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Pia Reiser

Filmflimmern

11. 3. 2016 - 14:22

Fad zum Quadrat

"The Choice" ist ein neuer Tiefpunkt in der an Tiefpunkten nicht armen Filmografie von Nicholas-Sparks-Romanverfilmungen. Fadgasige Zweisamkeitsbeschwörung mit Benjamin Walker und Teresa Palmer.

Das ganze Nicholas-Sparks-Oevre lässt sich in Sachen popkultureller Relevanz wahrscheinlich auf einen winzigen Moment herunterbrechen. Als Rachel McAdams und Ryan Gosling bei den MTV Awards in der Kategorie "Best Kiss" gewinnen und die Szene dann auf der Bühne nachspielen - Gosling im "Darfur"-T-Shirt. Der Saal kreischt, Herzen brechen. "The Notebook" kennt jeder, auch die, die es nicht gesehen haben. Mit Gosling, McAdams, Gena Rowlands und James Garner war die Verfilmung eines Sparks-Romans außergewöhnlich gut besetzt. Ich hatte immer das Gefühl, dass man aus einem Sparks-Roman nicht recht viel mehr herausholen kann, als bei "The Notebook" herausgekommen ist. Nach oben war da in Sachen Leinwand-Adaptionen des erfolgreichen Romanzenautors kein Platz mehr, nach unten hingegen: unendliche Weiten. Glaubt mir, ich hab's mit eigenen Augen gesehen.

Vielleicht ist das Mitwirken in einer Sparks-Verfilmung auch eine Art Ritual, durch das man als junger, attraktiver Schauspieler einfach durch muss. Nach McAdams und Gosling haben das auch Amanda Seyfried, Channing Tatum, Zac Efron hinter sich gebracht. In "The Choice" sind Benjamin Walker und Teresa Palmer an der Reihe als Abziehbild der romantischen Liebe, wie es sich Schundromane und Frauenzeitschriften ausdenken, zu dienen.

benjamin walker

constantin

Walker gibt den lässigen Tierarzt namens Travis, ein Flirtmeister, der gern Tanktops trägt und ein Haus direkt am Meer in einer Kleinstadt in North Carolina besitzt. Teresa Palmer ist in die gemütlichen, aber doch sexy Flanellhemden von Gabby geschlüpft und spielt - wörtlich und metaphorisch - das Mädchen von nebenan. Weil hässliche Dinge wie Studenten, die sich während ihres Studiums verschulden, in der Welt von Nicholas Sparks nicht existieren, wohnt die Medizinstudentin ebenfalls in einem Haus am Meer.

Während die Wellen plätschern, poltert der Dialog wie ein grobschlächtiges, betrunkenes Monster durch diese blasse Fadheit von einem Film. Gabby ist in einer Beziehung, doch da ihr Freund für ein paar Wochen nicht in der Stadt ist, steht einer Liebelei mit dem glattrasierten Veterinär nichts im Wege. Nach einer Zeitspanne, die gefühlt mit der Ming-Dynastie verglichen werden kann, kommt es endlich zu einem Kuss und Küchentisch-Sex. "The Choice" ist so weiß, dass Travis in der Vorbereitung dieses Moments, die sorgsam ins Bild gerückte Al-Green-Platte stehen lässt und The National auflegt. Die singen "Terrible love" und fassen den Film damit auch gleich zusammen.

constantin

Heterosexuelle Weiße mit Vorzeigezähnen und gesundem Haar, die sich in einander verlieben, das ist die Welt von Nicholas Sparks. In ihren Häusern stehen sehr viele Körbe herum, in denen sich Kuscheldecken tummeln. Frauen tragen gerne Kuscheljacken, stehen auf Verandas und halten sich an einer Tasse fest, um die Schönheit der Natur vor der eigenen Haustür überhaupt aushalten zu können.

Es ist müßig, sich darüber zu beschweren, wie generisch Sparks-Verfilmungen sind, aber "The Choice" ist tatsächlich der Tiefpunkt in einer an Tiefpunkten nicht gerade armen Filmografie. Die romantische Zweisamkeit wird üblicherweise von einem Konflikt bedroht, "The Choice" ist aber konfliktscheu. Als Gabys Freund doch irgendwann wieder in die Stadt zurückkehrt und sie ihm von Travis erzählt, passiert das offscreen. Wir sehen also Gabby und Travis in der Wiese sitzen, am nächtlichen Lagerfeuer, mit dem Motorrad in den Regen kommen, mit Travis Familie Kuchen essen. Es nimmt kein Ende. Langeweile kriecht mir in die Knie. Ich esse alle Hustenzuckerl, die ich in meiner Tasche finde. Ich schreibe eine Einkaufsliste und versuche die Namen meiner früheren Schulkollegen in alphabetische Reihenfolge zu bringen. Gabby und Travis essen immer noch Kuchen.

Teresa Palmer in "The Choice"

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"Like watching paint dry", so beschreibt Bret Easton Ellis die Filme von Eric Rohmer, "The Choice" ist dann wohl abgeleitet "watching dry paint". Ich finde Nagellack in meiner Tasche und lackiere mir die Nägel und schau ihnen im finsteren Kinosaal beim Trocknen zu. Immer noch spannender als "The Choice". Ich sehne mich nach den unglaublich dämlich plakativen Hindernissen, mit denen die Sparksianer sonst zu kämpfen haben. Kann nicht ein gemeingefährlicher ehemaliger Verlobter von Gabby auftauchen, eine intrigante Exgeliebte, eine Kiste voller Briefe, ein Gespenst? Irgendwas?

Nein. Stattdessen wachsen Sätze wie "There's nothing cuter than puppies in a basket" und "I believe in the moon" in diesem aseptischen Vakuum der Langeweile. Als dann doch was passiert, sind die meisten wohl bereits selig eingenickt, konsequenterweise fällt auch Gabby nach einem Autounfall ins Koma. In ein sexy coma - kein Kratzer im Gesicht und die Haare glänzen auch nach Wochen im künstlichen Tiefschlaf noch. Bei Nicholas Sparks hat auch _jeder_ einer Superkrankenversicherung, riesige Einzelzimmer mit Meerblick. Übrigens muss Gabby schon ins Koma fallen, um wieder ins Krankenhaus zu kommen, ihre zu Beginn so hoffnungsvoll angekündigte Karriere als Ärztin scheint irgendwie zwischen Bootfahren-mit-Travis und In-Travis'-Augen-Schauen verloren gegangen zu sein.

constantin

Und wenn Gabby schließlich doch aus dem Koma erwacht, packt "The Choice" auch noch eine religiöse Keule aus, aber da wird das Publikum ohnehin bereits entschlummert sein. And I can't fall asleep/Without a little help wird in oben erwähntem "Terrible Love" von The National gesungen, nun, The National, da weiß ich Abhilfe.