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Pia Reiser

Filmflimmern

10. 3. 2016 - 10:39

Big Bang am Big Ben

Nach einer Terrorattacke muss Gerard Butler den Präsidenten beschützen und die Bösen abmurksen. Was dabei rauskommt ist "London has fallen", eine reaktionäre Stammtisch-Rachefantasie in schlechtem CGI.

"Geschnitzt aus Bourbon und schlechten Entscheidungen" steht da im neuen Notizbuch und "Verpisst euch nach Verficktistan" und ich spiele kurz mit dem Gedanken, es am Heimweg zu verlieren, weil mir der Gedanke, dass es jemand findet und sich angesichts dieses Gekrakle
ein riesiges "WTF" in dessen Kopf breitmacht, durchaus gefällt. Die niedergeschriebenen Zeilen sind Zitate aus "London has fallen" und Bourbon und schlechte Entscheidungen beschreibt wahrscheinlich auch ganz gut, wie der Film entstanden ist.

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Bereits als der Trailer veröffentlich wurde, gab es Kritik an "London has Fallen" - im Vorfeld des zehnten Jahrestages der Terrorattacken in London.

"London has fallen" ist die logische Konsequenz des überraschend großen Erfolges von "Olympus has fallen", in dem Gerard Butler vor drei Jahren erfolgreich nordkoreanische Terroristen bekämpft und den Präsidenten der USA (Aaron Eckhardt) beschützt hat.

Ein Film hat viel Geld eingespielt? Machen wir ihn nochmal, aber ein ganz klein wenig anders!

Gerard Butler in "London has Fallen"

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Nach einem kurzen und generischen Prolog, der die mächtigen Fädenziehereien des pakistanischen Waffenhändlers (what else) Aamir Barkawi (Alon Moni Aboutboul) rund um die Welt skizziert, sterben durch den Angriff einer US-Drohne alle Anwesenden bei der Hochzeit von Barkawis Tochter - alle, außer dem Waffenhändler-Superschurken selbst und seinen beiden, ebenfalls schurkigen Söhnen. Jesus Christ, Drohne, you had one job!

Unterdessen joggt der dynamische POTUS mit seinem Buddy/Secret Service Bodyguard Mike Bannigan durch Washington, man wirft sich Oneliner zu und schwitzt freudig in die Baumwollshirts. Bannigan wird bald Vater, seine Frau (Radha Mitchell) trägt schon diese Kuschelpullis, die in Filmen Pflicht für Schwangere sind, und kann sich zwischen fifty shades of hellgelb nicht für eine Kinderzimmerwandfarbe entscheiden. Bannigan selbst hat keine Zeit für Babysentimentalitäten: Der britische Premier ist im Schlaf verstorben und er muss den Präsidenten zum Staatsbegräbnis nach London begleiten. Mehr als vierzig Staatsmänner und Angela Merkel, die hier Agnes Bruckner heißt, werden anreisen. Eine einmalige Gelegenheit für Terroristen. Bannigan ist angespannt, das merkt man, weil Gerard Butler sich bemüht, die Augen ein bisschen mehr als gewöhnlich zusammenzukneifen und weil das Drehbuch ähnlich wenig Vertrauen in Butlers Schauspielkunst hat, wie ich, und ihn zur Sicherheit nochmal sagen lässt, dass er angespannt ist.

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Bessere Drehbuchautoren hätten aus dem Staatsbegräbnis und der schwelenden Angst vor einem Terroranschlag ein Zeitgeist-Szenario im Camp- oder Pulpmäntelchen machen können. Oder zumindest eine spannende, Bond-artige Überhöhung. Aber nichts da. Fahrig fängt die Kamera die Menschenmassen hinter den Absperrungen in London ein, Polizei überall. Und Regierungschefs überall. Der Film ist wie einer dieser schrecklichen "Treffen sich ein ... und ein ... und ein ..."-Witze. Gefühlt ewige lang und ohne Pointe. Der Italiener schäkert mit einer jungen Geliebten, der Franzose sitzt trinkend auf einem Boot, der Japaner hat Angst, zu spät zu kommen. Die meisten Staatsmänner tragen übrigens kleine Anstecker der Flagge ihres Heimatlandes, zur Sicherheit wird aber auch noch eingeblendet, wen wir hier gerade sehen. Das ist nur der Gipfel der Faulheit eines unendlich faulen und dumpfen Drehbuchs.

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Das explodierende Auto, in dem der kanadische Premierminister samt Ehefrau gesessen sind, ist dann der Startschuss einer nicht enden wollenden Explosionswelle. Adieu Big Ben, Adieu Westminster Abbey. Und Adieu Staatsoberhäupter. Die paranoide Hetze der Rechten, sie entfaltet sich in "London has fallen" in schlechtem CGI: die Londoner Polizei und Rettungsdienste sind von Terroristen unterwandert worden. Jeder Immigrant eine Schläferzelle (mit einem guten Job), die aktiviert wurde. Auf die Frage des Präsidenten, wie so eine groß angelegte Anschlagsserie geplant und ausgeführt werden konnte, sagt Bannigan "Sie brauchten den Sack bloß zuzumachen". Nuff said. Hab ich schon erwähnt, dass am Drehbuch vier Autoren beteiligt waren?

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Aja, der Präsident überlebt natürlich, dank Bannigans Einsatz. Zwar wird der Helikopter, in dem sie sich befinden, abgeschossen, aber so sind die zwei Jogging Buddies nun zu Fuß unterwegs. Aber wenn man actionreich die Welt rettet und dabei online zwischen den gefletschten Zähnen Oneliner hervorpresst, dann braucht man Charisma. Und ein besseres Drehbuch. Ein Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke allein macht noch keinen guten Film, dass weiß John McLane. Aber nicht Mike Bannigan.

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Der ist eine reaktionäre Rachefantasie in muskulöse Menschenform gegossen, die eigenhändig und blutrünstig (Messer ins Aug! Am Kopf festhalten und den Körper, der aus dem Autofenster hängt an einer Hauswand zerreiben!) jede Menge Terroristen umbringt, sie zurück nach Fuckheadistan wünscht und Stammtischweisheiten durch die Gegend rülpst: Arschlöcher wie ihr versuchen seit Ewigkeiten uns zu töten, aber wir werden in tausend Jahren immer noch hier sein. Falls ihr euch fragt, wie Bannigan erkennen will, wer hier Terrorist ist und wer nicht: "Every one of these guys is a terrorist asshole until proven otherwise".

Der Vizepräsident (Morgan Freeman) und eine Riege an wichtigen Funktionsträgern starren im Weißen Haus entsetzt auf Bildschirme, entsetzt starre auch ich und das nicht nur wegen dem, was auf der Leinwand geschieht. Neben Morgan Freeman sitzen auch noch Melissa Leo und James Earle Haley, deren Talent allerdings unbemerkt verpufft in der öden, brutalen Blödheit von "London has Fallen".

Melissa Leo und Morgan Freeman in "London has Fallen"

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"London has fallen" startet am 10. März 2016 in den österreichischen Kinos

Während man Michael Moores Streifzug durch Europa "Where to invade next", der begeistert ist von Ideen wie bezahltem Urlaub, Karenz, 13. Monatsgehalt, als Teil seiner Unterstützung für Bernie Sanders sehen kann, wird "London has fallen" schon als Repräsentation von "Trump's America" beschrieben. Beginnt mit einem Drohnenangriff, an dem nur bemängelt wird, dass die Terror-Drahtzieher lebend davongekommen sind, und endet mit einer Militäreinsatz-Rechtfertigungsrede des Vize-Präsidenten. "London has fallen" ist filmgewordenes "U-S-A"-Rülpsen.