Erstellt am: 7. 3. 2016 - 18:52 Uhr
ALM DIY vor dem Aus?
Das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofs in Wien Leopoldstadt zählt zu den größten Stadtentwicklungsprojekten Wiens. Die Hälfte der 85 Hektar großen Fläche wurde bereits bebaut, auf der anderen Hälfte sollen bis 2025 ein Bildungscampus, Wohnraum und eine sogenannte "Freie Mitte" entstehen. Vor einem Jahr war die sogenannte "Gstätten" noch brachliegendes Gelände, das als illegaler Müllplatz missbraucht wurde. Dann aber hat der "Verein zur Förderung von Skateboard D.I.Y. Projekten" einen auf ein Jahr befristeten Mietvertrag mit der Grundstückseigentümerim ÖBB geschlossen und damit begonnen, ein 3.200 Quadratmeter große Areal umzugestalten.
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Das Ergebnis ist der ALM DIY, ein gemeinnütziges Zwischennutzungsprojekt mit selbstgebautem Skatepark, Gemeinschafts-Gemüsegarten, und kleinem Fitness-Center. Ein Ort, der nicht nur von Skateboardern genutzt wird, sondern auch von Anrainern. Der Mietvertrag mit den ÖBB lief vergangene Woche aus, nun droht dem Projekt das Ende. Bisher scheiterten alle Versuche des Vereins, mit den ÖBB in Dialog zu treten. Die "Räumung" würde bedeuten, den selbst-betonierten Skatepark teuer abreißen zu müssen. Laut Benjamin Beofsich vom ALM DIY würden sich die Kosten auf bis zu 15.000 Euro belaufen.
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Ziel: Zwischennutzung bis zum Baustart
Auf den ersten Blick drängt sich die Frage auf, warum man so viel Zeit, Mühe und Geld in ein Projekt investiert, von dem man weiß, dass es nach einem Jahr zu Ende sein könnte. Auf den zweiten Blick wird das Vorgehen des Vereins etwas verständlicher. Das Gelände, auf dem der ALM DIY steht, soll an die Stadt Wien verkauft werden. Eigentlich rechneten die Skateboarder schon viel früher mit dem Verkauf an die Stadt, die dem DIY-Projekt sehr wohlwollend gegenüberstand - das DIY-Projekt wurde sogar finanziell von der MA 13 unterstützt.
Nach Angaben von Benjamin Beofsich ist der Verein davon ausgegangen, dass das Grundstück noch während des Mietzeitraums an die Stadt Wien verkauft werden würde, die dann das Projekt bis zum eigentlichen Baustart des Stadtentwicklungsprogrammes zur Zwischennutzung weiterhin dulden würde. Doch diese Rechnung ging nicht auf. Der Verkauf an die Stadt Wien zieht sich in die Länge. Noch gehört das Grundstück den ÖBB, und die haben die im Dezember gestellten Ansuchen des Vereins um eine Verlängerung des Mietvertrages abgelehnt. Bisher konnte lediglich die Räumungsfrist bis Ende März verlängert (bzw. mit einer Strafzahlung erkauft) werden. "Wir wünschen uns nur, dass der Leerstand dort genutzt werden kann, bis das Stadtentwicklungsprojekt losgeht", sagt Benjamin.
ÖBB doch aufgeschlossen
Warum lässt man ein sinnvolles und gemeinnütziges Projekt auf einem sonst brach liegenden Gelände nicht bis zum eigentlichen Baubeginn weiterhin bestehen?
Am vergangenen Freitag beim ÖBB Pressesprecher Christopher Seif nachgefragt gibt man sich dort plötzlich etwas aufgeschlossener: "Wir werden natürlich unsere Entscheidungen mit der Stadt und mit dem Bezirk abstimmen und wenn es der Wunsch sein sollte, dass der Vertrag hier verlängert wird, dann werden wir die Letzten sein, die sagen: 'Nein, das ist absolut nicht möglich.'"
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Stadt Wien am Zug
Es fehle also ein Zeichen des Wohlwollens seitens der Stadt Wien und das ist schwieriger einzuholen, als gedacht, denn von den verschiedenen Magistraten für Stadtteilplanung, Stadterneuerung oder Immobilienmanagement scheint man das Projekt ALM DIY zwar zu kennen, doch fühlt sich niemand zuständig - oder niemand will sich konkret äußern.
Patrik Volf, Sprecher von Vizebürgermeisterin Vassilakou aus der Geschäftsstelle für Stadtentwicklung, spricht sich positiv aus: "Zwischennutzungen sind natürlich immer Vereinbarungen zwischen Eigentümern und - in diesem Fall - einem Trägerverein, aber aus Sicht der Stadtplanung und aus Sicht der Ermöglichung von Zwischennutzung, glaube ich nicht, dass da etwas dagegen spricht."
Am 18. März veranstaltet der Verein ein "Fest für Freiräume" vor Ort, um den Platz noch einmal gemeinschaftlich zu nutzen. Beginn ist 15:00.
Mögliches Problem: Wechselkröte
Volf verweist allerdings auch auf Hans-Christian Heintschel als für das Gelände zuständigen Projektsprecher der Wiener Baudirektion.
Im Interview sieht Heintschel vorangig ein ganz anderes Problem: Die Wechselkröte. Für das unter Naturschutz stehende Tier werde in den nächsten Monaten innerhalb des Gebiets des ehemaligen Nordbahnhofs ein Ersatzareal gesucht. Falls der Platz, an dem der ALM DIY steht, geeignet erscheint, wäre das wohl das Ende des Zwischennutzungsprojekts.
"Goodwill von Seiten der Stadt Wien ist da"
Die Wechselkörte außer Acht gelassen findet Heintschel klare Worte zum ALM DIY:
"Da es ein Vertrag ist, den die ÖBB mit den Skatern geschlossen hat, kann ich jetzt auch nicht mehr sagen, außer dass die Stadt Wien an sich die Tatsache, dass da Leute in Eigenregie das aufgebaut und betrieben haben, durchwegs positiv gesehen hat, weil ja dort in absehbarer Zeit keine Bauentwicklung passieren wird. […] Der Goodwill und die Unterstützung von Seiten der Stadt Wien war da und ist da. […] Es ist eine gute Sache und aus meiner persönlichen Sicht spricht wohl nichts dagegen, wenn ich auch nichts vorhabe dort in absehbarer Zeit."
Ob das den ÖBB Goodwill genug ist, das gemeinnützige Projekt weiter bestehen zu lassen, wird sich also in den nächsten Wochen zeigen.