Erstellt am: 18. 2. 2016 - 12:07 Uhr
Ebbe und Flut
Jack Tatum hat was zu beweisen. Das Mastermind hinter Wild Nothing, das seit 2010 bereits drei EPs und zwei Alben veröffentlicht hat, will mit seiner neuen Platte alles richtig machen. "Life of Pause", das Leben auf Pause, beschreibt das Wandeln zwischen zwei Welten, in denen sich Tatum spätestens seit dem Release seines umjubelten zweiten Albums "Nocturne" befindet: Die Welt des Musikers auf Tournee, des weltreisenden Performers einerseits und die des einfachen Menschen Jack andererseits. Des normalen New Yorkers mit Freundin und alltäglichen Problemen. Und irgendwie, irgendwann, war es nicht mehr möglich beide dieser Leben zur selben Zeit zu führen - eines davon musste immer pausiert werden.
Shawn Brackbill
Dieses Wandeln zwischen zwei Welten beschränkt sich nicht mehr nur auf Jacks private Umstände, sondern wird auch musikalisch auf "Life of Pause" thematisiert: "Ursprünglich war mein Ziel, als ich angefangen habe das Album zu schreiben, dass das organischer klingen sollte", sagt Tatum. "Nach 'Nocturne' fühlte ich mich so als ob sich das alles zwar sehr soft, aber doch auch mechanisch angefühlt hat. Sehr starr auf eine absichtliche Art und Weise. Das neue Album sollte sich aber natürlicher anfühlen. Ich wollte eine Ebbe und Flut darin haben, die der andere Release eben nicht hatte." Echte Menschen, die mit ihren echten Händen echte Musik gemacht haben, das war die Grundintention hinter der Produktion der Platte.
Eine Absicht, die sich auch am Cover von "Life of Pause" bemerkbar macht. Zum ersten Mal ist darauf nämlich auch der echte Mensch hinter dem Projekt Wild Nothing, Jack Tatum zu sehen. Und das nicht nur als stille Fotografie: Als erster Teaser zum Release wurde mit dem Video zu den Tracks "To Know You" und "TV Queen" das Albumcover von "Life of Pause" in Videoform inszeniert - unter dem Namen "The Living Album Art of Life of Pause".
Der Wille zur Perfektion und die Anstrengung hinter "Life of Pause" lässt sich beim Anhören des Albums auch kaum ignorieren: Schon auf "Reichpop", dem überwältigenden ersten Track der Platte versinkt man in Layern der Instrumentalisierung und der hypnotischen Repetition. "I am the only one to bring you home tonight. I lift you up, define you", singt Jack über Wellen der sich wiederholenden Drumloops. Das ist Musik zum Zurücklehnen und Entspannen, obwohl sie so vollgestopft ist mit Ideen, mit kleinen Experimenten und großen Ambitionen.
Auch wenn Jack ursprünglich aus dem kleinen Blacksburg, Virginia kommt, ist Wild Nothing untrennbar mit New York verknüpft. Nicht zuletzt weil die Stadt auch die Heimat des Labels hinter Wild Nothing ist, dem in Brooklyn stationierten Captured Tracks. Und die veröffentlichen nicht nur die Musik von Wild Nothing, sondern auch die von einigen seiner typischen Zeitgenossen: Mac DeMarco, DIIV und Widowspeak beispielsweise. Produziert wurde "Life of Pause" aber nicht im familiären New York, sondern in gleich zwei Locations: Los Angeles und Stockholm: "Mein Produzent hatte Verbindungen nach Stockholm, deswegen haben wir uns einfach entschieden, dort aufzunehmen", erklärt Tatum den Grund für die Auswahl der Locations. "Wir hatten ein gutes Studio und John Eriksson von Peter Bjorn and John wollte dort Drums für die Platte einspielen. Ich war schon immer ein bisschen vernarrt in Schweden und Skandinavien, also musste ich nicht lang nachdenken, als sich die Möglichkeit angeboten hat."
Das warme Kalifornien im Sommer, das kalte Schweden im Winter: Eine Gegensätzlichkeit, die auch ihre Spuren am Sound von "Life of Pause" hinterlassen hat. Denn trotz seiner souligen Wärme ist die Platte kein reines Sommer-Album zum Cocktailtrinken, sondern behält sich selbst durchgehend eine gewisse Kühle vor, besonders schön zur Geltung gebracht im Track "Adore", in dem Jack mit verwaschener Akustikgitarre und hallender Stimme über seine Frustrationen lamentiert: "I can see the end in sight, but I can't see anyone I know."
Captured Tracks
"Life of Pause" von Wild Nothing erscheint am 19. Februar auf Captured Tracks.
"Life of Pause" ist ein Album, das immer selbstbewusster wird je weiter man sich durchgehört hat. Während zu Beginn der Platte noch eher vorsichtig experimentiert wird, nimmt das Stimmvolumen im letzten Drittel deutlich zu. "To Know You", der siebente von elf Tracks präsentiert sich mit post-punkigem Drumloop und atmosphärischen Walls of Sound, während Jacks Vocals dominierend darüber schnaufen: "There's no answer to the question, we are a mutual possession. This is the circle that we live in, these are the people that we've been." Der Song mit dem wahrscheinlich besten Namen auf dem Album, "Japanese Alice", ist in seinen knapp zweieinhalb Minuten wiederum eine erstklassige Indie-Nummer zum Tanzen, während sich "TV Queen", ein Lied, das sich scheinbar um Jacks Faszination von einer Fernsehschönheit dreht, als astreiner Lovesong entpuppt: "And when you walk out of that box, and out of that screen, you're into me."
Was Wild Nothing mit "Life of Pause" gelungen ist, ist letzten Endes ein facettenreiches Album, das seinen roten Faden zwar nie verliert, aber auch nicht davor Angst hat, vom vorgeschriebenen Pfad abzuwandern. Beeinflusst von klassischen Klängen und 80er Jahre Filmmusik schafft es Wild Nothing trotz all der Nostalgie doch noch einen aktuellen Sound zu bewahren. Der Perfektionismus hat sich ausgezahlt.