Erstellt am: 25. 2. 2016 - 14:21 Uhr
SVIIB - Das letzte Kapitel
Rauschen. Stille. Die Pausen werden länger. Manchmal ist die Traurigkeit aus Alejandra "Alley" Dehezas Stimme herauszuhören, die etwas brüchig wird, wenn sie über Gitarristen und Musikproduzenten Benjamin Curtis spricht. Sie sind zusammen durch so viele Höhen und Tiefen gegangen. Jetzt, mehr als zwei Jahre nach Benjamins Tod, schließt Alley das letzte Kapitel von Schools Of Seven Bells endgültig ab.
School Of Seven Bells
Vom Trio zum Duo
Als das Debüt "Alpinism" 2008 erscheint, sind School Of Seven Bells die Zwillingsgeschwister Claudia und Alejandria Deheza, die mit Benjamin Cutris, Gitarrist der Secret Machines, aus ihrem kleinen Homestudio in Brooklyn den großen, verwaschenen Indie-Shoegaze-Sound herausgezaubert haben. Als Claudia nach dem Folgealbum "Disconnect From Desire" aussteigt, sind es fortan Alley und Benjamin, die das musikalische Projekt vorantreiben.
Zwischen musikalischer Freundschaft und romantischer Liebesbeziehung entwickeln die beiden eine wundervolle Noise-Pop-Nummer nach der anderen und präsentieren ihren Großleinwand-Sound mit anderen Musikerinnen auf der Bühne.
Als die beiden im Sommer 2012 am vierten Studioalbum "SVIIB" arbeiten, ist es die perfekteste und glücklichste Zeit für das Duo. Sie haben ihre persönliche Geschichte geklärt und eine Seelenverwandtschaft entwickelt, musikalisch brodelt es an innovativen Inspirationen. Selbst wenn Alley manchmal verunsichert ist und nicht weiß, in welche Richtung der Song gehen soll, bestärkt sie Benjamin darin, ihrem Bauchgefühl zu vertrauen und ihrem Impuls und ihrer Intuition zu folgen. So entsteht auch die Single "Open Your Eyes", eine für School Of Seven Bells sehr zuckrige Popnummer.
Vom Krankenbett in die Wüste
Als nicht mal ein Jahr später Benjamin an einer seltenen Form des Leukämie erkrankt, arbeiten die beiden fieberhaft an den Songs weiter. Als sich Benjamins Gesundheitszustand dramatisch verschlechtert, produziert er vom Krankenbett aus als letzte Nummer noch das Joey Ramone Cover "I Got Knocked Down (But I'll Get Up)" fertig. Es ist eine siebenminütige, krachige, treibende und energiegeladene Version geworden, die das Leben zelebriert.
Am 29. Dezember 2013 stirbt Benjamin an den Folgen seiner Krankheit. Zu schwierig, zu viel Trauer und zu viel Wut haben es Alley unmöglich gemacht, sich in Brooklyn an die unfertigen Songs von "SVIIB" zu setzen. erst der Videodreh zu "I Got Knockd Down (But I'll Get Up)" ist der Befreiungsschlag. In der kalifornischen Wüste hat Alley ein Stück weit ihren Frieden wiedergefunden und sich mit Justin Meldal-Johnson (Produzent von Beck, Nine Inch Nails und M83) in seinem Studio in Los Angeles daran gemacht, das vierte Werk zu vollenden.
School Of Seven Bells
Dabei war der spirit von Benjamin immer gegenwärtig. Alley und Justin wussten recht genau, wie Benjamins Version des Albums klingt. In vielen Gesprächen und Diskussionen haben sie in nur zweieinhalb Monaten alle neun Songs ausproduziert. Dabei erstrahlt "SVIIB" in vollem Popglanz. Es flirren die Gitarren durch den verhallten Raum, die Synthesizer und die treibenden Beats werden zu einem dichten Klangteppich verwoben, über dem engelsgleich die zarten Stimmen von Alley schweben.
Vom Kosmos in die Herzen
"SVIIB" ist eine einzige, große Liebeserklärung von Alley an Benjamin und ihre Beziehung. Die Songs beschreiben die unterschiedlichen Phasen ihrer Beziehung, von der zarten, beginnenden Freundschaft, über die fünfjährige Liebesbeziehung bis hin zu ihrer tiefen Verbundenheit. Der Opener "Ablaze" ist ein unmissverständliches Liebeslied, das mit seinem Breitwandsound, dem stampfenden Rhythmus und den druckvollen Gitarrenwänden von Alleys Verliebtheit erzählt.
You were the drug to bring me out from a crushing sleep / You told me all you saw was diamonds / You told me that til I believed
(School Of Seven Bells - "Ablaze")
Eines der Highlights der Platte ist "A Thousand Times More", das mit schnarrender Bassgitarre und speedigen Elektro-Beats beginnt und sich zu einer melancholisch-sehnsüchtigen Hymne entwickelt, die Alley für Benjamin geschrieben hat, um ihm über sein damals gebrochenes Herz hinwegzuhelfen. Auch das recht eigenwillige "Signals", in dem Aelly und Benjamin ihrer jugendlichen Liebe für freestyle music freien Lauf lassen, ist voll von Zeilen der augenöffnenden Liebe.
Until I have you / Until I've felt your hands on my skin / I've felt nothing
(School Of Seven Bells - "Signals")
Clarke Tolton (left) / Justin Hollar (right)
Das Album "SVIIB" versprüht eine Lebensfreude und Energie, die man sich mit dieser tragischen Entstehungsgeschichte nicht erwarten würde.
Einzig die reduzierte, sphärische und traurige Ballade "Confusion", die ganz ohne Beats auskommt, haben die beiden nach Benjamins Diagnose geschrieben. Alle anderen Stücke sind in einer Zeit der Euphorie und der inneren Freiheit entstanden, was sich unweigerlich in den Songs widerspiegelt. Dass all die Texte in dieser Phase vor Benjamins Tod entstanden sind, sich im Nachhinein mit der wundervollem Musik zu einem großen, berührenden Vermächtnis wie ein Puzzle zusammensetzen, dafür hat Alley keine wirkliche Erklärung. Außer dass das Duo auf einer Art kosmischen Ebene unterwegs gewesen sein muss. Für Alley ist der Zugriff auf die inspirative Quelle des Schreiben und Musikmachens sowieso nicht über das Denken zugänglich. Insofern ist hier eine Kraft im Spiel gewesen, die über den intellektuellen Verstand hinausgeht. Und das war für Alley eindeutig die universelle Kraft der Liebe.
Our time is indestructible
(School Of Seven Bells - "This Is Our Time")