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Susi Ondrušová

Preview / Review

23. 2. 2016 - 12:08

Euphorie und Trauma

Die Post-Bataclan-Tour der Eagles of Death Metal und der erste Auftritt der White Miles im Gasometer.

Sie habe es nicht glauben können, erzählt Medina, Sängerin des Tiroler Duos White Miles, als ich sie auf das letzte Interview von Jesse Hughes anspreche, der hier gemeint hat: "Until nobody has guns, everybody has to have them!"

Ondrusova

White Miles

Den Gedanken, wie es wäre, würde plötzlich jeder eine Waffe tragen, schiebe ich zur Seite. Unvorstellbar die Trauma-Aufarbeitung von Jesse und Co., die nur drei Monate nach den Anschlägen in Paris, bei denen 130 Menschen ums Leben kamen, ein Großteil davon in der Venue während des Konzerts der Eagles of Death Metal, ihre abgebrochene Tour nachholen.

Sie seien keine politische Band, meinen Lofi und Medina, die beiden Musiker der White Miles. Sie sprudeln vor Freude, als sie über die Entstehung der neuen Songs sprechen, darüber, ihren Sound nach fünf Jahren gefunden zu haben. Welch gute Erfahrung es ist, mit Bands wie Courtney Love oder den Eagles of Death Metal touren zu können. Ich bitte sie, die Qualitäten des jeweils anderen Bandmitglieds zusammenzufassen und es fallen nicht gerade wenige Superlative. Religion und Politik hat in ihren Songs nichts verloren, sie sind keine tagespolitischen Sprecher. Sie lieben Musik und die Energie bei Livekonzerten.

7 Tage FM4

Die Konzertreview in der FM4 Morning Show kann man sich hier anhören.

"Das, was dir die Leut' geben, gibst du zurück. Es ist ein Miteinander. Es ist schwer in Worte zu fassen. Es ist das schönste Gefühl ever. Ich will mein Leben lang live spielen", meint Medina, und Drummer Lofi ergänzt: "Der gesamte Raum, in dem man sich befindet, auf der Bühne und im Publikumsbereich, ist voll mit Energie! Das spürt jeder, und deswegen geht man auf Konzerte. Weil die ganze Stimmung um einen herum, mit den anderen Leuten, die das dann mit einem teilen - man will das einfach mitkriegen und erleben!"

Während des 30-minütigen Supportgigs, ihres ersten Auftritts im Wiener Gasometer, bringt es die Gitarristin auch nochmal vor dem Publikum auf den Punkt: "Ihr seid da, weil ihr eine geile Zeit haben wollt und Leute kennenlernen wollt. Tut's das immer. Das ist das Schönste!"

Der Saal füllt sich. Man sieht einen gestrengen Security mit EoDM-Pass durch die Menge gehen. Er schaut. Das Konzert über wird er seinen Kopf durch den Seitenvorhang auf der Bühne gestreckt halten - und schauen.

In den Nachrichten erfahre ich, dass ein Besucher aus Solidarität auf das Konzert gekommen ist. Auf orf.at lese ich, dass man beruhigt sei über die Sicherheitskontrollen. Ich frage mich, ob Jesse Hughes' More-guns-Plädoyer eine Zeit anspricht, in der man an der Garderobe nicht Regenschirme und Jacken abgeben wird, sondern Waffen. Ich schiebe auch den Gedanken zur Seite.

Eagles of Death Metal

Franz Reiterer

Die Bühne wird umrandet von zwei Uncle Sams und den Worten "I Only Want You". Vielleicht wäre der Witz mit einem "I want you so hard" zu retten gewesen, in Anlehnung an einen zweiten Song, in dem die Band ihr Publikum begehrt. Im Kontext dieser öffentlichen Trauma-Aufarbeitung klingt dieses Zitat, das wohl als eine gemeinschaftliche "We're in this together"-Botschaft gedacht ist, aber mehr wie eine Drohung.

Die Band betritt zu Falcos "Rock Me Amadeus" den Saal, was euphorisch gefeiert wird. Es wird mitgesungen. Die Band nimmt sich Zeit, die Fans in der ersten Reihe zu begrüßen. Zwischen den Songs wird der tosende Applaus genossen, man erfüllt Songwünsche und spielt auf Zuruf zum Beispiel "Brown Sugar" der Rolling Stones. Jesse Hughes verkündet, mit seiner Freundin Tuesday verlobt zu sein. Er spricht über eine bevorstehende Operation an der Hand. Mit Konzertnachbarin D. schau ich mir die "Gitarrenkralle" genauer an.

Jesse "The Devil" Hughes und sein Bandkollege Dave Catching bemühen sich, das Gitarrenalphabet aus der Hölle vorzuspielen. An Gitarrensoli mangelt es an diesem Abend nicht. Es sind solche, die Konzertgenossen F. dazu verleiten, an "ein Treffen der zukünftigen Harley-Davidson-Fahrer" zu denken. Und K. wohl dazu bewegen, mit den Worten "Wellensittich of Dosen-Metal" einen Satz zu bilden.

Sie bezeichnen ihr Publikum als Rock'n'Roll animal: "I can see things are going to get wild. The reason I'm saying this is I stay horny and I'm able to see it!"

Der "Charme und Selbstwitz", den man an der Band vielleicht noch beim letzten Nova Rock Festival lieben gelernt hat, bekommt an diesem Abend etwas surreal Bemühtes und Gezwungenes. Man ist hin- und hergerissen zwischen "Spielen sie, weil sie müssen?" oder "weil sie wollen?"

"What we got right here can never be fucked with", predigt Hughes mit dem Finger aufs Publikum gerichtet. Rocking & rolling oder rocking & fooling? Eines dieser Rock'n'Roll animals hat den Saal jedenfalls vorzeitig verlassen.

Ich lese, dass C. schreibt, "Gewinner des heutigen Abends: Die Gitarristin/Sängerin der White Miles, die mit roher Energie dem alten Rock'n'Roll neues Leben einhaucht! Und die herrlich frühlingshafte Luft am Heimweg vom Gasometer." Das kann ich unterschreiben. Für alles andere bin ich noch nicht bereit.