Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Animal Collective – Das Interview "

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

22. 2. 2016 - 06:00

Animal Collective – Das Interview

Animal Collective über die Gründunsgsidee der Band, warum sie für ihr neues Album "Painting With" ein Planschbecken malträtierten und was zu tun ist, wenn John Cale eine Aufnahme versaut.

Bis zu ihrem letzten Album "Centipede Hz" (2012) galten Animal Collective als unangefochtene Champions der experimentellen Popmusik. Während andere mit strenger Miene in ihre Laptops starrten oder an kalten Saiten zogen, luden Animal Collective auf fast jedem ihrer insgesamt 10 Studioalben zum durchgeknallten High-Energy-Kindergeburtstag. Mit den Tiermasken, der Verschränkung von tribalen Rhythmen, spinnerter Elektronik und Beach-Boys-Harmonien wirkte die zwischen Brooklyn und Baltimore swingende Band jahrelang stilbildend bis hin zur Verkörperung eines neuen Role Models: der coole Dad, für den Rock’n‘Roll und Familie keine Gegensätze mehr sind, was sich vor allem in den etwas weniger beachteten Texten der Band niederschlug.

Animal Collective

Tom Andrew

Animal Collective now (v.l.) Brian Weitz a.k.a. Geologist, David Portner a.k.a. Avey Tare, Noah Lennox a.k.a. Panda Bear

Dann kam das Album "Centipede Hz" und die Dinge wurden komplizierter. Die Platte fiel zwar bei der Kritik und den Fans nicht gerade durch, aber plötzlich schien sich ein Ende der Party abzuzeichnen. "Centipede Hz" war überladen und von einer seltsam bleiernen Gravität. Trotz der üblichen guten Laune wirkte alles angestrengt und anstrengend. Hatte man sich den Magen mit zu vielen bunten Smarties verdorben?

Das neue Album "Painting With" markiert zwar keinen Neuanfang, die Betonung alter Stärken ist dennoch unüberhörbar. So viel Animal Collective war in noch keinem Animal-Collective-Album. So viel Pop auch nicht - nicht einmal auf dem bisher erfolgreichsten, Merriweather Post Pavilion (2010). Wir haben zwei der erneut auf drei Mitglieder geschrumpften Band in Berlin zum Karrierecheck getroffen: David Portner a.k.a. Avey Tare und Brian Weitz a.k.a. Geologist. Es ging auch um Farben. Hui!

Animal Collective Paintin With

Domino Records

Neues Album: "Painting With"

Christian Lehner: Es gibt eine Frage, die man in Interviews nie stellen sollte. Deshalb freut es mich besonders, dass ich sie ausgerechnet Euch stellen darf. Was ist Eure Lieblingsfarbe?

Avey Tare: Violett.

Geologist: Blau vielleicht. Ich habe eigentlich keine Lieblingsfarbe.

Avey Tare: Im Alltag sehen wir ohnehin fast nur Mischfarben. Ich mag, wenn es ins Undefinierbare zerrinnt. Das Leben als Kaleidoskop.

Geologist: So wie Kids mit Plastelin! Blau beruhigt mich. Orange und Pink finde ich super, aber nur in Kombination.

Avey Tare: Mir fällt es leichter Farben zu nennen, die ich nicht mag wie zum Beispiel Rot und Gelb.

Die Frage bezieht sich natürlich auf den Titel Eures neuen Albums. Kann man "Painting With" als Arbeitsauftrag verstehen, den ihr Euch selbst erteilt habt?

Avey Tare: Der einfachste Weg für uns im Studio zu kommunizieren, ist über das Visuelle. Als wir uns nach den ersten Sessions unterhielten, kam immer wieder dieses Bild von kräftigen, spritzenden Farben auf. Die Musik hatte ein "splashy" feeling.

Hat sich irgendein Stil beziehungsweise eine Malschule herauskristallisiert?

Avey Tare: Wir sind keine Kunstexperten, aber Dadaismus, Kubismus, eigentlich die ganze Moderne, dort liegt unser sweet spot. Wir arbeiten ja viel mit Collagen.

"Splashy" klingt auch nach Meer, Fun Fun Fun und Surfen. In keiner anderen Platte von Euch steckt so viel "Surf" und 60s-Pop drin.

Avey Tare: Es war das goldene Zeitalter von Pop. In gewisser Weise ist das die Grundlage aller unserer Musik: vier Typen, eine Band, ein Studio. Und weil sich damals alles erst entwickeln musste, gab es fast keine künstlerischen Limits. Das Gemeine: Es war eine konkrete historische Situation, die sich nicht mehr wiederholen lässt. Wenn wir also eine Animal-Collective-Platte machen, dann machen wir das nicht mit der Absicht, einen bestimmten Stil oder ein Genre nachzuempfinden. Dass wir große Fans der Beach Boys sind, lässt sich aber auch so nur schwer leugnen.

Geologist: Dazu kommt, dass wir das Album in den East West Studios in Hollywood aufgenommen haben. Das war das Studio der Beach Boys. Wir benutzten die selben Echokammern und jede Menge alte Instrumente. Auf der ersten Single "Floridada" ist zum Beispiel ein Buchla Synth zu hören. Wir haben schon in vielen Studios aufgenommen, aber noch nie in einem aus dieser Ära. Bill Putnam hat es mit seinem Universal-Audio-Konzept ausgestattet. Da steckt so viel Wissen, Talent und Liebe drin, das ist schon sehr speziell.

FM4 Artist Of The Week

Empfehlungen der FM4 Musikredaktion

Aber anscheinend nicht speziell genug. Im Pressetext ist zu lesen, dass ihr als Stimulanz Super-8-Filme von Dinosaurieren an die Wände projiziert habt.

Geologist: Wir kreieren Settings, um in Stimmung zu kommen. Dave (Avey Tare, Anm.) hat zum Beispiel gern die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft um sich . Also haben wir Kerzen und Topfpflanzen besorgt. Für das Wasser haben wir ein Planschbecken aufgeblasen und mit Seerosen dekoriert. Es ist auf einigen Stücken zu hören, weil Noah (Panda Bear, Anm.) den Pool als Schlaginstrument benutzte. Je nach Wasserstand klang er anders. Und dann war noch dieses Urzeit-Setting: Dino-Projektionen und Steinzeithöhlen.

Warum wolltet ihr zurück in die Steinzeit?

Avey Tare: Unser letztes Album "Centipede Hz" war kompliziert und fordernd. Wir wollten zurück zum Simplen. Im primitiven Rhythmus steckt viel transzendentale Qualität. Deshalb mögen wir auch Techno. Wie bereits erwähnt, spielt das Visuelle bei uns eine große Rolle. Deshalb das ganze Flintstone-Setting.

Wart ihr mit "Centipede Hz" nicht zufrieden?

Avey Tare: Wir wollten am neuen Album zurück zum Feeling der Gründungstage. Die Idee von Animal Collective war, die Musik, die uns umgab, mit excitement anzustecken. Ich glaube, das ist die Aufgabe einer jeden neuen Band. Du hast das Gefühl, dass etwas fehlt, dass sich alles im Kreis dreht und du willst der Musik neues Leben einhauchen. Und wenn sich dann noch viele Gleichgesinnte dazugesellen, ist alles möglich.

Sprichst du von der experimentellen Szene, die nach 9/11 in Brooklyn aufblühte?

Avey Tare: Ja, da passierte vieles gleichzeitig. Black Dice, Lightning Bolt und diese Sachen. Wir selbst holten uns die Kicks von älteren Bands wie Boredoms oder Sun City Girls. Wir dachten nie daran, bekannt zu werden. Das gab uns die Freiheit, zu machen, was wir wollten. Wir spielten vor ein paar Freunden. Das war’s. An Pop dachte damals noch niemand. Was sehr speziell war an der Brookyln-Szene: man hat sich gegenseitig irrsinnig unterstützt. Das mussten wir auch, denn es gab ja kaum Infratruktur, Bookings und Venues.

Ihr kommt von der College/Noise-Szene. Heute sieht man Euch aber eher im Zusammenhang mit der New-Weird-America- und Freak-Folk-Bewegung rund um Acts wie Devendra Banhart oder CocoRosie. Kurz: Psychedelic und Neo-Hippietum wurden um Genderfragen, Elecronica und fantastische Introspektion erweitert. Außerhalb der Musik begann man, die Stadt als Land zu betrachten, wo man Bienen züchten kann.

Avey Tare: Natur ist für mich sehr wichtig. Das gilt sowohl für die Musik, als auch für das Leben generell. Dabei geht es weniger um Moose und Farne, sondern darum, wie die Natur funktioniert und wie sie fließt. Einen Song schreiben, bedeutet für mich, alles ganz natürlich passieren zu lassen. Es ist eine bewusste Entscheidung, die man trifft, dass man die Dinge einfach zulässt. Deshalb sollte man sich auch nicht zu sehr gegen Veränderungen sträuben. Und so sehen wir das auch für unsere Band.

Geologist: Ich verwende sehr viele natürliche Geräusche und Field Recordings. Wir haben uns immer schon für Found Sounds interessiert, für Elektroakustik und Musique concrète. Dazu Psychedelic, weil sie zum Beispiel über Kopfhörer eine völlig neue Umgebung schaffen kann. Es geht also wohl eher darum, Räume aufzumachen und auszufüllen, als die Natur als solche zu thematisieren.

Animal Collective

Christian Lehner

Avey Tare und Geologist beim FM4-Interview in Berlin

Und doch ist das im Grunde richtige Popmusik.

Avey Tare: Als "Merriweather Post Pavilion" erschien, realisierten wir, dass wir eine Popband sind. Aber das war unter der Oberfläche wohl schon immer so. Wir merkten es auch an den Anfragen von Radiostationen oder TV-Shows, die plötzlich unsere Musik verwenden wollten. Sie baten uns, die Stücke zu kürzen oder einen Radio-Edit anzufertigen. Am Anfang sagten wir noch no way! Aber die BBC erledigte das bei "My Girls" einfach selbst und schickte uns den Song zur Abnahme. Da es sich um ein reines Instrumentalintro handelte, gaben wir unser Einverständnis, aber sonst mögen wir das gar nicht.

Im Song "Floridada" verwendet ihr den berühmten "Wipe Out!"-Schlachtruf der Surfaris als Sample. Hat euch das ein kleines Vermögen gekostet?

Geologist: Es war das billigste Sample überhaupt! Wir waren selbst überrascht.

Avey Tare: Für uns war es eine Ehre. Da steckt so viel Popgeschichte in diesem Moment, denn ab diesem Moment übernahm die Popmusik die Herrschaft über den Planeten.

John Cale ist in mehreren Stücken als Gastmusiker zu hören. Wie kam es zur Zusammenarbeit?

Geologist: Wir sind am selben Label wie Cale. Daves Schwester Abby arbeitet für ihn als Designerin. So haben wir erfahren, dass er unsere Musik mag. Als wir für die Aufnahmen probten, stolperte ich ständig über ein Sample, das einfach nicht in den Track passen wollte. Es war ein Streicher-Part, der einer Änderung bedurfte. Immer wenn ich an dieses Sample dachte, dachte ich an John Cale. Er kam dann wirklich, versetzte meinen Hoffnung aber einen Dämpfer. Die Stimmung des Songs sei für seine Viola-Drones grundlegend falsch. Er meinte, er könne das Problem nicht lösen. Er hat dann Gott sei Dank andere Parts eingespielt.

Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?

Avey Tare: Für uns ist es generell schwierig, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten, weil wir diese spezielle Art der Kommunikation pflegen. Sie ist für Außenstehende oft nicht nachvollziehbar. Anfangs war es überhaupt sehr seltsam.

Warum?

Geologist: Nun, John Cale ist John Cale. Das flößt Respekt ein, wenn man weiß, was der Mann schon alles geleistet hat. Aber dann kam die Erlösung: John arbeitete an einem Part und es funktionierte nicht. Niemand von uns traute sich etwas sagen. Dann er zu uns: "Das klingt doch Scheiße, oder?" Wir nickten nur. Ab diesem Zeitpunkt lief es wie geschmiert.