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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

2. 3. 2016 - 18:21

Auf sie mit Gebrüll!

Die Band Fjørt aus Aachen ist derzeit eine der heißesten der neuen lauten Emocore-Bands. Dabei sind sie auf einem eher leisen Label.

Das Grand Hotel van Cleef ist, wie Eingeweihte wissen, keine Unterkunft für Reisende, sondern für Musiker: ein Plattenlabel aus Hamburg, das unter anderem Marcus Wiebusch von Kettcar und einem gewissen Thees Uhlmann gehört.

"Grand Hotel van Cleef? Ist das nicht dieses Lauch-Label aus Hamburg, wo die ganzen blassen Typen mit ihrer Befindlichkeitsscheiße rauskommen?" (...) So, oder so ähnlich, wird über unsere kleine Plattenfirma drüben in Hardcore-Hausen gesprochen. Zumindest denken wir uns das. (Grand Hotel van Cleef)

Fjort

Andreas Hornoff

Tipp

Auf ihrer Tour kommen Fjørt am Samstag, 5.3. in den Weekender Innsbruck und am Sonntag, 6.3. in den Carinisaal Lustenau. Weitere Österreich Termine sind für den Herbst geplant.

Seit Ende Jänner ist Schluss mit Lauch und Befindlichkeit, da ist bei Grand Hotel van Cleef das neue Album Kontakt von Fjørt herausgekommen, und Fjørt sind zwar nicht aus Hardcore-Hausen, sondern auch Aachen, aber sie sind laut. Und sie schreien.

Fjørt wollten ganz bewusst mit ihrem neuen Album nicht zu einem typischen Punk- und Hardcore-Label gehen, erzählt Bassist David. "Wir finden eine Durchmischung immer ganz gut. Wir kannten das Label, weil Pale, eine Vorbild-Band aus Aachen, bei denen wir vor zehn Jahren immer in der ersten Reihe gestanden sind und alle Texte mitgesungen haben, auch auf Grand Hotel van Cleef war. Wir schätzen auch die Künstler, die dort sind sehr, und haben uns sehr gefreut, als nach einem Konzert in Hamburg jemand vom Label auf uns zu gekommen ist. Mit Tomte, Kettcar und den anderen auf einem Label zu sein, ist für uns eine große Ehre."

Die neue Emocore-Welle

Fjørt sind eine der heißesten neuen Bands der Welle an Screamo- und Emocore-Musik, die in den letzten Jahren wieder aus der Versenkung aufgetaucht ist. Ja genau, "Emocore", das Genre, dessen weichgespülter Indierock-Ableger, wir erinnern uns, Ende der 2000er verstorben ist, erlebt gerade in der Hardcore-Variante so etwas wie eine Wiederauferstehung. Auch dem Publikum gehen die mehr oder weniger melodischen und verschachtelten Gitarrenwände in Kombination mit einem Sänger, der sich das Herz aus dem Leib brüllt, gern ins Ohr.

"Ich glaube wir hatten in den letzten Jahren eine relativ große Elektro-Welle. Die Leute hatten am Wochenende Bock, sich in den Club zu stellen und bis fünf Uhr morgens von den Beats tragen zu lassen", meint David. "Gerade fängt aber wieder eine Phase an, wo Leute sich wieder mit sich selbst befassen und mit dem lyrischen Output von Bands. Das merken wir schon deutlich, dass viele Leute mit uns über die Texte in Kontakt treten und wissen wollen, was dies ist und das und einfach wieder ihren Kopf einschalten wollen und sich nicht nur berieseln lassen."

Dass David lyrischer Output sagt, deutet schon darauf hin, dass Fjørt genretypisch Wert auf Herz, Hirn und sprachliche Qualität legen, so wie auch die Brüllstimme nicht testosteron-, sondern herzgesteuert ist. Inhaltlich sind Fjørt an vielen Stellen des neuen Albums Kontakt dezidiert politisch, ohne je Parolen zu verbreiten. Das, erklärt Sänger Chris, musste diesmal so sein. "Ich würde uns auch gar nicht als grundsätzlich politische Band bezeichnen. Das sind einfach Dinge, die vor allem im letzten Jahr so schlimm wieder hochgekocht sind, dass es uns einfach auf der Seele gebrannt hat, dazu etwas sehr Eindeutiges zu schreiben." "Ich nenn das nie politisch, ich nenn das eher menschlich", ergänzt David.

"Angst, dass es kippt"

"Kontakt" Cover

Fjørt

"Früher hat man das Problem eher als relativ eingegrenzt wahrgenommen. Da waren ein paar Nazis, denen hat man einen linken Block gegenüber gestellt, und damit war das dann wieder ausgeglichen. Aber jetzt fühlt sich das so an, als hätte Otto Normalverbraucher die letzten zehn Jahre die Fresse gehalten und jetzt auf einmal Parolen raushaut wie Grenzschließung! oder Schießt auf Leute, die rüberkommen!. Hier brennen Flüchtlingsheime, es knallt hier grade ganz gewaltig und ich hab echt Angst, dass das kippt."

In Aachen, der Heimatstadt der Band, sind die Probleme mit Rechtsextremen nicht so groß wie zum Beispiel in Dresden, aber auch hier hatte sich zum Beispiel im Umfeld des Fußballclubs Alemannia Aachen, eine rechtsradikale Hooligan-Szene aufgebaut.

Auch wenn der Bandname Fjørt und das Video zum Song Anthrazit eine gewisse Nähe zur hohen See und zu Skandinavien nahe legen: die Band kommt aus dem fröhlichen Rheinland, dem Dreiländereck Deutschland-Belgien-Holland. "Die Begrifflichkeiten, die nicht nur im Bandnamen auftauchen, sondern auch in Songtiteln oder in Texten, beziehen sich darauf, wie die Musik klingt," erzählt Chris. "Die Musik spricht einfach so eine kalte, eisige Sprache ... als wir unsere ersten Songs geschrieben haben, hat unser Drummer Frank gesagt, das klingt so tief und so kalt und so wandig, als käme es direkt aus Norwegen aus dem Fjord."