Erstellt am: 27. 2. 2016 - 13:05 Uhr
Be creative
Unter dem Titel „Be creative! Kapitalistische Geister“ stellten am Dienstag in der Berliner Buchhandlung "pro qm" zwei Autorinnen ihre neuen Bücher zum Themenfeld Kreativität und Prekariat vor.
Angela McRobbie ist Professorin für Kommunikation am Londoner Goldsmith College, am Birmingham Center, an dem die Cultural Studies erfunden wurden, forscht sie seit inzwischen vier Dekaden zu feministischer Kulturtheorie. Ihr besonderes Interesse gilt dabei den Subkulturen und der Indie-Musikszene. 2014 erschien ihr letztes Buch „Be Creative? Making a Living in the New Culture Industries“. Zum gleichen Thema arbeitet auch Alexandra Manske, Professorin aus Hamburg. Sie geht in ihrer neuen Studie den Arbeits- und Selbstverhältnissen in der Modedesign- und Kommunikationsbranche nach. Sie stellte ihr neues Buch "Kapitalistische Geister in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Kreative zwischen wirtschaftlichem Zwang und künstlerischem Drang“ vor.
Beiden Autorinnen befassen sich also mit der sogenannten Kreativwirtschaft – mit den „creative industries“, oder den „creative classes“ wie sie der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida in seinem Standardwerk „The Rise of the creative class“ von 2002 nennt.
christiane rösinger
The Rise of the creative Class
Florida stellt darin einfache Thesen auf: Seit es mit traditionellen Industriezweigen bergab geht, sei die "creative economy" mit einer neuen Klasse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dabei, ihren Platz zu übernehmen. Florida definiert diese "kreative Klasse" (die in den USA nach seiner Einschätzung bereits 30 Prozent der Erwerbstätigen ausmacht) als ein weites Spektrum qualifizierter Berufe: von Fachleuten in Technik und Naturwissenschaften über höhere Positionen im Handels- und Finanzsektor bis hin zu Beschäftigungen in der akademischen und öffentlichen Verwaltung sowie in Bereichen der Justiz und öffentlichen Sicherheit. Natürlich finden sich auch Künstlerinnen und Künstler und andere Kulturberufe in dieser Auswahl - die laut Florida besonders wichtige Gruppe der "Bohemiens"; sie sollen den Städten und Regionen der westlichen Welt in ihrem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf den nötigen innovativen Kick geben.
Dem studentisch- universitär geprägten Publikum in der Buchhandlung wurden zuerst kurze Zusammenfassungen der neuen Bücher von den Autorinnen als Input gegeben.
Alexandra Manske führte aus, dass die Kulturindustrie auch in Berlin eine boomende Branche sei, und stellte die Frage: „Was hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen als Künstler arbeiten wollen? Warum sind diese Berufe so beliebt? Berufe, die doch wenig Chancen auf Einkommen bieten und von denen man weiß, dass die Hälfte der KünstlerInnen keine existenzsichernde Arbeit macht.
Während Künstler früher geniale Sonderlinge waren, die abseits der kleinbürgerlichen Norm lebten, sind KünstlerInnen heute ein Rolemodel für die Kreativwirtschaft. Alle wollen Künstler sein - aber alle sollen auch Unternehmer sein. Gleichzeitig werden Künstler immer mehr in prekäre Verhältnisse gedrängt und sind daran- geht es nach der neoliberalen Ideologie – auch noch selbst schuld dran. Denn jeder ist seines Glückes Schmied - oder wie Florida ausführt- wenn es nicht klappt mit dem Erfolg – Try harder!
Angela McRobbie sprach in ihrem Vortrag über den "euphorischen" Moment der neuen Kreativwirtschaft, als diese im Großbritannien Tony Blairs Berühmtheit erlangte. In England wurde die Inszenierung von Kreativwirtschaft als schöner neuer Arbeitswelt zu einem prima Instrument, mit dem die jugendlichen, städtischen Mittelschichten in der Zeit von staatlichen Sparmaßnahmen in unsichere Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen entlassen wurden. In eine Zukunft der Arbeit ohne jegliche Ansprüche, soziale Absicherung und Sicherheit - immerhin die Werte, für die frühere Generationen in der Nachkriegszeit unter sozialdemokratischen Regierungen in GB gekämpft hatten.
McRobbie erzählte Geschichten von jungen Frauen, die ihr mit leuchtenden Augen erzählen, sie hätten die Erlaubnis bekommen, den Schlafsack mit ins Atelier zu nehmen, um dort zu übernachten und dann um 6 Uhr morgens an Vivienne Westwoods Kollektion weiter arbeiten zu dürfen - ohne Bezahlung!
Auch Mc Robbie fragt: Warum wollen alle kreativ sein? Gibt es nicht auch andere Berufe und Arbeiten, die befriedigend sind? Kann man nicht auch, wenn man zum Beispiel Kinder unterrichtet hat, zufrieden nach Hause kommen, mit dem Gefühl: „A good Job, well done!“?
Das Versprechen der Bohème“, eines verrückten, unangepassten Künstlerlebens gilt ja heute vielen noch als Ausweg aus einem langweiligen "9 to 5" - Jobs und wird dabei für viele zum Fluch.
Die künstlerisch tätige Freiberuflerin arbeitet zwar nicht zu festen Zeiten, hat dafür aber gar keine Freizeit mehr und wird nur bei Erfolg bezahlt. Ein Leben in Zwangskreativität, in ständiger Selbstvermarktung, ein Netzwerken oder Anträge schreiben ohne Ende mit der Hoffnung auf den großen Treffer. Und ist man nicht gerade als höhere Tochter oder höherer Sohn geboren, führt das schöne prekäre Leben direkt in die Altersarmut.
Zudem machen die Künstler es vor, wie man mit Selbstausbeutung, unsicheren Einkommensverhältnissen und fehlender sozialer Absicherung ja doch irgendwie existieren kann. So kommt es dazu, das der kritische Kunstschaffende, zu dessen Selbstverständnis doch einst Nonkonformismus,Verweigerung und Subversion zählte zum Handlanger der neoliberalen Veränderungen der Arbeitswelt wird. Wie soll man da Widerstand leisten? Wenn überall Kreativität und Mobilität gefordert sind, dann kann man nur noch zuhause bleiben und die Tage möglichst eintönig gestalten.
Angela McRobbie sieht aus dieser Zwangslage nur den Ausweg, dass sich KünstlerInnen in Projekten und Verbänden organisieren. Außerdem sollten sich Künstler nicht scheuen staatliche Unterstützung- in Engand Welfare, in Deutschland Hartz 4 - in Anspruch zu nehmen. In England, so erzählte sie, wäre das Wort „Welfare“ schon so sehr mit Versagen und Losertum besetzt, dass man nun daran arbeiten müsste, das W-Wort, wie zuvor das F-Wort für Feminismus, wieder salonfähig zu machen.