Erstellt am: 24. 2. 2016 - 15:44 Uhr
Nick Caves "Sick Bag Song"
2014 ist Nick Cave mit den Bad Seeds durch Amerika getourt um sein bislang erfolgreichstes Album "Push The Sky Away" live vorzustellen. Das Tourleben ist für Cave einem Leben im Gefängnis nicht unähnlich. Jemand sagt dir wann du aufzustehen, zu essen und zu arbeiten hast. Die Momente außerhalb dieser reglementierten Zeiten sind die spannenden. "Your mind wanders and that allows for a kind of free-thinking, if you like." meinte Cave in einem Guardian - Interview anlässlich des Erscheinens seines Buches "The Sick Bag Song"
Ondrusova
Zuerst nur im Internet über sickbagsong.co.uk erhältlich, ist das Buch nun in einer zweisprachigen Ausgabe erschienen. Deutscher Titel: Das Spucktütenlied. Der Titel bezieht sich auf die kleinen Sackerl, die dem reisenden Cave als Notizzettel gedient haben: Gedanken, Dialogfetzen, Monologe, Träume, Listen, Ideen für einen Song von dem er erkennen musste, dass es kein Song wird, sondern ein ganzer Gedichtband. Wenn man schon das "Collected Nick Cave Lyrics"-Buch nicht als Gedichtband versteht, dann ist "Sick Bag Song" nun also seine erste Gedichte-Veröffentlichung in Buchformat.
Und ein sehr ungewöhnliches Buch noch dazu.
Alles, was das Bücherregal begehrt:
- Caves erster Roman „Und die Eselin sah den Engel“ (deutsche Übersetzung von Werner Schmitz) ist 1989 erschienen, empfehlenswert ist die 2001 überarbeitete und eine Spur mehr „lesbare“ Ausgabe.
- Death Of Bunny Monroe (2009)
- Auch in Zeiten von lyrics-websites ein Muss: "The Complete Lyrics (1978-2013)"
- Vielleicht nerdig aber ebenfalls interessant und unterhaltsam: "Sinner Saint: The True Confessions. 30 Years Of Essential Interviews"
- The Sick Bag Song - Die zweisprachige Ausgabe ist in einer Übersetzung aus dem Englischen von Eike Schönfeld bei Kiepenheuer&Witsch erschienen
Ondrusova
Wer einen Merch-Artikel von Cave daheim hat oder die Lyrics-Videos zu Push The Sky Away gesehen hat, erkennt die Handschrift Caves oder den Datum-Stempel auf den "sick bags".
Der akribische Songschreiber, stempelt seine Songtexte nämlich nach Tag ab. Im Buch sieht man jetzt die Entwicklung seiner Texte. Die Kapitel beginnen mit man einem Abdruck der im Flieger bekritzelten Speibsackerl und dann folgt der umgearbeitete Text. Die Chronologische Reihung ergibt sich durch eine vorangestellte Landkarte, die die Tourstops zeigt an denen Caves Texte entstanden sind.
Ondrusova
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Es sind oftmals Gedichte über die Einsamkeit. Gerichtet an seine Frau, die am Telefon nicht zu erreichen ist. Es geht um Sehnsucht und die dazugehörige Verzweiflung.
Man liest auch, wie sich Cave im Hotel-Badezimmer die Haare färbt. Es gibt Anekdoten über Musiker-Bekanntschaften: Johnny Cash, Bob Dylan oder Bryan Ferry zum Beispiel.
Im Buch vermischt sich Fiktion mit Wahrheit. Es ist genau diese Mischung, die die Texte und das Lesen - nämlich auch das Querlesen! - dieser Gedichte und ihrer Geschichten so spannend macht. Auf der einen Seite glaubt man, man liest ein Tour-Tagebuch oder Nick Caves Memoiren und auf der nächsten wird man in eine ganz andere Richtung gelenkt: wird in die Cave´sche Poesie-Welt geführt, in der Logik keine Rolle spielt. Da sind auch Drachen zuhause. Power of poetry eben.
Wer lieber schaut, statt Bücher zu lesen: Iain Forsyth und Jane Pollard - die beiden Künstler hinter dem Film "20.000 Days On Earth" - haben für "The Sick Bag Song" kurze Filme gedreht, die man sich hier anschauen kann.