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Johanna Jaufer

Revival of the fittest... aber das war noch nicht alles.

10. 2. 2016 - 11:13

"Roosh" und der Medien-Zoo

Wie wird über organisierte Frauenfeindlichkeit, wie über sexualisierte Gewalt berichtet? Was steht der Ahndung von Übergriffen praktisch im Weg? Rechtsanwältin Barbara Steiner im Interview.

Seit wenigen Tagen hat "Roosh" seine Strategie verändert und spricht jetzt von "privatizing as many meetups as possible"

Er kampagnisiert in Büchern und mit Youtube-Spots für die Verharmlosung von Vergewaltigung und zählt sich zu den sogenannten "pick-up artists". Daryush Valizadeh wirbt damit, auch an Frauen "heranzukommen", die zuvor nicht an einer Kontaktaufnahme interessiert gewesen sind: Für den vergangenen Samstag hatte der unter seinem Pseudonym "Roosh (V)" bekannte US-Amerikaner in 43 Städten weltweit zu öffentlichen Versammlungen seiner Anhänger aufgerufen - darunter auch in Graz und Wien. Die Web-Community der sich "Neomaskulinisten" nennenden homophoben Antifeministen bemüht ein verqueres Bild vom weißen heterosexuellen Mann als marginalisierte Gruppe.

Nach einiger Aufregung in sozialen Netzwerken und Medien erklärte Valizadeh u.a., in einem Blog-Eintrag aus dem Vorjahr nur ein "satirisches Gedankenspiel" angestellt zu haben, als er forderte, "for all other rapes, however, especially if done in a dwelling or on private property, any and all rape that happens should be completely legal."

Wie ordnet eine Rechtsanwältin, die auf die Prozessbegleitung von Opfern sexualisierter Gewalt spezialisiert ist, die Ereignisse der letzten Wochen ein? FM4 hat mit Barbara Steiner über die Übergriffe von Köln, die misogynen Bekenntnise von Donald-Trump-Fan "Roosh" und die aktuellen Neuerungen im österreichischen Strafrecht gesprochen.

  • Barbara Steiner ist Rechtsanwältin und spezialisiert auf Familienrecht. Oft vertritt sie im Rahmen der Prozessbegleitung Opfer sexualisierter Gewalt vor Gericht: ihre Klientinnen sind Frauen unterschiedlichster Alters-, Herkunfts- und Einkommensgruppen.

Die im Netz angekündigte Zusammenkunft mit Treffpunkten auch in Graz und Wien wurde ja schließlich abgesagt. Hätten die Anhänger von "Roosh" sich so überhaupt öffentlich versammeln dürfen?

Meiner Meinung nach hätten sie nach dem Versammlungsgesetz eine Versammlung anmelden müssen. Da der offensichtliche Zweck dieser Versammlung glatt rechtswidrig ist, hätte diese Versammlung nicht genehmigt werden dürfen. Wenn sie die Versammlung ohne Genehmigung abgehalten hätten, wäre es Aufgabe der Polizei gewesen, diese Versammlung aufzulösen, weil ihr Zweck ein rechtswidriger Inhalt ist [Anm.: der Wiener Treffpunkt hätte im Museumsquartier gelegen - formell Privatgrund - die MQ-Verwaltung hat in diesem Fall schließlich von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und ein Treffen untersagt].

Wegen Verhetzung?

Es gibt mehrere Dinge, die dabei eine Rolle spielen: Wenn zu Vergewaltigung aufgerufen wird, ist das der Aufruf zu einer Straftat - das könnte eine Beitragstäterschaft zu einer Straftat sein. Außerdem ist mMn. auch der Straftatbestand der Verhetzung erfüllt, wenn ich dazu aufrufe, Gewalt gegen eine bestimmte Gruppe an Person, die durch das Merkmal des Geschlechtes gekennzeichnet sind, auszuüben.

Ist das hier im Jahr 2016 transportierte Frauen- und Männerbild aus Sicht des Opferschutzes überraschend?

"Wer öffentlich (...) zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts (...) definierte Gruppe (...) auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen."

Nein. Ich finde es nicht überraschend, dass derartige Frauen- und Männerbilder bestehen. Es gibt im gesellschaftlichen Bereich viele Bilder - es gibt auch, was man nicht vergessen darf, noch sehr klassische Rollenverständnisse von Frauen und Männern, von Haushalts- und Berufstätigkeit und patriarchalen Strukturen. Das ist alles in unserer Gesellschaft vorhanden. Ich glaube aber trotzdem - und das spiegelt sich auch in der Gesetzgebung wieder - dass es in den letzten Jahrzehnten massive Fortschritte etwa auch im Strafrecht gab, als etwa die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe eingeführt wurde. Zuletzt wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz ab 1. 1. 2016 ein neuer Straftatbestand geschaffen: § 205a StGB, die Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung: strafbar ist, den Geschlechtsverkehr gegen den Willen, unter unter Ausnützung einer Zwangslage oder nach einer Einschüchterung durchzuführen und nicht "nur" mit Gewalt und gefährlicher Drohung wie bei der Vergewaltigung. Außerdem wurde insofern die Strafbarkeit der sexuellen Belästigung ausgedehnt, als jetzt auch die intensive Berührung des Pos oder Oberschenkels strafbar sind.

Wie sich das in der Rechtsdurchsetzung niederschlägt, wird man wohl erst sehen... ?

Alle angezeigten Straftaten ab dem 1. 1. sind nach den neuen Bestimmungen zu beurteilen. Wir wissen also noch nicht, wie sich das in der Praxis auswirken wirkt. Allgemein kann man sagen, dass ein massives Problem in der Beweisbarkeit der Straftaten besteht. Es zeigt sich leider auch in der Statistik, dass die Verurteilungsquote massiv abnimmt. Die Verurteilungsquote bei der Vergewaltigung hat sich in den letzten 15 Jahern halbiert. Was sicher an der Schwierigkeit der Beweisbarkeit, aber meiner Meinung nach auch am teilweise mangelnden Ermittlungswillen auf Seiten der Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften liegt, die das Ermittlungserfahren u.U. recht schnell beenden, obwohl noch Beweismittel zur Verfügung stehen würden, die herangezogen werden könnten.

Was hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahren verändert?

Es gab vor einigen Jahren eine Änderung der Strafprozessordnung, die dazu geführt hat, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leitet - es kam zu einer Verschiebung [der Zuständigkeiten] und einer massiven Überbelastung der Staatsanwaltschaften. Meines Erachtens hat das auch dazu geführt, dass Ermittlungen eher schneller beendet als ausführlich durchgeführt werden.

Also auch eine Ressourcenfrage.

Absolut. Aber es wäre Aufgabe der Politik, dafür Sorge zu tragen, dass die StA personell ausreichend besetzt ist, um ihrer Aufgabe ausreichend nachkommen zu können.

Die Vorfälle in Köln werden nach wie vor ausführlich diskutiert - im Fall der "pick-up artists" ein paar Wochen später aber eher mit der Schulter gezuckt.

Köln hat sehr einfache Erklärungsmuster geboten. Weil die Täter relativ leicht definierbar waren und es im Fall der "pick-up artists" relativ schwierig ist, festzuhalten, wer die möglichen Teilnehmer oder Anhänger von dieser Kundgebungen sind - schwierig zu definieren und gesellschaftspolitisch viel problematischer zu diskutieren. Deswegen ist das in den Medien mMn. auch relativ "untergegangen" - denn das ist kein "schneller Chronik-Artikel", mit dem man schnell LeserInnen finden kann, sondern eine schwierige gesellschaftspolitische Frage, die sich hier stellt.

Weil es um die "Mitte" geht, "uns alle"?

Diese Teilnehmergruppe ist nicht definierbar durch ein Kriterium wie "Asylwerber" oder "Migrant", sondern es ist anzunehmen und ich gehe auch davon aus, dass es sich um einen Querschnitt der Gesellschaft handelt...

Was ja auch immer diskutiert wird: wie Ermitlungsbehörden, Exekutive über Übergriffe (nicht) berichten sollen. Es wird ja tatsächlich wenig über Vergewaltigungen berichtet, ist das richtig?

Die Polizeipressestellen geben Veröffentlichungen über Delikte bekannt, und es gibt Statistiken, aus denen hervorgeht, dass sehr wenige Sexualdelikte, insbesondere Vergewaltigungen, überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Aus Opferschutz-Sicht ist das ja nicht unbedingt schlecht - weil man die Opfer schützen will und sie auch kein Interesse daran haben, dass die Delikte in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Andererseits entsteht recht schnell ein schiefes Bild, wenn dann über wenige Vergewaltigungen oder Sexualdelikte berichtet wird, in denen dann auch dazugesagt wird, dass es sich beim Beschuldigten um einen Asylwerber oder eine Person mit migrantischem Hintergrund handelt.

Es ist für Medien nicht einfach, das richtige Maß zu finden - sich so zu verorten, dass man einer "Berichtspflicht" nachkommt, dabei aber auch nichts unverhältnismäßig aufzublasen das vielleicht nicht für das große Ganze steht.

Übergriffe in Köln

  • In der Silvesternacht kam es vor Hauptbahnhof und Dom zu einer großen Zahl sexueller Übergriffe. Für ihre späte Veröffentlichung der Vorgänge wurden Polizei und Medien heftig kritisiert.

Wer berichtet worüber (nicht)?

Ich denke, dass im Bereich der Sexualdelikte generell die Chronik der falsche Ort ist, um darüber zu berichten und dass auch über diese Gruppierung sicher zu berichten ist, weil man's nicht ignorieren darf. Aber man muss den Kontext herstellen, sich das gesellschaftliche, soziale Umfeld dieser Gruppe anschauen, die Auswirkungen. Genauso wie bei den Berichten über Straftatbestände im Sexualbereich ist eine Darstellung im Gesamtkontext sinnvoller als Chronikberichterstattung.

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