Erstellt am: 10. 3. 2016 - 15:29 Uhr
Drogen im Darknet
Vor fünf Jahren ging die Schwarzmarkt-Website "Silk Road" online. In den zweieinhalb Jahren ihrer Existenz hatte sie 150.000 Kunden und einen Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Im Oktober 2013 nahm das FBI den Server vom Netz. Kurz darauf enstanden mehrere neue Plattformen wie etwa Nucleus und AlphaBay. Die neuen Marktplätze sehen professioneller aus. Manche von ihnen bieten Diskussionsforen und Blogs. Alle verfügen - wie auch schon zuvor Silk Road - über Bewertungssysteme: Kunden geben Sterne und Feedback zu Lieferzeit und Qualität der Ware. Wie auch auf Amazon oder eBay sind es Tausende verschiedene Händler, die auf diesen Websites verkaufen: Weil es für neu dazukommende Drogenverkäufer schwierig ist aufzufallen, bieten viele von ihnen Probepackungen, Gratis-Versand und Rabatte an.
Bezahlt wird mit kryptografischen Peer-to-Peer-Währungen wie Bitcoin. Die Verkaufsplattformen selbst sind ebenfalls verschlüsselt und nur im sogenannten Darknet erreichbar - jenem Teil des Internets, der nur über Anonymisierungs- und Kryptographie-Dienste wie TOR, I2P und Freenet sichtbar ist. Die Websites im sogenannten Darknet sind nicht mit Suchmaschinen wie Google und Yahoo zu finden, sondern man muss den jeweiligen URL kennen.
Foto: Cannabis Training University
Suchmaschine für Drogen
Zunehmend beliebt ist im Darknet selbst die Website "Grams" - eine Suchmaschine für Drogen. Sie vergleicht marktübergreifend Preise. Das Design ist angelehnt an das Vorbild Google. Auch die Technologie im Darknet entwickelt sich ständig weiter: Waren die Daten von Silk Road noch auf einem zentralen Server gespeichert, kommen bei vielen neuen Plattformen Peer-to-Peer-Verfahren zum Einsatz. Auch bei "Open Bazaar" - einer neuen, eBay-ähnlichen Auktionsplattform für Waren aller Art - sind die Daten weltweit verteilt. "Silk Road" verhält sich zu "Open Bazaar" also wie Napster zu BitTorrent.
Neue Qualität des Drogenmarkts
Für Heino Stöver, Psychologe und Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung in Frankfurt am Main, ist der Erfolg der Drogenmärkte im Darknet eine logische Konsequenz der Prohibition: Beim Drogenhandel auf der Straße sei Transparenz nicht möglich, weil die Ware vom Erzeuger bis zum Konsument durch viele Hände geht und mehrmals gestreckt wird. Online, so Stöver, verkaufen viele Produzenten selbst oder über eine kurzen Umweg. Die Folge - das zeigen die Studien des Sozialwissenschaftlers - seien höhere Qualität, niedrigere Preise und ein geringeres Risiko für gewalttätige Vorfälle.
Foto: Francisco Peralta Torrejón
Weltweit beträgt der Umsatz mit illegalen Drogen geschätzt 300 Milliarden Euro pro Jahr. Der bei seiner Verhaftung erst 19-jährige deutsche Online-Dealer "Shiny Flakes" generierte pro Monat 200.000 Euro Umsatz. Heino Stöver beobachtet seit zwei Jahren, wie sich der Straßenhandel zugunsten des Kaufs und Verkaufs im Internet verschiebt. Der Trend nehme deutlich zu, sagt der Wissenschaftler, er spricht von massiven Veränderungen, denn: "Warum soll man auf der Straße schmutziges, gepanschtes, gestrecktes Zeug kaufen, wenn im Internet durch viele Käuferempfehlungen nahegelegt wird, doch bei diesem oder jenem Händler zu kaufen? Wo sich Gefahren, dubiose Gestalten, dunkles Licht und schlechte Ware vermeiden lassen, werden wir diese Veränderungen des Marktes vorfinden."
Bisher mussten die Konsumenten darauf vertrauen, dass ihr Dealer den Stoff nicht mit Backpulver oder Rattengift streckt. Jetzt aber würden die Kunden die Dealer unter Druck setzen, indem sie gepanschten Stoff öffentlich anprangern. Drogenkonsumenten, so Stöver, könnten sich nun eine gewisse Expertise erarbeiten und ihre eigene Kompetenz beim Konsum etwas besser einschätzen. "Das Heroin, das in Frankfurt auf der Straße von etwa 10.000 Konsumenten pro Tag gekauft wird, hat einen Reinheitsgehalt von drei bis fünf Prozent. Der Rest ist Streck- und Dreckmittel." Im Darknet hingegen hätten mehr Transparenz und Konkurrenz die Qualität der Drogen auf ein Niveau gehoben, das im Straßenhandel so gut wie nie erreicht werde.
Verfolgung schwierig
Die Behörden versuchen den Drogenplattformen im Darknet mit neuen Sondereinheiten und mit Testkäufen auf die Spur zu kommen. "Mit ganz geringem Erfolg, sagen die Polizisten hier in Frankfurt selbst", so Stöver. Im Gegensatz zum Straßenhandel böten sich beim Bestellvorgang im Darknet und beim Versandhandel kaum Möglichkeiten, Verkäufer und Käufer in flagranti zu erwischen. "Die Pakete werden ohne Absender an die Käufer geschickt. Wenn ein Paket nicht zugestellt werden kann und verdächtig erscheint, dann wird es nach einer gewissen Lagerungszeit geöffnet. Dann kann man eventuell Rückschlüsse auf den Händler ziehen - das gelingt aber nur in einem Bruchteil von Fällen.“
Drogenverbreitungsmuster und Drogenkonsummuster würden gesellschaftlichen Trends folgen, sagt Heino Stöver: "Wir leben heute in einer Gesellschaft, die eine Pluralisierung von Lebensstilen erfährt. Wir werden in allen Bereichen als mündige Bürger und Konsumenten angesprochen. Aber in einem Bereich sollen wir dem Staat glauben, der sagt, was das beste für uns ist, was wir im Garten anzubauen haben und was nicht."
Dieses Überbleibsel des gescheiterten Kriegs gegen Drogen wirke heute völlig anachronistisch, so Stöver. Auch aus diesem Grunde sei damit zu rechnen, dass Websites für Drogen im Darknet zunehmend populärer werden. "Die Menschen werden sich zunehmend selbst kundig machen und selbst entscheiden, was für sie gut ist, was weniger gut ist und was ihnen schadet."