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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

9. 3. 2016 - 17:53

Integrationsschau - ein Besuch beim Wertekurs

Ein Lokalaugenschein bei einem Wertekurs für Flüchtlinge inklusive Integrationsminister und AMS Chef

Seit vergangener Nacht ist die Fluchtroute über den Balkan praktisch blockiert, Tausende Menschen sitzen daher in Griechenland unter widrigsten Umständen fest. Ist es Zufall, dass zeitgleich Integrationsminister Sebastian Kurz heute Vormittag unter großer Medienbegleitung einen der neuen Wertekurse für Asylberechtigte besucht, oder ein Versuch von den Geschehnissen in Griechenland abzulenken?
Vor der Eingangstür des Österreichischen Integrationsfonds in Wien, wo der angekündigte Wertekurs stattfindet, steht jedenfalls ein Demonstrant mit dem Schild "Bevor ich als Politiker die Mindestsicherung auf weniger als die Hälfte kürze, halbiere ich mein Gehalt". Alexander Pollak von SOS Mitmensch protestiert damit gegen den Vorschlag die Mindestsicherung bei Asylberechtigen drastisch zu kürzen, da dies in einer "Integrationskatastrophe" enden würde.

Alexander Pollak protestiert vor dem Österreichischem Integrationsfonds gegen dieKürzung der Mindestsicherung

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Frohen Mutes hingegen präsentiert wenige Minuten später Integrationsminister Sebastian Kurz den neuen, verpflichtenden Werte- und Orientierungskurs für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte als Schritt in eine erfolgreiche Integration. Bei Fernbleiben kann als Sanktion die Mindestsicherung gekürzt werden. Was ist das Ziel des Kurses? "Die Vermittlung unserer österreichischen Grundwerte. Nicht weil diese Menschen schlecht sind, sondern weil sie aus ganz anderen Kulturkreisen kommen und somit auch ein ganz anderes Verständnis für das Zusammenleben, für einen Rechtsstaat, für eine Demokratie mitbringen, als wir das in Österreich kennen." So begründet Kurz die Notwendigkeit der neuen Kurse - eine umgesetzte Maßnahme aus dem 50-Punkte-Integrationsplan. Anlass der heutigen Präsentation ist, dass nun auch das AMS diese Orientierungskurse anbietet. AMS-Chef Johannes Kopf steht neben Kurz beim Präsentationspult und unterstreicht die Sinnhaftigkeit für die Integration am Arbeitsmarkt.

Integrationsminister Sebastian Kurz und AMS Chef Johannes Kopf udn Flüchtlinge bei einem Orientierungs- und Wertekurs

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Ein Journalist fragt nach, was anlässlich des internationalen Frauentages im Kurs erzählt wird, zum Beispiel, dass es große Einkommensunterschiede gibt oder dass Frauen in der Theorie alles dürfen? Integrationsminister Kurz antwortet darauf schnippisch, dass man so viel Zynismus sonst nur von Politikern kenne. Gerade was das Frauenthema betreffe, gehe es nicht darum, den Menschen zu erklären, dass es in Österreich bei der Gleichstellung von Frauen und Männern keine Luft mehr nach oben gäbe, sondern: "Es geht darum, dass die Länder, aus denen die Masse dieser Menschen kommt, in dieser Frage ganz anders sind als Österreich."
Es fällt auf, dass der Minister, der die Integration im Land über hat, vor allem das Anderssein und nicht die Überschneidungen oder Gleiches betont.

Worum geht's ? Von der Verfassung bis zum Händeschütteln

Wertekurs-Buch

Österreichischer Integrationsfonds

Minister und AMS-Chef, eskortiert vom Medientross, begeben sich dann gemeinsam in den Schulungsraum, wo Trainerin und Flüchtlinge bereits warten. Der Minister heißt die TeilnehmerInnen im Land willkommen: "Ich darf Sie auch ermutigen, dass Sie möglichst schnell die Sprache lernen als Basis für jede gelungene Integration, in den Arbeitsmarkt einsteigen und sich auch ehrenamtlich engagieren. Das ist etwas ganz besonders Übliches in Österreich".

Wertekurs-Buch

Österreichischer Integrationsfonds

In acht Stunden lernen bis zu 15 Flüchtlinge einerseits Wissenswertes über die österreichische Verfassung, die Gleichstellung von Frauen und Männern, das Gewaltverbot in der Familie, die Landesgeschichte - etwa den Wiederaufbau, die Meinungs- und Religionsfreiheit. Andererseits geht es um alltägliches Verhalten, etwa, dass man beim Begrüßen die Hände zu schütteln habe oder dass man, wenn man abends ein Fest feiere, das mit den NachbarInnen absprechen sollte.
Handelt es sich um gute Orientierungshilfen, wichtige Staats- und Arbeitsmarktkenntnisse oder die Unterstellung, eine Unterweisung in Alltagshandlungen zu brauchen? Es mutet als ein Mix von alledem an. Jedenfalls ist es ein dichtes Programm für einen Tag.

Trainerin Ursula Sagmeister beim Orientierungs- und Wertekurs des Österreichischen Integrationsfonds

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Ein Rechtsanwalt, ein Lehrer, eine Künstlerin oder ein Elektriker sitzen in der Runde - alle geflüchtet, auf der Suche nach Schutz, ihrem Menschenrecht. Ob sie kulturell so anders ticken, wie der Integrationsminister es vorher in der Begründung der Notwendigkeit der Wertekurse darstellt? Yasmin, ein syrischer Französischlehrer, antwortet diplomatisch: "Glauben Sie mir, ich bin nicht so an Kultur oder Religion interessiert. Für dich und für mich ist das Wichtige die Menschlichkeit. Wenn du Menschlichkeit kennst, dann kannst du die Kultur oder andere Kulturen und Sprachen lernen."

Lukas Tagwerker's Radiobericht vom Wertekurs:

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