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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

13. 3. 2016 - 17:00

Der Waffenhandel boomt im Nahen Osten

Die Türkei wird 5,9 Milliarden Dollar für neue Waffen ausgeben, der Iran 8 Milliarden, Saudi-Arabien deckte sich in den letzten drei Monaten um Hunderte Millionen mit Waffen ein.

Am Donnerstag gingen die zwölftägigen "Northern Thunder"-Manöver in Saudi-Arabien zu Ende. Die genaue Truppenstärke wurde nicht genannt, nach Medienberichten aus der Golfregion sollen mehr als 150.000 Soldaten an Manövern unweit der Grenze zum Irak beteiligt gewesen sein. Nur Tage nach den Verhandlungen mit der EU um sechs Milliarden Euro Flüchtlingshilfe gab die Türkei am Mittwoch neue Waffeneinkäufe um insgesamt 5,9 Milliarden Dollar bekannt.

Laut Ministerpräsident Ahmet Davutoglu fließen 4,5 Mrd. davon in die eigene Produktion von Infanteriewaffen, Helikoptern und Munition. Unklar ist, ob der 700 Millionen Dollar schwere Einkauf von Komponenten für lasergesteuerte Bunkerknacker-Bomben von Ende Februar in den USA bereits inbegriffen ist. Saudi-Arabien kaufte allein den letzten drei Monaten um Hunderte Millionen bei US-Waffenproduzenten ein. Mitte Februar hatte der Iran Waffeneinkäufe in Russland um acht Milliarden angekündigt.

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Al Arabiya

König Salman von Saudi-Arabien und der ägyptische Machthaber Abdel Fattah al-Sisi am Donnerstag beim Beobachten der abschließenden Flugshow.

20 Staatschefs aus arabischen Staaten

Aktuell dazu in ORF.at
Zur Lage in Syrien seit dem gemeinsamen Vorgehen der russischen Luftwaffe mit der syrischen Armee

Die "Northern Thunder"-Manöver hatten Ende Februar in Hafar Al Batin nahe der Nordgrenze Saudi-Arabiens begonnen, an ihrem Abschluss nahmen neben dem saudischen König auch der ägyptische Staatsschef Abdel Fattah al Sisi, sowie die Staatsschefs von Kuwait, Katar, Oman, Malaysia, aber auch dem Tschad, Senegal, Mauretanien und sogar dem Sudan teil. Alle genannten Staaten gehören der im Dezember von Saudi-Arabien ausgerufenen "Allianz gegen den Terror" an.

Ziel dieses größten Manövers in der Golfregion überhaupt war es offiziell, herkömmliche Armee-Operationen mit Guerillataktiken zu verbinden. Der saudi-arabische Nachrichtenkanal "Al Arabiya" zeigte am Donnerstag stundenlange Live-Sequenzen von einem massiven Kampfeinsatz mit Dutzenden von Panzern, schwerer Artillerie, Kampfjets, Hubschraubern und Landeoperationen von Fallschirmjägern. Trainiert wurde ein Szenario, wie es im Syrienkrieg besteht, der auch nach der Waffenruhe an mehreren Fronten weitergeht.

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Al Arabiya

Inzwischen in Syrien

Dazu in Englisch auf FM4

Chronologie der aktuellen Entwicklungen in Syrien in der englischsprachigen Berichterstattung von FM4

Im Süden griffen Truppen des syrischen Regimes mit russischer Luftunterstützung am Wochenende erneut die vom IS gehaltene Wüstenstadt Palmyra an, im Norden gab es heftige Gefechte vor allem rund um Aleppo. Im von sogenannten "moderaten" Rebellen (Free Syrian Army FSA) gehaltenen Terrain in der Provinz Idlib fanden heftige Bombardements durch russische Kampfjets statt, rund um die Freitagsgebete sammelten sich überall im Land Sunniten zu Massenprotesten gegen das Assad-Regime. Die von den USA, vor allem aber von Saudi-Arabien unterstützten FSA-Rebellen haben enorm an Terrain verloren, seit Russland in den Krieg eingegriffen hat.

Jenseits der Grenze, auf der türkische Luftwaffenbasis Incirlik bei Adana, sind seit Ende Februar bereits vier saudische F-15-Kampfjets stationiert, wie sie auch in "Northern Thunder" zu sehen waren, weitere Jets sollen folgen. Die Türkei hatte der Stationierung von saudischen F-15 auf der Basis Incirlik zugestimmt, von der aus bereits britische, amerikanische und deutsche Kampfjets und solche aus Katar Einsätze gegen den IS fliegen. Welche Rolle Saudi-Arabien dabei zukommen soll, ist offenbar noch nicht geklärt, vor allem die US-Seite hat große Bedenken, dass der Konflikt durch ein Eingreifen Saudi-Arabiens in Syrien noch weiter eskaliert.

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Al Arabiya

Bunkerknackerbomben für die Türkei

Davon geht die Türkei offenbar bereits aus, denn der massive Kauf von so viel schwerem Bombenmaterial richtet sich nicht gegen Guerillakämpfer wie jene der kurdischen PKK, sondern gegen eine reguläre Armee. Die Bunkerknackerbomben BLU-109 haben ein 2,54 cm dickes Gehäuse aus hochlegiertem Stahl und sind mit 243 kg hochexplosiven Tritonal gefüllt, sie können eineinhalb Meter dicke Stahlbetonwände durchschlagen.

Der Bunkerknacker hat ein Gesamtgewicht von einer Tonne und wird seit 1985 kontinuierlich weiterentwickelt.

Mit solchen Monsterbomben, die eine Tonne wiegen, wurden bereits im ersten Golfkrieg 1991 die massiven Bunkeranlagen des irakischen Diktators Saddam Hussein geknackt. Wie aus der Aussschreibung der US Army hervorgeht - sie wickelt die Ausschreibungen für Waffenexporte ab - werden diese Bombenkörper erst in der Türkei mit Sensoren, Zielsystemen und anderen Komponenten ausgestattet, denn die Türkei betreibt ein eigenes, ambitioniertes Rüstungsprogramm.

Drohne TAI Anka UAV

MilborneOne

Türkische Drohne, Motor Mercedes-Benz

Die in der Türkei entwickelte Anka-Drohne mit einem deutschen Turbodiesel auf Basis eines Motors von Mercedes-Benz. Bereits 2006 wurde mit dem Bau des Marschflugkörpers SOM begonnen.

Wie die türkische Tageszeitung "Hürriyet" berichtete, hatte die verbesserte Version der ersten, in der Türkei entwickelte Drohne Ende Jänner 2015 ihren Jungfernflug absolviert. Die "Anka" genannte Aufklärungsdrohne ist für mittlere Flughöhen um 6.000 Meter geeignet, hat 200 Kilometer Reichweite, der Motor ist ein für die Luftfahrt adaptierter Kraftfahrzeugmotor vom Mercedes-Benz, der unter anderem in der A-Klasse verbaut wurde. Bei 1,6 Tonnen Gesamtgewicht und einer Flügelspanne von 17 Metern soll der autonome Flieger bis zu 24 Stunden in der Luft bleiben können.

Auf der größten Waffenmesse Asiens, der "Singapore Air Show" vom 16. bis 21. Februar 2016 waren türkische Waffenhersteller stark vertreten, berichtete das US-Fachmagazin Defense News, denn die Türkei wolle mehr dieser Waffen nach Südostasien exportieren. Das wohl beeindruckendste Objekt ist ein vom staatlichen Unternehmen Roketsan seit 2006 entwickelte SOM-Marschflugkörper. Gemeinsam mit Lockheed-Martin wird die neueste Variante dieser Cruise Missile auch für den "Joint Strike Fighter" F-35 angepasst, ist also generell NATO-tauglich, deneben gibt es nur einen zweiten, aus Norwegen stammenden Marschflugkörper.

roketsan

Roketsan

Neues Luftabwehrsystem, 250 Panzer ==

Die Berichte der Fachzeitschrift "Defense News" von der Singapore Air Show und über die Pläne der Türkei über den Bau eines eigenen Kampfflugzeugs

Zudem plant die Türkei auch ein eigenes Luftabwehrsystem der nächsten Generation, ein Kampfflugzeug will die Türkei ebenfalls entwickeln, der Vertrag für ein Erstdesign soll noch in der ersten Jahreshälfte 2016 unterzeichnet werden. Beste Aussichten darauf hat die britische BAE Systems, die Saab und Airbus im Vorfeld ausgestochen hatte, die Turbinen dafür liefert voraussichtlich Rolls-Royce.

Zudem ist die Regierung von Ahmet Davutoglu offenbar bereits in Verhandlungen mit den vier türkischen Herstellern des in Lizenz gefertigten "Altay"-Panzers, der von der südkoreanischen Hyunday Rotem entwickelt wurde, die Kanone stammt von der deutschen Rheinmetall. Noch in diesem Jahr soll die Serienproduktion des Altay in der Türkei anlaufen, ein Angebot über 250 Panzer liegt der Regierung bereits vor. Auch das könnte in dem vom türkischen Regierungschef vorgelegten Paket zum Waffenkauf bereits enthalten sein.

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Einkäufe des Iran in Russland

Die Einkäufe des Iran in Russland betreffen vor allem die Luftwaffe. Ganz oben auf der Wunschliste steht das Raketenabwehrsystem S-400 Triumph, gleich dahinter rangiert der neue Kampfjet Sukhoi Su-30SM. Den will die iranische Führung nicht nur kaufen, sondern so weit wie möglich selber in Lizenz produzieren, auch Anti-Schiffsraketen stehen auf dem Einkaufszettel. Auch in Teheran bereitet man sich also auf eine regionale, militärische Auseinandersetzung mit konventioneller Kriegsführung vor.

Erst vor wenigen Wochen hatte die britische Armee zusammen mit der jordanischen solche Manöver unter dem Codenamen "Shamal Storm" ("Sandsturm") nicht weit von der syrischen Südgrenze zu Jordanien abgehalten. Es waren die größten Mänöver der britischen Armee seit den Manövern im Oman im Jahr 2001, als britische Soldaten einen Angriff auf den Irak trainierten, der zwei Jahre später dann auch tatsächlich begann.