Erstellt am: 23. 2. 2016 - 16:06 Uhr
Beyond This Place
Jade Tomlinson und Kev James gastieren seit vier Monaten als Artists in Residence beim Wiener Designstudio und Coworking-Space adhocPAD. In Vorbereitung für seine ungewöhnliche Ausstellung hat das Duo „Expanded Eye“ sich intensiv mit der Situation von Flüchtlingen auseinandergesetzt, selbst Flüchtlingsunterkünfte besucht und mit den Schutzsuchenden geredet. Was daraus geworden ist, kann man noch bis Samstag, 27. Februar bei der Ausstellung "Beyond This Place" in Wien Penzing sehen.
expanded eye
Die größte Installation reicht über die ganze Wand eines Ausstellungsraumes - eine Mischung aus Skulptur und Wandmalerei. Alte Holzstücke, ein zerrissener Reisekoffer, Fensterrahmen und Glasscheiben. Dahinter sehe ich auf die Wand gemalte Wellen, sie aber stellen gleichzeitig das verbundene Haar zweier Frauengesichter dar, weinend am jeweils linken und rechten Rand der Installationen. „Das Überqueren des Meeres war für die Flüchtlinge der schrecklichste Teil ihrer Reise“, sagt Jade Tomlinson. „Viele haben Familienmitglieder verloren.“ Die Teile für das Kunstwerk hätten sie und Kev in den letzten Monaten während ihres Aufenthalts in Wien gesammelt. Manchmal seien sie dafür um vier Uhr Früh auf Sperrmüllhalden und in Abrisshäusern umhergestreift.
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Ein anderes, kleineres Werk sieht auf den ersten Blick wie eine Wanduhr aus. Bei näherem Hinsehen entdeckt man, dass es eigentlich ein kleines Holzhaus ist. Und ein Gesicht. Und ein Baum. Kev James sagt: "Es geht um die Entwurzelung von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen." All die kleinen Holzstücke, aus denen die Skulptur besteht, wurden unbearbeitet verwendet und zusammengesetzt, so wie Flüchtlinge die zebrochenen Teile ihres Lebens aufsammeln und irgendwie wieder zusammenbauen müssten.
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Jade Tomlinson sagt, sie liebe es, aus altem Sperrmüll und weggeworfenen Gegenständen etwas Schönes zu erschaffen - die Schönheit dort zu sehen, wo es andere vielleicht nicht können. Das gilt auch für das Werk "Bearers Of The Burden", das auf den ersten Blick cool und seltsam wirkt und bei längerer Betrachtung viele Details offenbart: Im Fenster die alte Karte von Syrien und der Türkei. Eine Hand, die Tränen aus dem Gesicht im oberen Teil des Bildes auffängt. Ein Foto wird der Wirkung des Kunstwerks kaum gerecht.
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Als Journalist habe ich in den letzten Monaten erschütternde Geschichten von Flüchtlingen gehört. Ich frage die Künstlerin, wie sie mit dem Schrecken, von dem Schutzsuchende den Künstlern wochenlang erzählt haben, umgeht. Jade sagt: "Natürlich ist es hart, diese Geschichten zu verdauen. Wir wollten diese Ausstellung auf sensible Weise angehen, nicht durch die harte Darstellung der furchtbaren Dinge, die den Flüchtlingen geschehen. Wenn Menschen ständig schreckliche Bilder und Nachrichten sehen, schalten viele von ihnen ab, es entsteht Apathie. Wenn Menschen Kunst sehen, löst sie oft Empathie aus, und das wollten wir mit diesen Arbeiten erreichen."
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Die Ausstellung bietet neben den beeindruckenden Installationen und Wandskulpturen auch Linolschnitte und gemalte Bilder – letztere teils auf ungewöhnlichen Materialen wie etwa einem Koffer oder den Umschlägen alter Bücher. Das gibt den Bildern eine merkwürdige und faszinierende Wirkung. Jade Tomlinson und Kev James sind außerdem auch als Tattoo-Künstler bekannt und bieten mitunter auch das ihren Besuchern an. Geöffnet ist „Beyond this Place“ noch bis Samstag bei adhocPAD in Wien Penzing.