Erstellt am: 14. 2. 2016 - 16:08 Uhr
Emoelektronisches Brückenabfackeln
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken
Es rappelt wieder im Karton. Es poltert und rumpelt, dazu singt wieder ein Sehnsuchtsboy mit der aus dem besonders dünnen Glas gegossenen Stimme vom süßen Weltschmerz.
Das aus dem versatilen Rawumms-Duo Modeselektor und dem zärtelnden Filigran-Elektroniker Apparat zusammengeschmolzene Unternehmen Moderat ist wieder da, rüttelt und schabt von draußen an der Tür, Anfang April erscheint die dritte, nach den Alben "Moderat" und "II" nur richtig "III" betitelte Platte der Berliner Boy-Supergroup.
Die zwar auch schon recht feinen ersten beiden Alben von Moderat leben noch vom Geist des Probierens, Ausmessens und des Ein-bisschen-Unfertigen, auf der aktuellen Single liegt jetzt alles genau konstruiert und eingepasst an der richtigen Stelle, zuckt und vibriert dann, wann es soll. Da umschmiegen sich chromblinkender, quecksilbriger Digital-Soul und prächtige Großraumdisco-Melancholia dank bestens manipulativer Knöpfchendrückerei.
Moderat
Zwar ist der Zusammenschluss Moderat sicherlich mehr als das bloße Aufsummieren der einzelnen Teile und wohl sind auch die Übergänge zwischen den persönlichen Faibles und Stärken der einzelnen Mitglieder fließend - in diesem hochgeschmeidigen Songs namens "Reminder" jedoch meint man zu hören, zu sehen, zu fühlen, wie hier die jeweiligen Vorlieben und Spezialitäten, die Elemente in Perfektion zueinander finden.
Brand New
"Reminder" von Moderat ist eine der Neuvorstellungen der Woche. Hier könnt ihr abstimmen.
Ein mal hölzernes, mal metallenes Klappern und Stottern, ein dunkles Wummern, Modeselektors Nähe zu nicht selten auf Krawall gebürsteter, den Mageninhalt bewegender Bassmusik britischer Prägung. Der schön schmelzende und schmalzende Wehmutsgesang von Herrn Apparat.
Und wovon singt Apparat da so weltvergessen, so das Leid spürend, dem eigenen Körper entrückt, schwelgerisch, die Gefühle fühlend? Zum Glück bleibt es vage: Das titelspendende Wort "Reminder" taucht in dem Song selbst nicht auf. Woran will, eventuell muss uns dieses Lied erinnern? Dass die Welt nicht selten eine schlechte ist, das Leben oft ein hartes, ungerechtes?
Moderat
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"I Steal from the beggars empty plate / And give to the fat man", so beginnt "Reminder" gleichermaßen plakativ, bildreich, plastisch wie nebulös, und weiter, "I dance in the halls of the newly insane / And pray to a god that is vacant again".
Nach den betont karg und minimal instrumentierten Strophen schwingt sich der Refrain auf zu Synthesizer-Schwulst und Pomp, der aber eben so gar nicht nach Prunk und Glück und Erfüllung schmecken mag, sondern nach Verzweiflung und der bitteren Hoffnung, im Trotz eine Zukunft zu finden.
"Burning Bridges Light My Way", so wiederholt der Song wieder und wieder - ein saftiges Bild, auch wenn es Moderat freilich nicht erfunden haben. Mögen uns die gekappten doofen Verbindungen, die gesprengten Fesseln, die selbstgewählte Isolation und die Eigensinnigkeit in ein besseres Morgen leuchten.