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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

17. 2. 2016 - 15:10

Der Vorletzte

Vedad schaut mich skeptisch an, als ich ihm sage, dass er Ausländer als Arbeiter einstellen könnte. "Das wird nicht gehen, mein Freund! Ein Arbeiter braucht Qualifikationen. Oder glaubst du, dass Kloputzen so leicht ist?"

Jeder von euch war schon mal in einem Club. Und jeder von euch war schon mindestens ein Mal dort auf der Toilette. Man kennt allerlei Geschichten, die sich in Toiletten abspielen: Dort weinen einige, andere kotzen. Es gibt auch einige, die weinen, während sie kotzen. Einige denken in Toiletten nach, andere schlafen ein, während sie nachdenken. Einige machen Liebe, andere richten nur ihre Schminke. Im Kino sind die Toiletten oft Spielort von echten Gefechten. Aber keiner denkt daran, dass Klos auch Arbeitsplätze schaffen.

Für Vedad sind Toiletten ein Geschäft. Er besitzt seit mehr als zwanzig Jahren eine Firma, die Toiletten putzt. Der in Bosnien geborene Vedad ist nach dem Jugoslawienkrieg nach Wien gekommen. Damals war er jung und erfüllt mit Träumen, wie er selbst sagt. "Ich wollte eigentlich nicht mein ganzes Leben lang im Klo verrecken, aber irgendjemand muss doch die Klos putzen, nicht wahr? Es gibt keine Arbeit, für die man sich schämen soll, und Geld stinkt nicht!" Danach steckt er mir einen Stapel Scheine in die Nase.

Ein Klo liegt neben einer Mauer mit viel Graffiti.

Flickr.com, User kasrak

Heute ist aber Vedad besorgt: "Die Sachen laufen heutzutage nicht gut in mein liebes Österreich", sagt er und nimmt einen großen Schluck türkischen Kaffee. "Früher war alles besser, jeder kleine Ausländer wie ich hatte einen Job. Schlecht bezahlt, aber wenigstens ein Job. Jetzt stürmen die Taliban unsere Grenzen von allen Seiten! Sie wollen unser Leben und unser Brot!" Vedad hat Angst, dass die Massenmigration sein Geschäft ruinieren wird. "An euch Bulgaren und Rumänen habe ich mich irgendwann mal gewöhnt, aber das ist das endgültige Ende! Schau, was in der Zeitung steht: 'Arbeiterflut aus dem Osten stoppen!'"

Ich versuche, ihn zu überzeugen, dass die neuen Menschen, die nach Österreich kommen, auch pissen müssen, und er somit mehr Arbeit haben wird. Vedad schaut mich skeptisch an. "Glaubst du echt, dass diese Migranten feiern wollen?" Ich sage ihm, dass er sie als Arbeiter einstellen kann. "Das wird nicht gehen, mein Freund! Ein Arbeiter braucht Qualifikationen, oder glaubst du, dass Kloputzen so leicht ist? Ich bin ein echter Profi!"

Ich versuche, ihn zu verstehen. Es ist ihm tatsächlich ein Anliegen, dass alle Klos lupenrein sind. In seiner Geburtstadt hat er sich ein vierstöckiges Haus gebaut, wo er sein Alter verbringen will. Sein Haus ist braun-gelblich, hat einen riesigen Hof und vier Toiletten. Er will sein Geschäft an seinen ältesten Sohn übergeben, der jüngere studiert Wirtschaft in London. So will er irgendwann ein Kloimperium aufbauen.

"Ich bin eigentlich der Letzte, der sich wegen Ausländern Sorgen machen sollte", sagt Vedad. "Aber ich habe Angst. Ich war jahrelang der jüngste. Doch bald gibt es neue und das macht mir Angst!"