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Lisa Schneider

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6. 2. 2016 - 14:09

Trilogy done

Trevor Powers löst Youth Lagoon auf. Oder: Von der etwas anderen Dreifaltigkeit.

Die Überraschung ist immer noch groß: Youth Lagoon is no longer. Das hat Trevor Powers, der seit 2010 unter diesem Namen – und gern auch mit vergoldeten Lippen – die Bühne betritt, vor einigen Tagen via Twitter verlautbart. Er hat durch Youth Lagoon musikalisch alles gesagt, was ihm möglich war. Die Musik hört für ihn deshalb nicht auf. Vielmehr ein Anfang also, als ein Ende.

Youth Lagoon

Matt de Jong

Zum Schluss die Krone

Drei Studioalben hat der in Boise, San Francisco geborene Solomusiker im Laufe der letzten fünf Jahre veröffentlicht, hat minimalistisch begonnen und schließlich seine Melodien zum Schluss hin immer mehr angetrieben, aufgebauscht, hat sie verkopfen, ausufern lassen. Schritte hinaus, Fühler ausgestreckt.

Youth Lagoon komponiert rauschenden, verspielten Psychpop, spielt ihn kalt und heiß, nie lauwarm. Einfache, schlichte Stücke gibt es nicht. Meist beginnen sie mit einem Klimpern, einer Bassline, einer freistehend, allein gesungenen Zeile und ufern aus in Bläserarrangements, in ein Prasseln aus Percussions, in Synthesizer-Walls, in Orchestergeschrammel. Orchester deshalb, weil es doch nie ausgefranst, sondern immer kongenial arrangiert wirkt, auch wenn gefühlt drei Drumsets parallel laufen und sich darüber und rundherum gut ein halbes Dutzend analoge wie digitale Elemente um die Aufmerksamkeit der ersten Reihe streiten.

Nie kommt er ganz ohne elektronische Devices, ohne feines Klavierspiel aus. Auf keinen Fall aber ohne die durch Mark und Bein gehende, ja manchmal fast schon unangenehm quengelnde Stimme. Verwaschener Ambientsound, durchwachsen, verwuchert, vielschichtig. Das dritte Album ist die gipfelnde Symbiose aller Experimente, aller Einflüsse, aller Wagnisse, auf die Youth Lagoon sich musikalisch je eingelassen hat. Wäre es ein Kleeblatt, es hätte trotzdem vier. Vier Blätter.

Trevor Jones ist jetzt 26 Jahre alt. Er wird nie verraten, wie lange der Abschluss des Projekts Youth Lagoon geplant war, oder ob er überhaupt geplant war. Und es ist immer einfach, im Nachhinein Sinn in Aussagen hineinzuinterpretieren, wenn das Endergebnis bereits feststeht. Dass sich hier aber, nach einiger Recherche und Gewühl in älterem Interviewmaterial schon der ein- oder andere Hinweis hat auffinden lassen, wirft wenigstens eine Falte auf die Stirn.

We are not forever young

Ab und zu läuft Trevor auch so lange durch New Yorks Straßen, bis er genug Zuseher für eine kleine Streetsession gefunden hat.

For a long time I was wrestling with the idea that it’s your youth, your teenage years, which define who you are or who you are going to be. Not in a very romantic kind of way, but just as life goes.

Die Alben von Youth Lagoon setzen sich mit der Phase des Aufwachsens, des Erwachsenwerdens auseinander. Nicht umsonst wird die Jugend schon im Namen geführt. Wie ein geschnürtes Paket sind die drei LPs jetzt fertig, als abgeschlossene Einheit. Trevor Jones betont, dass er über genau jene Zeit geschrieben, zuvor intensiv reflektiert hat. Interessanterweise hat er dieses Interview, in dem er den Plan bespricht, quasi seine Jugend zu vertonen, ein Jahr nach dem Erscheinen seines Debütalbums (2011) gegeben. Ob da schon die Rede von einer geplanten Albumtriologie war, um somit diese Phase als abgeschlossen zurückzulassen, bleibt eine vage Annahme. Geheimnis ja, Lüftung aber vielleicht gar nicht wünschenswert.

Twitter Statement Youth Lagoon

Youth Lagoon


Album cover The Year Of Hibernation

Youth Lagoon

Im ersten Moment, in dem man die Neuigkeit wahrnimmt, bricht schon das Herz. Es bricht mit Singles wie "Mute", es bricht mit "July". Es bricht vor allem mit "Highway Patrol Stun Gun" und mit "Rotten Human". Diese Stücke als Elektropop-Balladen zu bezeichnen, ist fast zu einfach. Es liegt eine nachdenkliche Ruhe auf ihnen, die nicht nur das Cello zu verantworten hat. Sie wirken fast, ja, weise. Forgive me, for I have lost my way.

Albumcover Wondrous Bughouse

Youth Lagoon

You're looking good, Darling.

Das finale und dritte Album von Youth Lagoon, "Savage Hills Ballroom", schöpft seine Ideen auch nicht von irgendwoher. Den Kopf zerbricht sich Trevor Jones nicht nur über den inner struggle, den jeder mit Teufel, Engel, Schweinehund auszufechten hat, sondern auch mit Erscheinungsbild, Auftreten, der Psychologie hinter der Fassade.

Albumcover Savage Hills Ballroom

Youth Lagoon

  • Album Nr. 1: The Year of Hibernation, 2011
  • Nr. 2: Wondrous Bughouse, 2013
  • Nr. 3: Savage Hills Ballroom, 2015 (alle bei Fat Possum erschienen)

When going into this album, I really got into the idea of human beings being obsessed by looking perfect.

Wer kennt das nicht. Spaziert man an einem Schaufenster vorbei, ist kaum öfter die Modepuppe interessanter als die Selbstreflektierung. Auf dem Familienfoto wird zuallererst das eigene Gesicht gesucht. Der titelgebende Ball des "Savage Hills Ballroom" steht für die absolute Idealisierung dieses selbstobsessiven Zustandes, dem jeder nachhechtet und niemand entspricht. Ein Raum, in dem sich die versammeln, die äußerlich ohne Fehler und Scham sind – über die Trevor Powers sich mit seiner Musik versucht, lustig zu machen, selbstreflektiv aber hinzufügt: No one’s beyond that. I wish I was. But no one is.

So this is goodbye.

Mit der ewigen Gier nach mehr kommt man hier also nicht weiter. Schmerzvoll, ja. Es wird nie wieder Neuigkeiten geben, auch keine Tour. Aber: Tränen trocknen. Und die drei fabelhaften Alben, deren Krönung bildhafterweise auch wirklich das dritte und letzte war, stehen nach wie vor im Plattenregal. Sie steigern sich so in sich selbst um den dreifachen Wert, weil sie keinem Wiederholungszwang ausgesetzt werden.

Youth Lagoon sind auf ihrer Abschiedstour auch noch im Rahmen einer FM4 Indiekiste am 21. Februar im Chelsea Wien zu sehen.

I don’t think I’ve found anything yet. I’m still searching. That’s why music is my main means of communication, it’s because it’s beyond words. It’s also difficult in interviews to clearly talk about music, because it’s just not kept with words, it’s in another universe. So – no, I haven’t found anything yet. I’m still on the hunt.

Und jetzt Welt aus, Youth Lagoon an.
All I want is for you to come back home.