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Jenny Blochberger

Film, Fantasy & Feminismus

17. 2. 2016 - 13:05

Hear the Hair!

Auch in seichten Pfützen planschen kann Spaß machen: Die Serie "Mozart in the Jungle" ist leichtes Entertainment für zwischendurch.

"Hear the Hair" ist der Slogan, der den neuen Dirigenten des New York Symphony Orchestras bewerben soll. Man weiß, der Neue trägt seine üppigen dunklen Locken lang und ungezähmt; ihm eilt der Ruf eines jungen Wilden voraus. Noch bevor die ZuseherInnen diesen Rodrigo de Souza also kennenlernen, haben sie bereits ein Bild von ihm, ebenso wie die Mitglieder des Orchesters, die der neuen Entwicklung etwas sorgenvoll entgegenblicken.

Gael García Bernal

(c) 2014 Amazon.com Inc.

Das erste, was der Maestro denn auch macht, ist, den Slogan in der Luft zu zerreißen, seinen Taktstock-im-Hintern-Vorgänger vor den Kopf zu stoßen und eine junge hübsche Oboistin zu engagieren, die gleich bei der ersten Probe versagt und wieder rausgeworfen werden muss. Hailey (Lola Kirke, Schwester & Lookalike von Girls' Jemima Kirke) ist die eigentliche Identifikationsfigur für die ZuseherInnen. Sie übt täglich stundenlang und ist am Boden zerstört, als sie sich durch ihre Nervosität ihre Chance beim Orchester verpatzt. Aber obwohl sie als Oboistin erst mal unten durch ist, braucht Rodrigo doch eine persönliche Assistentin, deren wichtigste Aufgabe es ist, seinen Mate ganz genau richtig zuzubereiten – und so läuft Hailey als unsere Augen und Ohren am Rand der Action mit, ganz nah dran an den Schrullen und Launen des Orchesters und seines exzentrischen Maestros.

Lola Kirke

(c) 2014 Amazon.com Inc.

Produziert wurde "Mozart in the Jungle" von u.a. Roman Coppola und Jason Schwartzman für Amazon; um Weihnachten 2014 bzw. 2015 wurden jeweils gleich alle Folgen der ersten beiden Staffeln veröffentlicht, womit man sich die beste Zeit des Jahres zum Bingewatching ausgesucht hatte. Dieses Jahr gab es zwei Golden Globes, für die beste Serie in der Kategorie Comedy/Musical und für den besten Hauptdarsteller in ebendieser Kategorie.

Tatsächlich ist Gael García Bernal das schlagende Herz von "Mozart in the Jungle". Der bubenhafte Charme seines Rodrigo – offensichtlich angelehnt an den echten Dirigenten Gustavo Dudamel – wickelt die ZuseherInnen ebenso schnell um den Finger wie das zunächst skeptische Orchester. Was an ihm so bezaubernd ist, ist weniger seine Exzentrizität als eher seine Warmherzigkeit und Menschlichkeit. Selbst der grumpy old Vorgängermaestro (ein unerträglich outrierender Malcolm McDowell) kann sich irgendwann ob der aufrichtigen Ehrerbietung, die der Junge ihm entgegenbringt, nicht mehr gegen die Verbrüderung wehren. Dass Rodrigo ein Wahrer Künstler ist, der für die Musik brennt, wird zwar immer wieder betont - diese Seite an ihm macht aber deutlich weniger Spaß als die kindlich-geerdete, wenn er sich etwa die Nase beim improvisierten Fußballspielen bricht.

Malcolm McDowell & Gael García Bernal

(c) 2014 Amazon.com Inc.

Basierend auf den Memoiren "Mozart in the Jungle: Sex, Drugs, and Classical Music" der Oboistin Blair Tindall versucht die Serie redlich, dem Untertitel des Buches gerecht zu werden; allerdings bleiben sowohl die Sex- als auch die Drogengeschichten recht zahm, auch von emotionalen Untiefen ist nur wenig zu spüren. Dafür werden viele, viele Klischees bedient: der aalglatte Finanzchef, dem es nur um den kommerziellen Erfolg des Orchesters geht, ist ebenso am Reißbrett entworfen wie sein Gegenstück, die vollkommen durchgeknallte geniale Geigerin, die den Kunstbetrieb verachtet und sich lieber barfuß im Wald oder als Aktivistin in einer chemieverseuchten No-Go-Area herumtreibt.

Leider bleibt auch die Charakterisierung der meisten Nebenfiguren flach, viele Plots verlaufen im Sand oder werden ewig nur angeteast, die irgendwann doch erfolgende Ausführung bleibt oft unbefriedigend. Nichtsdestotrotz ist "Mozart in the Jungle" manchmal so amüsant und unterhaltsam, dass man trotz dieser Schwächen dran bleibt. In der ersten Staffel gibt es zwei Folgen, die dermaßen idiotisch sind, dass man geneigt ist, es ganz bleiben zu lassen (ihr werdet merken, welche es sind) – aber wenn man da nicht aufgibt, läuft die Show wieder zu solider Form auf und wird in Staffel 2 sogar wieder ziemlich gut - leichtfüßig, sich selber nicht ganz ernst nehmend und immer elegant um alle Kitschfallen herum tänzelnd.

Lola Kirke & Gael García Bernal

(c) 2014 Amazon.com Inc.

Beiläufige Beobachtungen

  • Produzent Jason Schwartzman spielt auch mit – in einer der lustigsten Rollen, als eitler Klassikpodcast-Journalist.
  • Sympathisch: Alle Frauen in Rodrigos Leben sind deutlich größer als er und niemand scheint diesen Umstand auch nur irgendwie erwähnenswert zu finden.
  • So sehr er sich selbst auch für die Kunst verausgabt, der Meister gesteht dem Orchester die gewerkschaftlich vereinbarten 10-Minuten-Pausen zu, ohne zu diskutieren. Allerdings wird auch nicht verschwiegen, dass er ungefähr tausendmal so viel verdient wie ein gewöhnliches Orchestermitglied.
  • Interessante Regieentscheidung: Immer wieder mal sprechen spanischsprachige Figuren in ihrer Muttersprache – ohne Untertitelung. In einer Folge in Staffel 2 geht das sogar minutenlang so.
  • Mate "zubereiten" ist echt keine Hexerei: Matekraut, heißes Wasser drauf, fertig.