Erstellt am: 16. 2. 2016 - 18:09 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 16-02-16.
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
2016 wieder regelmäßig.
Die Neos haben jüngst ein medienpolitisches Positionspapier vorgelegt. Der Umgang damit ist durchaus bezeichnend für die Medienpolitik des Landes.
Mehr Zehentreter-Potential gibt's nicht
Es begann damit, dass die Neos ein Positionspapier zu Medienpolitik ankündigten und dann auch präsentierten. Das allein ist schon ein ungewöhnlicher Akt: mit öffentlichen Positionierungen, also der Aufarbeitung komplexer Sachverhalte, inhaltlicher Analyse und dem Erarbeiten von Lösungsansätzen müht sich Österreichs Politik allzu selten ab. Auch weil die Erfahrungen zeigen, dass es nicht lohnt.
Die mediale Resonanz ist gering, es wird bestenfalls ein Schwachpunkt herausgepickt, um eine neue Sau durchs Dorf zu treiben, ein paar Tage aufgeregt zu sein und den Diskurs damit auch schon wieder zu töten.
Und überhaupt: Medienpolitik. Damit ist nichts zu gewinnen, kein Staat zu machen, bei niemandem. Das Publikum gähnt, der Mob gönnt der Lügenpresse alles Böse. Mehr Zehentreter-Potential gibt's nicht. Überall Interessen und Mächtige, die auch noch (sic) über Medienmacht verfügen. Besser nichts tun.
Dementsprechend sehen die medienpolitischen Konzepte der Parteien auch aus. Selbst das der sonst nicht gerade schüchternen Grünen: veraltet, abgegriffen, ohne Biss.
Die Neos präsentierten also.
Ein paar Medien berichteten über den Akt, die meisten mit dem APA-Text zur PK, die wenigen Qualitätsmedien mit einem Eigenbericht. Mit der Grundlage, dem Positionspapier selber, befasste sich nur ein Text, just einer der Wiener Zeitung, deren Privatisierung bzw Zerschlagung die Neos fordern. In einem Text ohne Schaum vorm Mund (wie es in der wehleidigen Medienbranche normal wäre), sondern mit einem hochklassigen Public Value-Ansatz, also der öffentlich-rechtlichen Mehrwertigkeit, die als höchstes Gut auf den Neos-Medienpolitik-Fahnen draufsteht.
Das ist im Übrigen kein Zufall.
Freie Meinungsäußerung im Ressort Medien hat ganz enge Grenzen
In allen österreichischen Medien bestehen direkte oder indirekte Maulkorb-Erlässe zu Medien-Themen, vor allem solche, die den heimischen Markt betreffen. Die medienpolitische Linie ist immer Chefsache, Verlegersache. Sämtliche Äußerungen von Medienredaktionen sind vorgegeben, abgesprochen, bedürfen des Okays von ganz Oben. Freie Meinungsäußerung, wie sie in allen anderen Ressorts selbstverständlich ist, gerät im Ressort Medien schnell an ganz enge Grenzen, sofern sie auch nur ein Jota von der Herausgeber-Position abweicht. Die Veröffentlichungen werden dem Nutzen für die eigene Agenda untergeordnet.
Mit wenigen, ganz handverlesenen Ausnahmen. Wie etwa der Wiener Zeitung, die - wiewohl in Staatsbesitz - da eine freigeistige Linie fahren darf und auch fährt (mit wenig Schere im Kopf, die in anderen Qualitätsmedien schon deutlich schwerer schneidet).
Die zweite Institution, für die das Konzept von Mastermind Niko Alm eine Privatisierung/Zerschlagung vorsieht, ist (Medienfolklore-Experten ahnen es) der ORF. Wo die Medienmagazine auch nicht in den Himmel sprießen, aber entsprechende Äußerungen - z.B. hier oder auch dort als diskursfördernder Verstärker wirken.
Die Tücken führen direkt in eine Fallstrick-Ebene
Wie sich Neos/Alm eine Neuorientierung des ORF als ausschließlicher Public-Value-Produzent jenseits jeder Massenunterhaltungs-Kompetenz vorstellen, wird in aller durchaus detailreichen Deutlichkeit ausgeführt, Rezepte (mit gefühltem Garantieversprechen) inklusive. Die Tücken (etwa, wer denn den öffentlichen Nähr/Mehrwert festsetzt) führen direkt in eine Fallstrick-Ebene, die das Positionspapier dann auslässt: dass nämlich Medien nicht auf der grünen Wiese, in einem luftleeren Raum, im Ideal eines Marktes existieren, der nach rationalen Kriterien funktioniert, sondern in einem festzementierten österreichischen Machtsystem, das im Medienbereich nur geringste Spielräume offenlässt. Oder, wie es die Wiener Zeitung formuliert: "Es gibt gute Gründe, dass sich der hochsensible Bereich der Medienpolitik für ein solches Experiment nicht eignet."
Zumal die ausgleichenden Handlungsaufforderungen (politische Förderung von Gratisblättern durch Inseratengelder, Entflechtung monopolartiger Verlagsstrukturen durch ernsthafte Kartellbestimmungen bzw deren Einhaltung) und vor allem die notwendige Eindämmung der Macht der Silicon Valley-Kraken, zwar durchaus ausgesprochen werden, dann aber im Detail vage bleiben und schließlich nur noch eine Randnotiz in einem Papier, das sich vorrangig an der Ausrichtung des ORF reibt, darstellen.
In einer besseren Welt wäre ein solches Papier Debattenanstoß
Nun müssen die Neos nicht äquidistant agieren. Sie sind ja Partei. Nämlich eine, die sich klar committed, für Unternehmertum (und da wäre es ungeschickt die Verlegerschaft mit zu viel Regulation durch medienpolitische Aufpasser zu verprellen) und die Kräfte des freien Markts (auf dessen Basis der Boulevard lebt) einsteht. Auf diesem Auge wird man logischerweise mit durchaus weniger Schärfe sehen. Selbstverständlich ist also auch das Neos-Medienpositions-Papier parteiisch; auch im engeren Sinn.
Das macht aber nichts, solange eine Partei nicht so tut, als würde sie die Weisheit für sich allein gepachtet haben; was sie ja diskursunfähig macht. Dieses Gefühl stellt sich beim Neos-Medienkonzept bei aller oft einseitiger Sichtweise nie ein. Und die Analyse des Ist-Zustands könnte in vielen Aspekten präziser nicht sein. Was dieses Papier über die meisten anderen Medien-Konzepte stellt.
In einer besseren Welt wäre ein solches Papier Anstoßgeber für eine Debatte, die sich nicht darauf beschränkt, was alles an dieser einen Position nicht stimmt; ein Aufruf für der anderen politischen Kräfte doch ihre Standpunkte zu erklären; und ein Appell an die Publizistik des Landes sich jenseits von Ankettungs-Aktionismus zu beschäftigen, intellektuell.
Aktuell scheitert das schon an der ersten PK. Das dortige Hauptthema: was wird der Neos-Mediensprecher denn "seinem" Stiftungsrat bei der sommerlichen Generaldirektorenwahl im ORF anschaffen? Und viel mehr als ein paar Vereinnahmungsversuche von Verlegerseite ist auch für die nächsten Wochen nicht zu erwarten. Alles um den Zustand "keine Medienpolitik" zu erhalten. Keine Medienpolitik ist aber eben auch Medienpolitik.