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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

9. 4. 2016 - 13:02

Wuot Ogik - der Ort, an dem die Reise endet

Ein korallenrotes Haus in der Wüste Nordkenias, Familienmitglieder, die an der Vergangenheit kiefeln und die jüngere Geschichte Kenias. Das sind die Zutaten des Romans "Der Ort, an dem die Reise endet".

Kenia kennt man bei uns als Tourismusland - mit schönen weißen Stränden, als Ziel für die Safari oder gar die Großwildjagd. Die bewegte Geschichte des Landes verwoben mit einer Familiengeschichte voller Geheimnisse erzählt der Roman "Der Ort, an dem die Reise endet" von der kenianischen Autorin Yvonne Adhiambo Owuor.

Titelbild "der Ort an dem die Reise endet§

Dumont Verlag

Das Buch beginnt gleich mit einer Art Actionszene:

Odidi rennt
Spürt den Boden nicht. Fliegt.
Zisch, schwirr, knatter.
Kugeln.
Ein Stöhnen, ein dumpfer Aufprall. Ein Mann fällt.

In dieser ersten turbulenten Szene von "Der Ort, an dem die Reise endet" wird Odidi von der Polizei als Bandenchef gejagt und getötet. In Erinnerungsfetzen wird angerissen, was uns den Rest des Romans beschäftigen wird. Denn Odidis Tod bringt Mitglieder einer Familie zusammen, die alle an verschiedenen Dingen aus der Vergangenheit kiefeln.

"Der Ort an dem die Reise endet" von Yvonne Adhiambo Owuor ist in deutscher Übersetzung von Simone Jakob im Dumont Verlag erschienen.

Ajany - Odidis kleine Schwester - von der Mutter nie angenommen und nach Brasilien geflüchtet. Nyipir, Vater und Soldat mit zweifelhafter Mitwirkung an der jüngeren Geschichte Kenias und ihren diversen Revolutionen. Akai, die Mutter, die sich nie in ihre Rolle fügen wollte und die mit ihrer Eigenwilligkeit verschiedenen Männern den Kopf verdreht hat. Und dann taucht auch noch ein Engländer namens Isaiah Bolton auf, der nach Odidi fragt. Denn dieser hätte Informationen über seinen Vater, einen Kolonialbeamten, und über das korallenrote Haus in der Wüste Nordkenias, in dem alle diese Geschichten zusammentreffen: das Anwesen namens "Wuot Ogik" - was übersetzt so viel heißt wie "Der Ort, an dem die Reise endet".

In Nebenrollen: kenianische Polizisten, Politiker, Diplomingenieure mit Regierungsaufträgen, die zum Großteil zu ihrem Vorteil arbeiten. Oder auch die Weißen, die als Kolonialmächte oder Entwicklungshelfer immer besser wissen, was für das Land gut ist. Denn eigentlich wird auch eine Geschichte Kenias und seiner politischen Umstürze erzählt. Zum Beispiel die Unruhen nach der Präsidentenwahl 2007:

Die Wahl von 2007 hatte so einfach sein sollen, der nächste kleine Sprung in eine strahlende kenianische Zukunft. Stattdessen löste sich alles auf in einen einzigen, endlosen Schrei der ungewollten Toten. Dieses Land, dieses heimgesuchte Ideal, all seine nichtigen gebrochenen Versprechen. […] Unten auf dem Boden wird an jenem Abend unter einem Halbmond bei einer hastigen Zeremonie ein dicklicher Mann einen Eid murmeln, der ihn zum Präsidenten eines brennenden, sterbenden Landes macht. Diese Tat wird Öl ins Feuer der nationalen Trauer gießen, die ohnehin schon außer Kontrolle ist.

Yvonne Adhiambo Owuor

© Courtesy of Bobby Pall for Footprints Press Ltd

Vor allem am Anfang sind Yvonne Adhiambo Owuors Sprachfetzen gewöhnungsbedürftig. Auch gibt sie der Leserin nur rudimentäre Informationen und es dauert eine Weile, bis man Personen und Zeiten zuordnen kann. Aber das Dranbleiben zahlt sich aus, denn die Einzelsteine fügen sich zu einem großen Bild zusammen, dass facettenreich über die Geschichte Kenias und gleichzeitig eine spannende und dramatische Familiengeschichte erzählt.