Erstellt am: 24. 2. 2016 - 17:06 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 24-02-16.
#fußballjournal16
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig. Etwa auch mit einem wöchentlichen Fußball-Update unter #fuwo.
Hintergründe dazu in Tuesday Edition, 15-12-15: Die Kunst des Verscheißens. Ein paar falsche Entscheidungen, und die Entwicklung des österreichischen Fußballs kann schnell wieder um Jahre zurückgedreht werden.
Siehe dazu auch: Die Erste Liga sucht sich selbst auf 90minuten.at
Österreichs Fußball ist im Aufwind: der ÖFB produziert europareif, Liga und die Großvereine strengen sich an, die Nachwuchsarbeit trägt Früchte. Der Saisonstart der ökonomisch unhaltbaren Ersten Liga, die mit einer Abkehr von ihren Jugendregelegungen ihren einzigen Lebenszweck in Frage stellt, zeigt jedoch wie brüchig die Struktur noch ist und wie Fehlentscheidungen - wie hier in Die Kunst des Verscheißens beschrieben - wieder den Abstieg einläuten können.
Weniger Junge, mehr Legionäre, weniger Professionalismus
Die Erste Liga, ein rein ökonomisch nicht überlebensfähiges und sportlich zweifelhaftes Konstrukt, wird von der Bundesliga informell gern als Puffer, als Übergangs-Territorium, als Transitraum für den "richtigen" Profi-Fußball angesehen - sowohl was die Infrastruktur (Stadion, Rasenheizung etc) als auch das Sportliche betrifft. 'Heute für Morgen' lautet das offizielle Leitmotiv der Liga, es gibt Bestimmungen, die sowohl den Einsatz von Österreichern (bzw in Österreich ausgebildeten Kickern) als auch den von jungen Spielern garantieren. Junge Spieler, die sich in der Ersten Liga für die Bundesliga einspielen sollen.
Recht still und heimlich hat die Liga im Winter beschlossen die Jugendbestimmungen abzuändern. Die Regelung, wonach mindestens vier U22-Spieler im Kader und einer davon in der Startelf stehen muss, wurde gekippt. Statt der jungen Österreicher sind nun drei zusätzliche Legionäre (aktuell dürfen nämlich nur drei auf den Spielbericht; eine Beschränkung, die für viele Griffe in den eigene Nachwuchs sorgte) erlaubt.
Und, geht es nach dem Liga-Aufsichtsrat Erwin Fuchs, soll auch die Verpflichtung 20 Profi-Spieler angestellt zu haben, fallen. 15 seien auch genug. "„Nach den ganzen zusätzlichen Belastungen in den letzten Jahren", sagt Fuchs, "muss man auch wieder den einen oder anderen Bereich aufweichen." Ein Schritt vor, zwei zurück - eine beliebte Methode.
Mit diesem unauffälligem Einschnitt (die - scheinbar neutral - als Gleichstellung mit der Bundesliga verkauft wird) führt die Erste Liga nicht nur den immer aufgeplustert nach außen getragenen Sinn ihrer Existenz ad absurdum, sie drängt die ohnehin klammen Vereine nachgerade dazu sich wieder mit mittelprächtigen und keineswegs jungen Legionären einzudecken (wir sprechen ja immerhin von einer Verdopplung) anstatt sich auf ihre ureigene Aufgabe, die Heranbildung des eigenen Nachwuchses, zu konzentrieren.
Die Regeländerung bedroht die Ausrichtung als Ausbildungsliga und entlarvt die entsprechenden Beteuerungen als reine Sonntagsrede.
Das ist ein ideologischer Rücksturz in die Untiefen der Kartnig/Hochstaffl-Ära.
Heute für gar nichts statt Heute für Morgen
Bemerkenswert ist die Ausrede, die Erste Liga-Vorsitzender Fuchs (unter Abnicken durch Bundesliga-Vorstand Ebenbauer) als Begründung angibt: "Viele Jugendspieler gehen schon früh ins Ausland, andere spielen gleich in der Bundesliga. Für unsere Klubs ist es schwierig, an junge Österreicher zu kommen".
Das ist schon wieder die längst widerlegte Mythos von zu früh ins Ausland" - und mir gehen gleich die Impfnarben auf vor lauter Ärger. Der Schmäh dass "das Ausland" (in rechtspopulistischen Zeiten ein sehr praktischer Sündenbock) den Vereinen der 2. Liga die jungen Akademie-Spieler wegnimmt, dass sie womöglich gleich in der Bundesliga beginnen, basiert auf einem Stille-Post-Bauchgefühl jenseits aller Fakten. Jedes Jahr werfen 12 Akademien einen ganzen Jahrgang auf den Markt, nur ein Bruchteil der Abgänger landet im Ausland oder in Bundesliga-Kadern.
Wahr ist vielmehr, dass selbstgefällige Managements, schlechte Trainer, kurzfristig denkende Vorsitzende/Präsidenten/Sponsoren sich dem mittelfristigen Aufbau einer Mannschaft entziehen wollen und das mit dem Schlagwort vom "Jugendwahn" rechtfertigen wollten. Am Aufbau beiden Kampagnen ist im übrigen der vormalige "Schirmherr" der Ersten Liga führend beteiligt.
Dass der Altersschnitt in der Ersten Liga (obwohl aktuell noch die alten Bestimmungen gelten) derzeit höher ist als in der auch nicht als besonders jugend-experimentierfreundlichen Bundesliga zeigt woher der Wind seit jeher geweht hat.
Hintergrund: Dauer-Versagen an den Schnittstellen
Sowohl die sportliche als auch die ökonomische Krise der Ersten Liga ist auf die seit Jahren ungelöste Krise an den beiden wichtigsten Schnittstellen (der von Amateur- zu Profi-Fußball, und der vom Jugend- in den Erwachsenen-Bereich, Stichworte: Ligaformat, Jugendförder-Maßnahmen) zurückzuführen.
Wie Michael Fiala auf 90minuten.at scharf analysiert, ist es inhaltlose Symbol- und Klientelpolitik ohne Zug zum lösungsorientierten Handeln, was sich in faulen Kompromissen wie dem Zurückrudern bei den Jugendbestimmungen äußert. Und fatale Folgen haben wird. Also alles ganz genauso wie in der aktuellen Landes- oder Bundespolitik der Republik.
Zuschauer-Stagnation trotz "attraktivster Liga aller Zeiten"
Im Vorjahr hatte sich der Abstieg aus der Ersten Liga rein sportlich entschieden - das war im letzten Jahrzehnts nur einmal passiert und führte zur bejubelten, aber irrigen Annahme, dass sich die präziseren und auch weniger lasch gehandhabten Lizenzierungsbedingungen und die Infrastruktur-Initiative (also die ökonomischen und baulichen Verhältnisse) zu einer Stabilisierung des österreichischen Fußballs geführt hatten.
In Kapfenberg steht man nach dem Tod eines Groß-Spenders was die Fortführung des Profibetriebs betrifft wohl vor dem Kollaps: wie die Gewerkschaftenthüllte zahlen die Spieler mittlerweile die Hälfte der Hotelkosten bei Auswärtsspielen - von der "normalen" Beteiligung an den Trainingslagerkosten gar nicht erst zu reden.
Ein Jahr später steht mit Austria Salzburg ein (insolventer) Absteiger schon fest, und mit Austria Klagenfurt, SC Wr. Neustadt und Kapfenberg bangen noch drei andere Vereine vor dem finanziellen Out. Dass es nach der Konsolidierung der durch die fahrlässigen Pleiten von Sturm, FC Tirol, GAK, LASK oder diversen Haider-Vereinen devastierten Spitze des Profisports "nur" noch die zweite Garde betrifft, zeigt, dass sich im Bauch des Fußballs weder auf Seiten der Lizenzgeber noch der Lizenznehmer praxisfähiger Realismus durchgesetzt hat.
Die zweite Leistungsstufe, also die Erste Liga, die am Freitag in ihre Frühjahrs-Saison startet, verliert sich wieder einmal in der "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel"-Kategorie. Sponsor- oder TV-Gelder spielen die durch den verpflichtenden Profi-Fußball entstehenden Kosten nicht ein. Und auch die Ausrufung der besten Hauptstadt-Liga aller Zeiten (sechs Landeshauptstädte und drei weitere für österreichische Verhältnisse große Agglomerationen sind heuer dabei) nutzte nichts: der erwartete Publikums-Schub blieb aus, die kalkulierten Mehreinnahmen verschlechtern die finanziell angespannte Lage zusätzlich.
Allein die Tatsache, dass neben dem lizenzlosen Fixabsteiger Austria Salzburg auch der zweite Absteiger (mit dem so gut wie punktelosen FAC) schon feststeht, lässt die restlichen Acht durchatmen und gut planen. Weshalb in der Winterpause auch nicht - wie sonst üblich - bei den hinteren Vereinen aufgerüstet wurde, sondern sich nur die drei Titelanwärter punktuell verstärkten.
Schnell zurück in die Vergangenheit statt Heute für Morgen
Es ist kein Zufall dass die Top 5 der Aufstiegsberechtigten aus ihrer jeweiligen Akademie schöpfen können. genauso wie es kein Zufall ist, dass auch in der Bundesliga die Teams ohne bzw mit schlecht installierter Akademie die beiden letzten Ränge einnehmen.
Ohne Jugendarbeit geht eben gar nichts in den beiden österreichischen Profiligen, zwei klassischen Ausbildungsligen. Wenn sich nun die zweite selber ihre Basis entzieht, die entsprechenden Standards lockert und "schnell in Richtung Vergangenheit!" ins GPS eingibt, wird die Kluft zwischen den Vereinen mit Akademiezugang und den ungespeisten Newcomern so groß werden, dass über kurz oder lang nur noch 15, 16 lebensfähige Profi-Clubs übrigbleiben.
Man könnte fast meinen, dass die aktuellen Entscheidungen mit einem entsprechenden Hintergedanken (der dann zu einer geschlossenen Liga ohne Auf/Abstieg nach US-Vorbild führen wird) geschehen sind.