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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

7. 3. 2016 - 19:31

"Kill an MC, leave a boy's face in the Evening Standard"

Ein HipHop-Lesekreis zu Stormzys "Standard".

Mehr Lesekreis

Weitere Textanalysen vom HipHop-Lesekreis gibt es hier:

Mit dem Dizzee-Rascal-Debütalbum "Boy In The Corner" von 2003 ist das Genre Grime als genuin britische Deutung des Rap aus den Trümmern von UK-Garage erstanden. Dann sind sehr blöde, unangenehme Dinge geschehen, die zu verhindern sich der HipHop-Lesekreis in ungebrochenem Größenwahn und Enthusiasmus auf die Fahnen und Lesezeichen geschrieben hat.

Intern nennen wir es die Umkehrung des Ursache-Wirkung-Prinzips.

Wenn KünsterInnen, MCs, SängerInnen in ihren Texten etwas in der Ich-Form von sich geben, dann bedeutet das nicht unbedingt, dass sie diese beschriebene Tat a) selbst gemacht haben oder b) gut finden.

Stormzy

Stormzy

Bei hellhäutigen Menschen funktioniert in den meisten Fällen die Trennung von fiktivem Ich im Text und tatsächlichem Ich. Bei den Werken von P.O.C. scheinen sich - angeführt von den Massenmedien - die werten Rezipienten schwer zu tun und es kommt immer noch zu Pauschalisierungen wie Hip Hop sei frauenfeindlich oder Grime sei gewaltverherrlichend - oder schlimmer noch: Grime führe zu mehr Gewalt. Es gab Messerstechereien bei Grime-Veranstaltungen, aber die gibt’s auch im Bierzelt und in Großraumdiskos.

Weniger zur Popularität des Genres dürfte beigetragen haben, dass der Grime-Pate der ersten Generation, Wiley, leicht soziopathische Züge hat und seine im zweistelligen Bereich liegende Stichwunden-Anzahl in Presseaussendungen und Interviews gern als Indikator für seine Unzerstörbarkeit erwähnt.

Das kraftvolle rohe Gemisch aus Hip Hop und elektronischer Musik fand schwer und immer schwerer Veranstaltungsorte, wurde tot zensiert und die MC´s, die noch an sowas wie eine Karriere glaubten, fanden sich als Kasperln bei The Dome oder als Anheizer für Douchebag-House-DJs in Ibiza wieder.

Dreizehn Jahre später erlebt die Richtung nach zwischenzeitlich eher lauen Jahren einen zweiten Frühling - sowohl künstlerisch als auch geschäftlich.


Junge Talente wie Novelist aber auch Stormzy haben sich bereits einen Namen gemacht. Die zweite Generation hat gelernt, dass Humor eine wirksame Waffe gegen Fremd-Zuschreibungen und rassistische Stigmatisierung sein kann. Stormzy, der am Sonntag in Wien gespielt hat, konnte sich 2015 sogar den Grime Award bei den britischen MOBOs abholen, was ihm aus der Szene nicht nur Wohlwollen eingebracht hat. Eine Antwort darauf ist sein Song "Standard", den Stefan Trischler, Mahdi Rahimi und ich hier preisen:

HipHop Lesekreis: Stormzy - Standard