Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Kontrolle oder Farce?"

Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

10. 2. 2016 - 13:31

Kontrolle oder Farce?

Während in Kärnten täglich eintausend Flüchtlinge von Slowenien nach Österreich kommen, gibt es jetzt im steirischen Spielfeld ein neues Grenzmanagement.

Kontrollinspektor Leo Josefus ist momentan sehr gefragt. Das Interesse der Medien am neu organisierten Grenzmanagement ist enorm. Am frühen Nachmittag sind mehr JournalistInnen und Kameraleute am Areal als Flüchtlinge.

Der Platz, auf dem die gerade in Österreich Angekommenen auf die Busse warten, ist seit mehreren Wochen mit einem Zelt überdacht. Im Herbst warteten an manchen Tagen fünftausend Menschen darauf, weiter zu dürfen. Drei Frauen mit Kleinkindern stehen hinter Absperrungen, daneben ein Mitarbeiter der Caritas.
"Wir haben bis jetzt ca. 500 Personen abgearbeitet, es werden insgesamt für diesen Tag 1100 Personen erwartet", sagt Leo Josefus von der Landespolizeidirektion Steiermark. Was heißt abgearbeitet? "Das ist eine Sache – wie soll man sagen", antwortet Josefus und erklärt das neue Kontrollsystem.

800 Meter vom letzten Zelt nahe des alten Zollamtgebäudes entfernt beginnt das slowenische Staatsgebiet. Die slowenischen Behörden leiten die Menschen in Gruppen zu zwanzig zu den österreichischen Behörden weiter. Durch eine Gittertür in einem Zaun kommen sie nach Österreich. Das Bundesheer macht die Personen- und Gepäckdurchsuchungen, ehe die Menschen den Absperrungen folgend durch ein Zelt zu jenen Containern geführt werden, wo die Personenkontrollen der Polizei statfinden. "Das ist ein Procedere, das wir als Arbeit bezeichnen", sagt Josefus und ergänzt: "Es ist natürlich auch ein Zeitfaktor. Wenn alles passt, steigen die Personen in die Busse ein und fahren zu Unterkünften."

Ein Schild markiert die Grenzübergangsstelle bei Spielfeld neben der Straße, die nach Slowenien führt

Radio FM4

Grenzkontrolle in Containern

Wie viele Beamte an der Grenzübergangsstelle in Spielfeld im Einsatz sind, dazu gibt die Polizei keine Auskunft. Die PolizistInnen kommen von Inspektionen aus ganz Österreich. In aneinandergereihten Containern ist eine Polizeidienststelle entstanden. Hier finden die Personenkontrollen statt. Dass jede Kontrolle maximal acht Minuten dauern darf, wie kolportiert worden war, stimmt so nicht. Diese Zeitangabe stammt aus einem Rechenmodell zum neuen Grenzmanagement. Es habe einen derartigen Auftrag in Österreich noch nie gegeben, so viele Flüchtlinge abzufertigen, hält Leo Josefus fest.

Von jeder Person werden Fingerabdrücke von drei Fingern der rechten oder linken Hand genommen. Es wird eine EKIS-Abfrage durchgeführt, also eine nationale Fahndungsanfrage gemacht, indem die Datenbank des Elektronischen Kriminalpolizeilichen Informationssystems eventuelle Einträge anzeigt. Die Fingerabdrücke werden jedoch nicht gespeichert. Es sei denn, es liegt eine Straftat vor.

Kommt ein Flüchtling mit einem gefälschten Pass, liegt damit eine Straftat vor. Dann werden die Fingerabdrücke gespeichert. Aber im Zuge der normalen Durchreise aus humanitären Gründen wird der Fingerabdruck nur gerastert. Ist alles in Ordnung, reist die Person weiter. Keine Speicherung der Abdrücke.

Kritik an dieser Vorgangsweise kam schon im Vorfeld auf – geäußert von Polizisten. Es würde Theater gespielt, abgewiesene Personen könnten mit gefälschten Dokumenten weitere Einreiseversuche unternehmen.

Was machen Flüchtlinge, die keine Dokumente bei sich haben? "Viele, wenn nicht gar die meisten, kommen im EU-Raum ohne Dokumente an. Teilweise sind Schlepper dafür verantwortlich, die den Leuten sagen, sie sollen die Pässe wegwerfen", weiß Leo Josefus, "Die Leute werden in Griechenland, Mazedonien oder Slowenien mit neuen Dokumenten ausgestattet. Inwieweit diese Identität die wirkliche ist, ist immer schwer zu sagen." DolmetscherInnen stehen den BeamtInnen in den Containern keine zur Seite. Nachfragen müssten nicht sein, sagt einer der Polizisten, der seit zwanzig Jahren an Grenzen arbeitet. Er ist an den Umgang mit Fremden und Flüchtlinge gewöhnt.

Ein Zaun zwischen österreichischem und slowenischem Staatsgebiet mit einer Gittertüre, die geöffnet wird, wenn Menschen weitergelassen werden. Davor ein verwaister Rollstuhl

Radio FM4

Durch diese Gittertüre kommen die Menschen von slowenischem Staatsgebiet auf österreichisches Staatsgebiet. Das Bundesheer führt Personen- und Gepäckskontrollen durch
Gittern gehören zum Leitsystem durch die Zelte bis zu den Cotainerboxen, in denen die Polizei Dokumente kontrolliert und Fingerabdrücke nimmt

Radio FM4

Zwei Personen können nebeneinander gehen, das Leitsystem mit Absperrungen ist recht knapp und führt von einem Zelt ins nächste
Infoscreens zeigen mit Symbolen und Zeitangaben an, wie lange es zu Bussen, WC, medizinischer Versorgung und Essen dauert.

Radio FM4

Mit Containern ist eine Art Polizeidienststelle entstanden. Auf Monitoren finden sich Zeitangaben zum nächsten Dixie-Klo, zu Bussen und medizinischer Versorgung.
Leerer Platz mit Absperrgittern als Leitsystem. Grenzübergangsstelle, Spielfeld

Radio FM4

Blick Richtung Autobahn. Auf der anderen Seite führt das Bahngleis vorbei, an dem tausende Flüchtlinge Richtung Österreich gegangen waren. Im Bereich der B67 und an der alten Gastarbeiterroute ist die "Grenzübergangsstelle" mit Zelten aufgebaut worden
Absperrungen umrahmen das Leitsystem zu den Zelten, dahinter das ehemalige Zollamtsgebäude in Spielfeld

Radio FM4

Bis zu 4000 Menschen könnten in den beheizbaren Zelten übernachten. Nicht im Bild, aber sehr präsent: Das Bundesheer, das dem Bundesministerium für Inneres assistiert, das wiederum die Dachorganisation des Einsatzes über hat.
Grenzübergangsstelle Spielfeld: Ein sehr großes Zelt und darin Absperrungen. Hinter einer Absperrung warten drei Frauen mit Kleinkindern, ein Caritas-Mitarbeiter steht daneben.

Radio FM4

Frauen mit Kindern warten auf die Weiterfahrt. Busse, organisiert von einer Verkehrsleitzentrale, bringen die Flüchtlinge in Notunterkünfte oder zur Grenze nach Deutschland

"Humanitäre Durchreise"

Tatsächlich waren im Oktober und November mit Verweis auf die "Verhältnismäßigkeit" in Spielfeld Einreisende nicht kontrolliert worden. Die Behörden waren mit dem Andrang der Flüchtlinge und der Organisation, wie und wohin diese gebracht werden sollten, am Limit. Kontrolliert würde dann in den Notquartieren, hieß es damals auf Nachfrage.

Mit dem Auto kann man die Grenze auf der Bundesstraße zwischen Spielfeld und Sentilj zwischen sechs Uhr morgens und 22.00 Uhr passieren. Die Grenzübergangsstelle für die Flüchtlinge ist prinzipiell 24 Stunden geöffnet, momentan übernimmt Österreich die Menschen von Slowenien tagsüber. Die Menschen kommen aus Syrien, Afghanistan, aus Marokko, Algerien und Tunesien und auch aus der Mongolei. Menschen, die lange in Auffanglagern in der Türkei gewesen sind, kämen jetzt in die EU, so die Polizei. Die beheizbaren Zelte bieten notfalls Platz für die Nächtigungen von 4000 Personen. Teilweise sind die Zelte in Nickelsdorf gestanden. Man habe alles zusammengekratzt, was man an Materialien habe finden können und die Grenzübergangsstelle sehr professionell aufgebaut, sagt Leo Josefus. Während die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von Griechenland fordert, die Marineflotte einzusetzen, um Europas Sicherheit zu schützen und unausgesprochen Flüchtlinge abzuwehren, will Kroatien die Flüchtlinge mit Zügen durch Slowenien und möglichst ohne Aufenthalt direkt zur österreichischen Grenze weiter bringen.

Gibt es jetzt für Flüchtlinge die Möglichkeit, wenn sie in Spielfeld und damit in Österreich ankommen, zu sagen, dass sie hier Asyl beantragen und in Österreich bleiben wollen? "Ja, auf jeden Fall. So kommen sie in eine eigene Asylunterkunft und dort beginnt das Asylverfahren. Das Asylverfahren endet mit einem Bescheid: Kann der Flüchtling dableiben oder auch nicht. Bei den Flüchtlingen im Transit sind es humanitäre Gründe, man gestattet die Durch- oder Weiter nach Deutschland. Das ist nur humanitär", so Kontrollinspektor Josefus.

Noch im Dezember war das in Spielfeld nicht möglich gewesen. Personell wäre es nicht möglich gewesen, Anträge auf Asyl unmittelbar beim Grenzübergang anzunehmen. Grundaufgabe wäre die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit gewesen. Josefus erinnert sich an Szenen der Panik. "Es waren Kinder und Frauen dabei. Da konnte man sich mit solchen Dingen nicht aufhalten. Ich sag's, wie's ist."