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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

2. 3. 2016 - 14:33

Taubentod und schlechte Aura

Barbi Markovic "Superheldinnen" treten an, um die Welt zu verändern.

die autorin

Aleksandra Pawloff

Es kann kein Zufall sein, dass Barbi Markovic den Eingang zum tristen Teil des als aufstrebend bezeichneten Wiener Bezirks Margareten als Schauplatz für ihre Geschichte gewählt hat. Zwar können große Veränderungen überall ihren Anfang nehmen, doch ob ein abgehalftertes Café inmitten von Wettbuden, Ein-Euro-Shops und Dönerläden der geeignete Ort ist, um telepathische Sitzungen abzuhalten, ist fraglich.

Hier, am Siebenbrunnenplatz im fiktiven Café Sette Fontane, treffen sich allsamstäglich drei Frauen zu einer Art Hexensitzung. Hier beginnt das Buch mit der Ankündigung, dass etwas Unerwartetes passieren würde, etwas, das die Leben der drei Superheldinnen und das vieler anderer verändern würde.

Barbi Markovic hat im Jahr 2009 durch eine eigenwillige Übertragung eines Thomas Bernhard-Textes auf sich aufmerksam gemacht. Der popliterarische Text "Ausgehen" war eine Übersetzung von Bernhards "Gehen" ins Serbische und zugleich eine inhaltliche Übertragung in die Clubkultur und dann eine Rückübersetzung ins Deutsche.

2011/2012 war Markovic Stadtschreiberin in Graz und hat dort die Beschriftungen von Plätzen abgeschrieben, das Projekt "Graz Alexanderplatz" ist entstanden. Diese abgeschriebenen Beschriftungen finden auch Eingang in ihren neuen Roman "Superheldinnen".

Lesungen mit Barbi Markovic

  • 8.3.: Literaturhaus Graz
  • 10.3.: Literaturhaus Wien
  • 15.3.: Literaturhaus Salzburg

Doch nichts Großes geschieht unter der Sonne, die nebenbei bemerkt ohnehin kaum scheint. Die Leben der drei Frauen sind grau, ihre Gesichter blass und letztlich werden sie sich fügen, in eine Welt, die vom Kapitalismus verseucht ist. Jede von ihnen hat übersinnliche Fähigkeiten, gemeinsam üben sie sich im Umgang damit. Die ihnen zur Verfügung stehenden telepathischen Mittel sind die Auslöschung und der Blitz, wobei ersters zur Beseitigung, beziehungsweise Verpflanzung einer problematischen Person führt, zweiteres eine Art Erleuchtung und Verbesserung einer problematischen Situation darstellt. Das Ziel der drei Frauen ist es, dem alltäglich Abnormalen eine Normalität zu verleihen. Allerdings sind sie sich nicht restlos im Klaren darüber, was normal ist und kämpfen außerdem mit eigenen Problemen. Die da wären: Geldmangel, miserable Jobs, Gesundheitsprobleme und ein biographisch bedingtes Hadern mit der eigenen ex-jugoslawischen Herkunft.

Residenz Verlag

Wo ist mein Platz in der Welt und wie fülle ich diesen Platz aus?, sind die zentralen Fragen des Romans. Doch um diese Fragen zu beantworten, müsste man lichte Momente haben, die nicht durch (den Text grau zerklüftenden) Werbebotschaften, kapitalistische Heilsversprechungen und Marketingköder verhindert werden.

So wie die Konzentration der drei Superheldinnen ständig gestört wird, sei es durch eine Messerattacke des Kellners, sei es durch einen selbstmörderischen Taubenschwarm, so biegt auch der Text ab in Erinnerungen an Sarajevo, Belgrad, Berlin und entblößt das Grundproblem moderner StädterInnen (die nichts außer ihrem StädterInnentum geerbt haben): Man strauchelt, hetzt sich ab, lebt in Zwischenlösungen und mit der Last unerfüllter Träume, wird ständig abgelenkt und zerschleudert von irgendwelchen Versprechungen, so dass es unmöglich scheint, irgendwann bei sich selbst anzukommen (und wo überhaupt?).

"Superheldinnen" ist ein fahriges Buch, trocken geschrieben und mit verschmitzem Humor. Es hält keine Antwort darauf parat, was denn überhaupt "normal" wäre, aber es zeigt deutlich, dass das, was ist, keine Anzeichen von Normalität aufweist.