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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 2. 2016 - 17:04

Beziehung ohne Grund

Die Liebe ist ein langer, ruhiger Fluss in L.A.: Die Quasi-RomCom "Love" bebildert das ausgelutschte Bonmot "Es ist kompliziert".

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Werden sie zueinanderfinden, nachdem sie zunächst einmal sich selbst gefunden haben? Und muss mich das interessieren? Vergangenes Wochenende sind alle zehn Episoden der ersten Staffel der Netflix-Show "Love" in einem Rutsch in die Welt entlassen worden. Einem langen, langen Film gleich, versucht sich die Serie an einer beiläufigen Dekonstruktion des Formats "RomCom".

Nicht gleich an einem radikalen Umsturz der alten Formeln, vielmehr an einem leisen Einziehen von Brüchen und dem Zulassen von Ereignislosigkeit. An der Abbildung langsam vor sich hinruckelnder Beziehungsabläufe, dem Entwickeln einer fast schon märchenhaften Erzählung, an deren Ende keine Moral, keine Läuterung und keine Erlösung stehen muss. Bislang nicht immerhin. Das ist nicht immer spannend.

Love

Netflix

Gillian Jacobs, Paul Rust in "Love". Oder doch nicht?

"Love" nennt sich die Show also schon mit voller Absicht weitläufig und diffus, weil die Liebe, das kann ja alles mögliche sein - gemeinsam mit einer noch kaum bekannten Person vormittags bekifft im Auto durch Los Angeles cruisen, sich gemeinsam am Zerquetschen ekliger Insekten erfreuen oder nicht wissen, ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt, endlich, gekommen ist, um der anderen Person eine Textnachricht zu schicken.

Und so startet „Love“ auch gleich mit der schablonenhaften Ausgangsituation: Zwischen zwei Figuren, die auf den ersten Blick so gar nicht zusammenpassen wollen, soll Spannung entstehen. Aus der Ferne, im Intimen.

An der Oberfläche wird "Love" als eine Show von Judd Apatow, dem Erneuerer von RomCom und Sexwitz, vermarktet und gehandelt. Zwar ist Apatow Produzent der Serie und hat auch als Co-Autor federführend mitgewirkt - vielmehr aber noch ist "Love" die Show von Comedian Paul Rust und seiner Ehefrau Lesley Arfin - sie haben "Love" ersonnen, erdacht und zu weiten Teilen geschrieben.

Und die beiden Hauptcharaktere der Show sehr vage nach sie selbst modelliert, die männliche Hauptrolle spielt Paul Rust auch gleich selbst: Den ungelenken, leicht biederen Nerd-Typen Gus, er arbeitet beim Fernsehen als On-Set-Tutor- und Lehrer für ungezogene Kinder-Stars. Ihm gegenüber steht die hippe, freigeistige und sehr gut aussehende Mickey, dargestellt von der großartigen Gillian Jacobs.

Mickey hat einen Job bei einer Call-In-Radioshow zum Thema Liebes-, Sex- und Beziehungs-Probleme - was den Zuseher wohl gar naseweiß darauf aufmerksam machen soll, dass doch auch Mickeys eigenes Leben ein ziemliches Chaos ist. Sie driftet rein und raus aus der Alkohol-Sucht und ist auch dem großzügigen Tabletten-Konsum nicht abgeneigt. Sex, kein Problem, Liebe, naja.

Gus jedoch ist nicht der liebenswerte Schussel, den seine Rollen-Description für gewöhnlich vorsieht, nicht der Nice Guy, der dann doch irgendwie die vollkommen außerhalb seiner League schwebende Prinzessin erobern kann. Gus ist selbstsüchtig und selbstherrlich ohne Grundlage, mitunter kalt, pedantisch, sich seiner eigenen Durchschnittlichkeit nur dann bewusst, wenn er sich zu seinem eigenen Vorteil als der average Typ von nebenan inszenieren will. Ein Mann ohne Eigenschaften, der selbst zum Hassen fast schon zu uninteressant ist.

Love

Netflix

Auch Mickey ist bloß ihr eigenes Zentrum, kann nicht einsehen, wenn sie Menschen in ihrem Umfeld verletzt. Sie jedoch versucht, mit ihren Dämonen zu rangeln, einen Lernprozess einzuleiten. Während bei Gus keinerlei Einsicht, keine Entwicklung stattfindet. Will uns diese Dualität etwas über die Welt erzählen?

Viel geschieht nicht in "Love". Gus und Mickey nähern sich sanft einander an, entfernen sich wieder, gehen auf Partys, es wird getrunken, es wird geraucht. Wirklich lustig ist das selten, vielmehr bemüht sich die Show hier um einen melancholisch-nachdenklichen Ton oder um Akwardness, die bewusst ins Leere läuft - der Humor in "Love" ist meist an die Peripherie ausgelagert: "Schräge" Nebenfiguren, eine quirky Mitbewohnerin, ein schmieriger Boss, kaputte Ex-Lover.

Wie und warum zwischen den beiden Hauptfiguren ein wechselseitiger Magnetismus überhaupt möglich sein soll, wird in "Love" glücklicherweise nicht mit Psychologisierungen aus dem Schmalztopf herbeierklärt, es ist eine Chemie ohne Grund, nur selten wird sie spürbar. Vielleicht ist auch das der Punkt dieser mal amüsanten, mal ärgerlichen, mal sich zu indie-schlau vorkommenden, immer wieder sehr okayen Show: Es gibt keine Lösungen, das Leben erläutert uns keine Motive.