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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

8. 3. 2016 - 17:06

Thao & The Get Down Stay Down

Die US-Musikerin Thao Nguyen aka Thao & The Get Down Stay Down meldet sich mit dem Album "A Man Alive" zurück.

Thao aus San Francisco ist schon eine Weile mit ihrer Band The Get Down Stay Down unterwegs. Ganze fünf Alben voller wunderbar eigenwilligem Gitarrenpop hat die Amerikanerin mit den vietnamesischen Wurzeln bereits veröffentlicht. Zwei Mal hat sie bisher auch in Österreich gespielt: einmal beim FM4-Geburtstagsfest, und dann beim letzten Album "We The Common" in einem kleinen Club in Wien. Der Indierock der Thao war immer - oberflächlich betrachtet zumindest - eine Art existentialistischer Slacker-Pop. Ein pluckerndes Banjo, zerzauste Haare, ein wenig Angst und Ärger in den Arterien, aber auch großes Selbstvertrauen im Herzen. Jetzt mit Anfang 30 war es für Thao Nguyen Zeit, um einen kleinen kreativen Wechsel zu vollziehen. Nicht etwa einen Ortswechsel, nein, in San Francisco ist die aus der Nähe von Washington D.C. stammende Thao weiterhin happy, aber ihren Sound wollte sie etwas verändern.



Thao ist noch immer Thao & The Get Down Stay Down, tief im Punkrock-beeinflussten Indie-Singer/Songwritertum verhaftet, aber Thao war auch immer ein Soul-Fan. Zusammen mit ihrer Mutter - Frau Nguyen führte jahrzehntelang einen Waschsalon - hörte Thao als Kind und Jugendliche alten Motown-Soul, wie ihn Marvin Gaye, die Temptations oder die Supremes machten. Aber auch von Soul und HipHop beeinflusster Indie-Pop, wie ihn etwa das New Yorker Frauentrio Luscious Jackson in den 1990er Jahren spielte, zählt zu den Einflüssen von Thao Nguyen. Das kann man etwa im neuen Thao-Song "Meticulous Bird" gut hören.

Thao: "Ich mochte immer die MCs im HipHop ganz besonders, und ich glaube, die Art, wie ich Songtexte schreibe und ich diese singe, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem MC."

A Man Alive

Thao Ngyen kommt eigentlich nie als "Predigerin" rüber, auch wenn sie ein sehr politischer Mensch ist und ihre Texte meist einen tiefergehenden Hintergrund haben. Auf der ersten Single von ihrem neuen Album singt sie "we act like nobody dies" - wir leben so, als ob niemand von uns stirbt. Thao meint damit, dass die meisten von uns nicht wirklich damit umgehen können, dass das Leben nicht endlos ist und wir diese Tatsache also einfach von uns wegschieben. Im Besonderen meint sie im Song "Nobody Dies" aber ihr Verhältnis, oder besser, ihr nicht existierendes Verhältnis zu ihrem Vater, über den sie nachdenkt, und ob sie ihn in diesem Leben nach all den Jahren noch einmal sehen wird.

Thao Nguyen: junge FRau - USA (Vietnam) lange schwarze Haare

Thao

Thaos Vater verließ die Familie - Thao, ihren Bruder und ihre Mutter - als Thao noch ein Kind war. Es war nun an der Zeit, diese Sache für mich anzusprechen, meint Thao im FM4-Interview. Gibt es Hoffnung auf eine Versöhnung? Oder zumindest einmal auf ein Treffen? Eher nicht, sagt Thao, und wenn, dann muss das ohnehin kommen, aber nicht deshalb, weil ich es in meiner neuen Platte anspreche, denn das habe ich nur für mich gemacht, und es ist kein direkter Hilferuf, um die Eiszeit mit meinem Vater zu beenden. Dass das Album den Titel "A Man Alive" trägt, bezieht sich ebenfalls darauf.

Thao: "Es ist eigenartig, dass da zwei Menschen sind, zwei Menschen, die am Leben sind, die aber dennoch nicht miteinander sprechen, obwohl sie das könnten, weil sie ja leben und noch nicht tot sind."

Damit wir jetzt aber nicht furchtbar traurig werden, ob Thaos schwieriger Familiengeschichte: Nein, ihre Songs kann man auch gut hören, wenn man all diese Hintergründe nicht kennt. Ein punkiger Song wie "Nobody Dies" hat einen poppigen Refrain, die Gitarre klirrt, die Drums rollen ordentlich daher, und dann, hey, alle zusammen, wir singen: "We act like nobody dies, nobody dies!" Party machen, fröhlich sein, so lange es noch geht.

Departure

Albumcover A Man Alive von US-Musikerin Thao; junge FRau (Asien-USA) lange schwarze Haare

Domino

"A Man Alive" von Thao ist am 4.3. bei Domino in London erschienen.

In "Departure", einem anderen Song am neuen Thao-Album, heißt es "fight for me in the modern day". Dinge, um die es sich zu kämpfen lohnt, gibt es viele dieser Tage. Thao etwa kämpft weiter für Frauen in kalifornischen Gefängnissen. Wenn die Musik ihr etwas Zeit lässt, ist Thao Nguyen weiter aktiv, was ihre Unterstützung für in Kalifornien einsitzende Frauen betrifft. Es handelt sich oft um keine größeren Delikte, die diese Frauen begangen haben, aber die Strafen sind oft unverhältnismäßig hoch. Thao - sie hat einen Uni-Abschluss in Soziologie und Gender Studies - betreut aber auch etwa Frauen, die unter häuslicher Gewalt litten und im Affekt ihren Ehemann töteten. Hat Thao den Eindruck, dass da insgesamt etwas weitergeht, dass ihre Arbeit Gutes bewirkt? Absolut, sagt sie im FM4-Interview, auch wenn es oft nur ganz kleine Schritte sind.

Was bedeutet der Internationale Frauentag für Thao?

Viele Frauen in aller Welt sind vom Klimawandel betroffen. Sie sind oft mit einer kleinen Landwirtschaft die Ernährerinnen der Familie - und dann kommt eine ungewöhnliche Trockenperiode, oder allzu viel Regen, und alles ist zunichte.
Thao redet voller Leidenschaft, wenn es um die Anliegen von Frauen geht. Und sie gerät fast schon ins Schwärmen, wenn sie von ihrer Freundschaft zu Merrill Garbus erzählt. Merrill ist einer der beiden Köpfe der experimentellen US-Indiepop-Band Tuneyards, und Merrill Garbus hat das neue Album von Thao & The Get Down Stay Down produziert. Sie war also auch mitverantwortlich für die musikalische Entwicklung von Thao, von ihrem letzten Album hin zum neuen. Ich konnte mich bei unserer Zusammenarbeit so richtig fallen lassen, meint Thao Nguyen, die, wie sie sagt, Merrill Garbus ihr Leben anvertrauen würde.



Weitere Anspieltipps auf "A Man Alive" von Thao & The Get Down Stay Down sind die bluesige Ballade "Guts", das schöne "Millionaire", das Funk-beeinflusste und gospelige "Hand To God", das hibbelige "Astonished Man", oder das post-rockige "The Evening". In jedem Song gibt es viele kleine interessante Details, die wie ein Puzzle aus tausend Teilen völlig selbstverständlich dann ein Ganzes ergeben. Sehr schön. Rock on, Thao!