Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Friday Edition, 19-02-16."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 2. 2016 - 15:22

The daily Blumenau. Friday Edition, 19-02-16.

Nicht an der Herstellung eines medienpolitischen Diskurses scheitern müssen. Eine exemplarische Untersuchung samt Vorschlag zur Überwindung der Stagnation.

#medienpolitik #selfie

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.

Das ist Teil 2 einer hier am Dienstag begonnenen medienkritischen Geschichte.

Medienpolitische Themen finden selbst im Echoraum des österreichischen Medienjournalismus kein Gehör. Nach dem praktischen Beleg für das Versagen dienstags in Teil 1 und den impliziten Bestätigungen in den darauffolgenden Reaktionen folgen heute Ideen wie ein turnaround zu schaffen wäre.

Der Treppenwitz rund um die Beschäftigung mit der Substanz

Es begann mit einem Text von Dienstag: Unter dem Titel Nicht nicht medienpolitisch agieren können habe ich eine Analyse der medialen Rezeption eines ambitionierten, am Donnerstag davor veröffentlichten medienpolitischen Konzepts der Neos versucht. Mit der Erkenntnis, dass die Pressekonferenz von den Medienjournalisten dazu genutzt wurde, aktuelle tagespolitische Fragen zu stellen, dass sich aber (bis auf die Wiener Zeitung) in der Folge niemand mit der Substanz des Papiers beschäftigte.

Meine Reaktion, die das Konzept deshalb vorrangig auf der Meta-Ebene analysierte, weil die dort vorhandenen Grundthesen in den vielen Journal/daily-Texten zu Medienthemen schon so oft an/ausgesprochen wurden wie das Amen im Gebet, war dann eine von genau zwei Rezeptionen, die das Papier als das aufnahmen, als was es ausgesandt wurde: als Diskurs-Anstoßer, als Debatten-Beitrag; der sinnvollerweise in den Medien weitergespielt werden müsste. Und es waren just Beiträge in den beiden Medien, die die Neos gerne filetiert/privatisiert sehen würden.

Dieser Treppenwitz zeigt in aller wenig verschämten Offenheit die ganze Problematik österreichischer Medienpolitik und österreichischen Medienjournalismus: hierzulande reguliert der Markt (der Neos bester Freund) gar nix. Schon gar keine Medienvielfalt, schon gar keinen demokratiepolitisch dringend benötigten Pluralismus.

Die neue Sau im Dorf und die alte medienpolitische Agenda

Apropos Agenda; um da die eigene offenzulegen: Ich kann Medienkritik auch hausintern betreiben (was viele eh nicht gerne sehen und mir immer wieder den Nestbeschmutzer-Vorwurf einbringt), stoße aber immer wieder, logisch, an Grenzen, dort, wo die Beschädigung des eigenen Hauses schwerer wiegt als der Drang etwas anmerken zu müssen. So geht es allen in allen Medien; das ist nicht objektivierbar.
Und klar wünsche ich mir, dass das fertig in der Schublade liegende und zweifach auspilotierte Medien-Magazin-Projekt des Kollegen Kappacher nach vielen Vorsätzen und Versprechungen endlich on Air kommt.
Es ist das ungute Erbe einer jahrzehntealten, informellen Vereinbarung zwischen ORF- und Verlegerspitze (dass es kein solches Magazin geben soll) und als politischer Spielball, dessen Tonalität die Beschäftigung mit Medienthemen innerhalb des ORF heute noch dominiert. Und auch weil es anderswo im Land kaum entsprechende Beispielgeber gibt, existiert kein Druck.

In der Folge bewahrheitete sich dann ein Satz aus meinem Text nicht nur bezogen auf die inexistente Beschäftigung mit dem Neos-Grundsatz-Programm (das man nicht mögen oder teilen muss, das aber so direkt ans Eingemachte geht, dass jede Nicht-Beschäftigung sich als bewusste Diskurs-Flucht entlarvt), sondern auch bezogen auf die brancheninternen Reaktionen auf ihn (den Text) selber. Ich hatte beabsichtigt durch die gezielte Hervorhebung der Diskurs-Verweigerung zumindest einzelne Vertreter zu einer Debatte anzuspornen. Passiert ist aber folgendes: "... es wird bestenfalls ein Schwachpunkt herausgepickt, um eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, ein paar Tage aufgeregt zu sein und den Diskurs damit auch schon wieder zu töten." Wobei der Schwachpunkt gar keiner ist. Die Ansage, dass der heimische Medienjournalismus (bis auf handverlesene Ausnahmen) agendagetrieben ist und vorgegebenen Richtlinien folgen muss, ist wissenschaftlich untersucht ...

... und die entsprechende Praxis auch jedem bekannt, der Augen und Ohren offenhält.

Medienseiten dienen der medienpolitischen Agenda ihrer Herausgeber. Und da gerade in Österreich alles mit allem zusammenhängt und jeder Player überall (machtpolitische) Interessen hält, erfüllt der Medienjournalismus oft nicht mehr als die Funktion des Hofhundes, der bellt, wenn ein böser Fremder vorbeigeht. So wie es prototypisch auch die TV-Sendung 'Schwarz auf Weiß' im ORF vorführte.

In der Praxis funktioniert das so, als würden Rapid oder die Austria in ihren Kanälen über Fußball berichten: Da kommt das Eigene und die interessensvertretende Umgebung immer gut weg, der Andere, der Konkurrent, der einem womöglich die Sponsoren (=Werbung) abgräbt, hingegen eher weniger. Das führt dazu, dass oft der Sack geschlagen und der Esel gemeint wird. Davon kann selbst FM4 immer wieder (schiache) Lieder singen.

Und wenn einmal (versehentlich?) auf einer Medienseite eine Einzel-Position eines feindseligen Mediums wertfrei dargestellt wird, dann springen unter Garantie die anderen Medienseiten der jeweiligen Kohorte auf, um die klassische Sichtweise sicherzustellen und die Fronten des Grabenkampfes wieder zurechtzupositionieren.

Nach der Praxisanalyse kommt die Nestbeschmutzer-Keule

Nun hat meine (anhand eines praktischen und höchst beweiskräftigen Beispiels) ausgeführte Praxis-Analyse des heimischen Medienjournalismus (der vor allem im Vergleich zum deutschsprachigen, wo sowohl Fernsehen - mit der exemplarischen Sendung Zapp als auch im Printbereich bei Leitmedien wie der FAZ, der Süddeutschen oder der NZZ, allesamt wichtige und druckvolle Diskurs-Peitschen, ohnehin nicht mithalten kann) durchaus unerwartete Reaktionen gezeitigt.

Mein Vorwurf der bewussten Diskurs-Verhinderung richtete sich im Text zum einen an die politischen Kräfte, zum zweiten an die Verlegerschaft, die Medienjournalismus gern als Hausmitteilung und Agenda-Setzer für diverse Eigeninteressen missbrauchen, und erst in dritter Linie an die Journalisten selber, die im dienstäglichen Text eher als Opfer einer medialen Unkultur vorkommen.

Interessanterweise ist das Bewusstsein dafür gering. Im Gegenteil: kaum einer, der sich als Medienjournalist empfindet, hielt es für notwendig sich inhaltlich auseinanderzusetzen - stattdessen kamen wieder die Nestbeschmutzer-Vorwürfe. Meine konkreten Adressaten wurden ausgeblendet und durch "von bösen Kräften gesteuerte Medien-Ressorts", die so inexistent wären wie Chemtrails, ersetzt. Und ich erfuhr von den gebündelten Bemühungen österreichischer Medienjournalisten, die sich seit Jahrzehnten damit abmühen einen Ansatz von medienpolitischem Diskurs herzustellen und zu erhalten.

Ein medienpolitischer Diskurs findet nicht statt. Auch und vor allem nicht in den Medien.

Das ist deswegen neu, weil die Erfolge dieser Bemühungen in eine hohle Kinderhand passen: Es existiert innerhalb der Medien selber kein Diskurs. Wäre dem so, wäre das Neos-Papier auf entsprechenden fruchtbaren Boden gefallen und hätte eine bestehende Debatte vorangetrieben. Was nicht besteht, kann aber nicht austreiben, weder im Garten noch in der Politik und schon gar nicht in den Medien.

Und es ist deshalb hoch an der Zeit die Gründe für dieses Nicht-Gelingen zu untersuchen. Und die werden ja nicht ausschließlich in der bräsigen Schleißigkeit einer Branche von großteils anständigen Menschen liegen, sondern strukturell begründet sein. Das Thema ist interessant und vielfältig, zukunftsträchtig und auch für das Überleben der Branche bedeutsam. Beim deutschen Nachbarn glänzen jeden Tag neue Perlen des Medienjournalismus, auch weil dort nicht ein Grundgefühl des "Besser-unterm-Radar-Fliegen" herrscht, der Branchenblatt-Markt nicht von Selbstdarstellern verstellt und die medienpolitischen Vorgaben sich auch nicht in der Botschaft, dass die Beibehaltung eines Status Quo doch für alle das Beste wäre, erschöpfen.

Denn: Selbst gegen den Willen und die Leitlinien der Herausgeber und der Agenda-Setzer (die sich ihre großen Stoßrichtungen dann nicht durch eine in alle Richtungen offene Berichterstattung im eigenen Haus kaputtmachen lassen wollen) und selbst im Bewusstsein der Tatsache, dass kein Medienjournalist jemals objektiv sein kann, ist ein Diskurs möglich.

Was braucht es, um eine dynamische Debatte in Gang zu setzen?

Erste Voraussetzung: die Anerkennung der eigenen Subjektivität, der eigenen Parteistellung, der immer existenten Schere im Kopf, der Vorrangstellung der eigenen Hauspolitik. Also Ehrlichkeit dem eigenen Zustand gegenüber. Denn: Erst die Haltung, dass man die Weisheit für sich allein gepachtet hat, macht einen diskursunfähig.

Insofern ist das Neos-Papier, das trotz sehr konkreter Vorstöße und Ideen immer Luft für Input von außen spüren lässt, durchaus ein formales Vorbild. Umso mehr ist es schade, dass sich nicht mehr als zwei Medienjournalisten öffentlich damit beschäftigt haben.

Zweite Voraussetzung: auch Themen angehen, die die eigene Position hinterfragen und einem wehtun können. Ich hätte getrost auf die mir altbekannte Macht des Faktischen vertrauen und damit spekulieren können, dass das Neos-Papier (das nicht nur den ORF filetieren will, sondern auch FM4 im besten Fall paternalistisch behandelt - und strukturell völlig falsch einschätzt, aber das ist eine andere Geschichte...) den Weg aller Papiere geht und ungelesen in den Rundablagen verschwindet. Obwohl damit auch viele andere, selten öffentlich so präzis ausformulierte Analyse-Bausteine zur Mediensituation verloren gegangen wären. Die (meine) Abwägung fiel eindeutig aus; und ich traue einer Mehrzahl der Medienjournalisten ähnliche Risikonahme zu. Und: Wer sich zum Beteiligten erklärt hat, kann die Gründe für seine Kritik auch substanzieller erklären.

Es geht auch um die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit

Aber auch selbst wenn man sich entschließt das eigene Medium (oder vielleicht sogar die ganze Gattung) wegen Befangenheit auszuschließen, lässt sich die eigene Agenda in einem Nebensätzchen darstellen. Und liefert so auch dem User/Leser/Hörer/Seher wichtige Anhaltspunkte für eine Einschätzung; gerade in Zeiten der Notwendigkeit die Glaubwürdigkeit der Medien (Stichwort: Lügenpresse) wiederherzustellen. Es geht darum zumindest einen Annäherungswert zu erreichen.

Dritter Schritt: Wenn sich eine kritische Masse an Medienjournalisten in allen Bereichen diesem selbstkritischen und innerhausreflektierten Denken stellt und den Ansatz einer interessensgetriebenen Agenda vermeidet, wird sich ein Diskurs-Ringerl einstellen können. An dem man gerne teilnehmen wird, weil es ja nicht um Sack/Esel-Spiele oder Blutrache-Rituale, sondern um die Sache geht.

Die Sache heißt Medien. Und Medien sind die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Journalisten, vor allem der Medienjournalisten. Höchste Zeit sich zu stellen.