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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

7. 3. 2016 - 11:00

The daily Blumenau. Fußballwoche KW9/16.

Der aufgelegte Schöpf, der neue Nagelsmann und der ungewöhnliche Fall des FC Luzern. #fuwo

#fußballjournal16

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update.

Zuerst ein paar Personal-Spekulationen (Ich mag das nicht so gern, aber ihr liebt das, und mit Speck fängt man Mäuse...)

Eine Woche vor der Kaderbekanntgabe für die beiden Test-Länderspiele am 26. und 29. März und das Oster-Trainingslager in Stegersbach bringen sich die Kandidaten für diesen vorletzten ÖFB-Kader (ehe dann im Mai in Laax schon die Endrundenteilnehmer versammelt werden) vor der Euro in Stellung. Viel Variationsspielraum, viel Zeit Neues und Neue auszuprobieren bleibt nicht; trotzdem ist noch einiges möglich.

Die Leistungsträger holen sich gerade in den Ligen in Deutschland und England massive Selbstbewusstseins-Schübe ab, die Krisen-Kinder sollen bei der Team-Zusammenkunft mitgefüttert werden. Und für zwei bis drei Neue könnte auch Platz sein: daran Alessandro Schöpf einmal auszutesten wird der Teamchef nicht vorbeikommen; zu gut ist dessen Schalke-Performance.

Für die Euro besteht durchaus Bedarf an einem formstarken Mittelfeld-Spieler, der sowohl als Sechser, Achter und rechter Außenspieler auflaufen kann. Schöpfs Lauf begann im Herbst/Winter in Nürnberg, wo auch Guido Burgstaller hohe Konstanz zeigt. Und auch er hätte den Vorteil im Mittelfeld sowohl offensiv außen, zentral aber auch Sturmspitze spielen zu können. Dazu hat sich Florian Grillitsch in Bremen festgespielt (und kann offensiv im Mittelfeld auch alles abdecken). Dafür ist der gezerrte Shooting-Star Gregoritsch aktuell im Hintertreffen. Weil Leitgeb und Kavlak mit Verletzungen kämpfen, Harnik und Jantscher (zu dem gibt's weiter unten noch mehr...) gerade schwächeln, Lazaro nicht vom Fleck kommt und ganz vorne nur Janko, Okotie und Hinterseer gesetzt sind, hat Koller nämlich durchaus Bedarf. Und steht, weil sich auch Zulj oder Liendl wiederholt empfehlen, vor einem Luxus-Problem.

An anderen Ecken wird die Nachbesetzung schwieriger: traut sich Koller über den ebenfalls gut spielenden Trimmel als kurzfristigen Back-Up für den verletzten Rechtsverteidiger-Back-Up Garics? Oder hat er eine bessere Idee? Und: wer wird in Verletzungs-Abwesenheit von Almer und Nachrücker Lukse der dritte Tormann? Geht es nach Leistung, müsste Marco Knaller nominiert werden, der bei Außenseiter Sandhausen eine gloriose Zweitliga-Saison spielt. Oder werden die geschäftlichen Interessen der Bundesliga bedient, die in Abwesenheit von Almer und Lukse und der Abwanderung von Hinteregger und Madl auf wenigstens einen Alibi-Slot hofft? Nächsten Dienstag sind wir schlauer.

Dann eine untergegangene, aber bedeutende Wende das Bild des Trainers betreffend...

Schlechte Nachrichten für Mehmet Scholl, die alte Journalisten-Garde und die heimische "Experten"-Szene: der neueste Typus des Konzept-Trainers brüstet sich nicht mehr öffentlichkeitswirksam mit seinen Fähigkeiten, Spiele besser lesen, vorbereiten und leiten zu können: er tut einfach wie selbstverständlich.

Julian Nagelsmann, jugendliche 28, wird die TSG Hoffenheim vielleicht nicht mehr vor dem Abstieg retten können - was er in seinen ersten vier Matches auf höchstem Level gegen Werder (remis), Mainz (gewonnen), Dortmund (verloren, aber auf Augenhöhe mitgespielt), Augsburg (gewonnen) hinstellte, ehe das Team am Wochenende gegen Stuttgart einbrach, ist aller Ehren wert. Nagelsmann ignoriert die alten Ammenmärchen davon, dass man Spielern taktisch nix zumuten dürfte und widerlegt das aus der Faul-/Feigheit großer Teile der alten Coaching-Garde stammende Diktum, dass man während des laufenden Spiels keinen Einfluss nehmen kann. Es ist ihnen zuzumuten und man kann; selbst wenn man handgeschmierte Kaszettel verteilen muss.

Für junge Trainer stellt sich die öffentlich gern hingestellte Frage nach (auf viel Theorie basierendem) Konzept oder dem für die Medien nötigen (auf angeblich auf Eigenerfahrung als Spieler basierendem) Gefühl/Motivation nämlich gar nicht mehr: sie wissen um die Bedeutung der Grundlagen und learnen den Rest per doing dazu. So herum geht das nämlich. Andersrum, wie es viele (aktuell auch in Österreich) probieren, weniger.

Und dann noch das Musterbeispiel der hausgemachten Krise: der FC Luzern...

Der Verein aus der Tatort-Stadt am Vierwaldstättersee lag nach der Herbst-Saison noch auf Platz vier der Schweizer Super-League. Im Frühjahr folgten null Punkte, also fünf Niederlagen in der Meisterschaft (was den Absturz auf Platz sieben bedeutet) und das Aus im Cup-Halbfinale-Heimspiel (die letzte Chance auf einen internationalen Startplatz; gegen den Tabellenvorletzten Lugano).

Was war passiert?
In der Winterpause wurde zunächst der Sportdirektor entlassen - der altgediente Pass-Österreicher Rolf Fringer, einst Schweizer Teamchef, Coach beim VfB Stuttgart, PAOK Saloniki, Aarau, GC und eben Luzern, war seit genau einem Jahr sportlicher Leiter. Er traf auf den frisch installierten deutschen Ex-Spieler und Coach Markus Babbel, der sich nach wenig ertragreichen Stationen bei Stuttgart, Hertha und Hoffenheim in der Schweiz erholen wollte. Babbel hatte als Co-Trainer Roland Vrabec nachgeholt, einen Frankfurter, der sowohl als Sportwissenschaftler / -mediziner als auch nach Stationen bei Mainz, dem DFB und als Co- und dann Interimstrainer bei St. Pauli schon über einen Namen verfügte.

Da Babbel nur einen Vertrag bis Saisonende hatte und als zu teuer für die Schweizer Liga bzw. den nicht ganz so reichen FC Luzern galt, sah Fringer in Vrabec den logischen Nachfolger - auch weil der eh die Hauptarbeit geleistet hatte. Babbel, der gerne verlängert hätte, sah das als Affront an, beschwerte sich beim (im Bank- und Versicherungswesen tätigen) Präsidenten Ruedi Stäger und erwirkte, noch vor Frühjahrs-Saisonstart, die Entlassung Fringers. Vrabec durfte bleiben - dann aber nach den ersten drei verlorenen Spielen ebenso entlassen - nunmehr mit Komplott-Vorwürfen. Beide Positionen wurden nicht vollwertig ersetzt - der Nachwuchschef übernahm Fringers Agenden, der Trainer des Satellitenclubs wurde hochgezogen.

Weder der erste, noch der zweite Rauswurf konnten die Situation beruhigen. Und auch die vom Präsidenten als symbolischer Akt erklärte Verlängerung der Vertrags mit Babbel (gleich um zwei Jahre) sorgt für Fan-Proteste und medialen Spott. Auch weil der Präsident sich damit in die Geiselhaft Babbels begeben hat. Und weil die Mannschaft, wie ein Insider unlängst in einem SRG-Bericht deutlich durchblicken ließ, auch lieber mit den organisierten Vrabec als mit dem imagebedachten und delegationsfreudigen Babbel gearbeitet hatte, und die Niederlagenserie weitergeht (am Sonntag 2:5 gegen Adi Hütters YB aus Bern, mit einem 15minütigem Debut von Zulechner, Assist zum 5:2 incl.), droht kompletter Kontrollverlust. Zumal Babbel nach der sechsten Niederlage außer dem Hinweis auf seine glorreiche Verteidiger-Vergangenheit nichts Substanzielles anmerken konnte. Womit sich der Kreis in Richtung Nagelsmann schließt.

Böse wirkt sich das auf den im Herbst besten Luzerner aus: Jakob Jantscher fiel völlig aus allen Formwolken und beginnt aktuell auf der Bank; sieht also seine Euro-Chancen schwinden. Womit sich dann auch dieser Kreis schließt.