Erstellt am: 5. 3. 2016 - 13:59 Uhr
Zu Besuch bei den Techno-Kindern
Stefanie Hartwig, Musik-Produzentin aus Berlin, leitet ein fantastisches Projekt: In Touching Music bringt sie Volksschulkindern und Jugendlichen bei, wie sie mit Tablet-Apps Musik machen, Songs und Tracks aufnehmen und sich elektronisch zu Jam-Sessions verbinden können. Letzte Woche hab ich Touching Music in der Havelland-Grundschule in Berlin-Schöneberg besucht — und war hin und weg.
Man muss sich das so vorstellen: Ein Nachmittag in Schöneberg. Die Sonne blitzt immer wieder kurz zwischen den Wolken hindurch und auf dem Spielplatz huschen nur noch ein paar Kinder zwischen Klettergerüst und blassgelber Schulstruktur hin und her. Und drinnen im Glaskasten der Volksschule Havelland wuselt eine Gruppe aufgedrehter Kinder um Stefanie Hartwig und ihren Freund und AG-Ko-Leiter Sascha Kösch herum und unterhalten sich über "Figure" und "Gadget" und "Weejam", als ob das ganz normal sei. Aus einem der Bluetooth-Lautsprecher tönt ein ewiger Loop aus gerader Bass-Drum und Wolkenbass, den eines der Kinder gerade in eines der iPads gehackt hat. Vielleicht wird daraus der Soundtrack des Films, den eine zweite Gruppe gerade mit der Tablet-Kamera dreht. Vielleicht landet das Stück aber, poliert und rund gemacht von Sascha Kösch, bei Soundcloud im Mix oder Remix oder bei Youtube als selbstgedrehtes Musikvideo.
Die Stücke, die Stefanie und Sascha bei Youtube und Soundcloud hochladen, packen mich immer wieder direkt am Herz. Natürlich hört man die Apps durch und manchmal auch den Geschmack der Erwachsenen. Aber vor allem sind es wunderschöne Stücke selbstvergessener Irrelevanz. Was die Kinder da produzieren, hat nur eine kaum spürbare Verbindung mit dem ästhetischen Regime der durchtanzten Betonnächte, der Bierlachen und Runterkommer-Nachmittage. Die Stücke sind vielmehr direkte Ausstülpungen der Maschinen und ihrer Möglichkeiten, geschaffen vom kurzwirksamen Exzess der Kinder am Tablet.
Ich hoffe, dass ich, wenn ich dereinst Kinder im Volksschulalter haben sollte, ihnen so einen Kurs anbieten kann. Denn vielmehr als nur um Musikmachen geht es dabei ja auch um eine Verarbeitung von aktuellen Kultureinflüssen und eine Integration der Technik in den Alltag der Schüler anstatt um den Versuch, eine glückliche Kindheit mit einer abgeschotteten Kindheit gleichzusetzen. Und nicht zuletzt ist die Musikproduktion jenseits einer Verwertungslogik (wobei man darüber angesichts des Öffentlichkeitsfiebers der von mir interviewten Kinder auch streiten kann) ja auch ein schöner Rückgriff auf das etwas aus der Mode gekommene Prinzip der Demokratisierung von Kunstproduktion und der Zugänglichmachung von Produktionsmitteln und Techniken.
Dass die viele der Stücke auch tatsächlich als Tracks funktionieren, das soll dieser Mix von Sascha Kösch beweisen: Touching Music im Mix von DJ Bleed.