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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

12. 3. 2016 - 12:30

Frauenwoche in Berlin

Der Glückwunsch "Alles Gute zum Frauentag" lässt die Feministin von heute doch irgendwie ratlos zurück.

Plakat 8. März Demonstration

Christiane Rösinger

In Berlin stand die ganze letzte Woche im Zeichen des Frauentags. Die große Mainstream- Frauentag - Demo startete schon am letzten Sonntag in der Stadtmitte am Rosa-Luxemburg-Platz, aber am Internationalen Frauentag selbst, dem 8.März, luden Kreuzberger Projekte unter dem Slogan 8. März Demo - Frauen*kampftag am Kotti ‚Frauen* Solidarität hier und überall‘, ein.

Der Frauentag war ja in den letzten Jahren eine recht biedere Veranstaltung gewesen, die Gewerkschaftsfrauen demonstrierten, die Linke ehrte Clara Zetkin, alles wie gehabt. Dieses Jahr wurde der 8. März aber politischer begangen. Seit der Silvesternacht in Köln hat es in Deutschland eine ekelhafte rechtspopulistische Vereinnahmung feministischer Rhetorik gegeben, einen rassistischen Backlash unter dem Vorwand, die „deutsche Frau“ müsse beschützt werden. So wurden Frauen nicht nur von den Rechten, sondern auch von den öffentlichen Medien und der Politik benutzt und instrumentalisiert.

Während "normaler", alltäglicher Sexismus in Deutschland kaum jemanden interessiert, wird er zum Topthema, wenn es sich um Migranten handelt und die Übergriffe von Männern zum Vorwand werden "sichere" Herkunftsstaaten zu definieren. Auch durch die rechtspopulistischen Einlassungen einer Alice Schwarzer wurde es dieses Jahr besonders nötig klarzustellen: Feminismus ist immer auch Anti-Rassismus.

Abseits der politischen Bewegung nervte der Frauentag aber doch. Wer will schon in Einkaufszentren von grinsenden Typen rote Rosen überreicht kriegen? Und auch der Glückwunsch "Alles Gute zum Frauentag" lässt die Feministin von heute doch irgendwie ratlos zurück.

Einer Berlinerin sollte öffentlichkeitswirksam ein Riesenstrauß roter Rosen überreicht werden, sie war aber nicht zu Hause, weil sie gleich nach dem EU-Türkei-Gipfel ein Date mit UN Generalsekretär Ban Ki Moon hatte. Tatsächlich fanden sich am Dienstag vor dem Kanzleramt in Berlin eine Gruppe Kulturschaffender ein, um der Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik zu danken.

100 Prominente hatten sich, angeregt von Regisseur Volker Schlöndorff und der Filmproduzentin Regina Ziegler, für die Aktion zum Weltfrauentag zusammengetan, darunter auch der Publizist Michel Friedman sowie die Schauspielerin Andrea Sawatzki. "Wir wollen Frau Merkel in ihrer Haltung bestärken", erklärten die Gratulanten in einer öffentlichen Stellungnahme. Zu Merkels "Wir schaffen das" gebe es keine Alternative. Die Welt, heißt es in dem Schreiben, steht am Anfang gewaltiger Veränderungen. Krieg, Not und Klimawandel würden in den nächsten Jahrzehnten Millionen zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Mauern und Gesetze würden sie nicht aufhalten. "Deshalb erscheint es uns richtig, diese Wahrheit heute schon auszusprechen, die Herausforderung anzunehmen und Europa auf diese Völkerwanderung so vorzubereiten, dass wir sie langfristig, mit Herz und Verstand, bewältigen können, ohne unsere eigenen Werte aufzugeben."

Zu den zahlreichen prominenten Unterzeichnern gehören auch Daniel Barenboim, Iris Berben, Senta Berger, Veronica Ferres, Maria Furtwängler, Elke Heidenreich, Dieter Kosslick, Jan Josef Liefers, Marius Müller-Westernhagen, Thomas Ostermeier, Hans Neuenfels, Til Schweiger und Wim Wenders. Da am Dienstag im Kanzleramt aber keiner zu Hause war, übergab man die Blumen an der Pforte.

Auch nach dem offiziellen Frauentag ging es in Berlin weiter mit feministischen Themen, denn vom 8.- 14. März läuft hier bereits die dritte Berlin Feminist Film Week.

Sleeveless Fearless

Berlin Femnist Film

In fünf verschiedenen Berliner Kinos werden in dieser Zeit 24 Kurz- und Spielfilme gezeigt, dazu gibt es natürlich diverse Talks, eine Ausstellung und eine Party. Ein Schwerpunkt des Festivals ist die Body-Positive-Bewegung, am Mittwoch zeigte das Kino Moviemento Kurzfilme zum Thema, danach wurde zu Body Positive Movement, Fat Activism und Körperidealen getalkt.

Für die Festivalmacherinnen sind bei der Filmauswahl drei Merkmale ausschlaggebend: Filmemacherinnen soll eine Plattform geboten werden. Die Filme sollten außerdem Frauen in Hauptrollen zeigen oder einen feministischen Aspekt aufgreifen, zum Beispiel, indem sie feministische Bewegungen thematisieren oder verschiedene Geschlechtsidentitäten zeigen. Außerdem werden Filme ausgesucht, in denen nicht nur weiße Schauspielerinnen zu sehen sind.

Besonders sehenswert im aktuellen Programm ist deshalb "Under Construction", ein Film der Regisseurin Rubaiyat Hossain aus Bangladesh. Die Regisseurin versucht Bollywood-Klischees in ihrem Film zu hinterfragen und zeigt nicht die üblichen pittoresken Armutsgeschichten, die man von Filmen aus Südasien kennt. In "Under Construction" geht es um eine muslimische Frau aus der Mittelschicht, die Schauspielerin werden möchte. Der Film feierte auf dem Festival in Anwesenheit der Regisseurin seine Deutschland-Premiere.

Auch nächste Woche geht es in Berlin weiter mit feministischen Themen: Nadja Tolokonnikowa, bekannt als Teil der Pussy Riots, stellt im Berlin ihr Buch vor. Titel: "Anleitung für eine Revolution".