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Lisa Schneider

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17. 2. 2016 - 17:10

Freiheit, die nicht glücklich macht

Die Tiroler Schriftstellerin Friederike Gösweiner zeichnet mit ihrem Debütroman "Traurige Freiheit" ein Porträt des Scheiterns.

Und irgendwann, als Jakob nichts sagte und unverwandt aus dem Fenster blickte, sagte sie leise, und wieder klang ihre Stimme fremd: "Dann gehe ich jetzt."

Wenn Liebe nicht reicht ...

Buchumschlag Gösweiner

Droschl

"Traurige Freiheit" von Friederike Gösweiner ist im Droschl Verlag erschienen.

Eine Leseprobe gibt es hier.

Hannah ist 29 Jahre alt, hat studiert, ist Journalistin. Sie hat schon einige Praktika hinter sich, immer mal wieder den ein- oder anderen, mal mehr, mal weniger lukrativen Job übernommen. Im Großen und Ganzen hängt sie aber in der Luft. Sie sucht und sucht.

Sie bekommt das Angebot, ein sechsmonatiges Volontariat bei einer großen Berliner Tageszeitung anzutreten. Hier liegt auch das Problem: sie wohnt – mit ihrem Freund Jakob – in einer Kleinstadt weit von Berlin entfernt. Er ist Arzt, hat einen gesicherten Ausbildungs- bzw. später Arbeitsplatz. Jakob will nicht, dass Hannah geht. Er schlägt vor, sie solle weitersuchen, bei ihm bleiben. Nicht alles aufgeben.

Wie schon der Einstieg ins Buch verrät, entschließt sich Hannah aber, nach Berlin zu gehen. Sie kommt in der Wohnung ihrer besten Freundin Miriam unter, die momentan in Russland als Auslandskorrespondentin arbeitet.

Das Volontariat vergeht, Hannah wird zugesagt, als freie Autorin weiterhin für die Zeitung arbeiten zu können. Kurze Zeit später bekommt sie jedoch nicht einmal mehr Antworten auf diverse Artikelvorschläge ihrerseits.

... and the drugs don't really work.

Thomas Larcher

Friederike Gösweiner

Wie so oft in letzter Zeit war sie auch an diesem Tag erst gegen Mittag aus dem Bett gekommen. Sie wusste, das kam von den Tabletten, die sie jetzt wieder beinahe jeden Abend nahm, um schlafen zu können, sie machten sie träge und riefen eine Benommenheit hervor, die sich immer erst nach zwei, drei Stunden Wachzustand legte.

Mit den beruflichen Rückschlägen steigern sich auch Hannahs physische Leiden. Um überhaupt noch einschlafen zu können, braucht sie Tabletten. Panikattacken, Atemnot. Sie streunt in Berlin umher, ziel- und antriebslos. Durchforstet die Jobbörsen, die ihr mit Leere entgegengähnen. Schließlich – auch aus der finanziell prekären Lage heraus – beginnt sie, in einem Café zu kellnern. Wie sie es auch schon zu Studienzeiten gemacht hat.

Friederike Gösweiner liest aus ihrem Roman "Traurige Freiheit" im Rahmen der Wortspiele am Freitag, 1. April in Wien.

Eine kurze Bekanntschaft mit einem schon älteren Professor, der interessant, attraktiv und ein willkommener Tapetenwechsel in Hannahs Leben darstellt, reißt sie kurzzeitig aus der Lethargie.

Sie hatte sich sehr lange keine Gedanken mehr gemacht darüber, was sie jemandem, den sie neu kennenlernte, über sich erzählen wollte, wie sie sich ihm zeigen sollte.

Doch auch diese Geschichte soll sich bald wieder im Sand verlaufen. Freunde, Kontakte hat Hannah in Berlin weiterhin nicht. In stetem Austausch ist sie nur mit Miriam (Internettelefonie sei Dank) und weiterhin mit Jakob, ihrem Exfreund. Dass ihr das – in ihrem eigenen Vorankommen - nicht gut tut, muss wohl nicht vertieft werden.

Ein Unfall - sie stürzt vor ein vorbeifahrendes Taxi - scheint dann fast schon wie das bitter-ironische I-Tüpfelchen. Hannah erwacht im Krankenhaus. Die erste Nachricht, die sie erhält, ist die von Jakobs zukünftiger Vaterschaft.

Dann plötzlich wieder das Gefühl, nicht atmen zu können, heftiger als sie es jemals zuvor gespürt hatte. Sie setzte sich auf, stützte den Oberkörper auf ihren rechten Arm. Ihr schwindelte, sie versuchte, sich zu konzentrieren, tief einzuatmen. Vergebens.

Hannah zieht zurück zu ihren Eltern. Lethargisch wartet sie darauf, dass ihr Arm (ein komplizierter Ellbogenbruch) heilt.

Ein Satz kam ihr in den Sinn, den ihr Klavierlehrer gern benutzt hatte. Wenn er wollte, dass sie ein Stück nochmals von einer bestimmten Stelle weg spielte, dann hatte er immer gesagt: "Können wir das nochmals von hier nehmen?" Von hier nehmen, das musste man das Leben.

Lost generation?

Gösweiners Geschichte wird denjenigen Lesern, die sich zwischen Studium, Selbstfindung und Karrieredurchbruch (am ehesten die Generation 25-30) befinden, unerwartet schnell nahe gehen. Die beschriebene Verzweiflung, die gefühlte Ablehnung, die Angst davor, keinen Platz am fluktuierenden Arbeitsmarkt zu finden, ist für die Generation Praktikum, Volontariat, und wie sie alle heißen, nichts Neues.

Subtil, ohne zu überzeichnen und sensibel beschreibt Friederike Gösweiner eine schlichtweg aussichtslose Situation, ohne harmoniesüchtig das Happy End anzusteuern. Hannah – und sie sinnbildhaft für viele ihrer Generation – hat zwar die Freiheit, alles zu tun, was sie will. Nur, dass sie nicht wirklich weiß, wie: Wie ihre Ziele umsetzen, wie das anstreben, was sie erreichen will? Wie zwischen Beziehung und Job entscheiden? Es ist eben eine traurige Freiheit.