerochen haben. Alten Zeiten hinterherweinen ist natürlich auch wieder öde, aber so jung kommen wir tatsächlich nicht mehr zusammen.

DVD-Tipp: "Refused Are Fucking Dead" (2006)

Politics and no beer

Straight Edge, Veganismus, antikapitalistische, linksradikale Positionen: Refused waren immer mehr als "nur" eine Band und vor allem eine politische Formation, die gesellschaftliche Thematiken auf's Tablett gelegt hat, um die Botschaften lautstark allen entgegenzuschmettern, die sie nicht hören wollten. Dass die Band vom Pop absorbiert worden und als neue Hoffnung am Rockhimmel angepriesen worden war, ja freilich, das war der Lauf der Dinge. Subversive Energien werden ja gerne von denjenigen absaugt, die groß und mächtig sind, damit sie sich selbst und ihre blutleeren Machtkonstruktionen mit Leben und Attitüde befüllen können. Antisoziale Netzwerke, Reality Bites 2.0: Auch heute ist das nicht anders.

Es war nur konsequent, dass sich Refused am Höhepunkt ihrer Karriere mit ihrer Auflösung selbst in den Gulli gestoßen haben. Auch wenn die Band selbst sagt, dass dies gar nicht der Hauptgrund gewesen sei, sondern dass sie einander einfach nicht mehr ausgehalten hätten. Und umso konsequenter ist es nun, dass sie sich in einer Zeit, in der die Popwelt vielerortens zu einer traurigen Zombieblase heranmutiert ist, neu formiert haben, um bei anderen Gestalten ein bisschen die Luft abzulassen. Wie Oma auch schon immer sagte: Alte Hunde beißen besser. Es gibt noch so vieles, wo man sich reinbeißen kann: Wie hier im Song "Useless Europeans", der sich um die aktuelle Krise in Europa dreht.

Refused spielen am 18.03. in der Wiener Arena.