Erstellt am: 9. 2. 2016 - 16:55 Uhr
Kürzen am Existenzminimum?
Wenn seine berufstätigen Freunde ihn abends beim Ausgehen auf ein Bier einladen wollen, dann fühlt sich Georg schlecht.
"Die glauben, jetzt müssen sie mich einladen. Weil sie glauben du hast ja nix. Pahh, das ist mir ganz unangenehm!"
Georg M. lebt von 827 Euro im Monat.
FM4 Auf Laut: Mindestsicherung
Bricht die Solidargemeinschaft? Darüber diskutieren wir am Dienstag, den 9. Februar, ab 21 Uhr. Die Sendung gibt es im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player zum Anhören.
Etwas bei Seite legen, auswärts Essen gehen, Kleidung kaufen, die nicht absolut notwendig ist, das alles gibt es für Georg nicht. "Meine Eltern kriegen Mindestpension. Wenn ich weniger bekommen würde, käme ich nicht aus, ich wüsste nicht wie."
Georg M. ist Diplomingenieur der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft. Dazu hat er in den USA einen Master in Linguistik gemacht. Er war nach eigenen Angaben "sehr erfolgreich", hat im internationalen Koordinationsbüro einer Universität gearbeitet, Student-Exchange-Programme betreut.
Im Glauben schnell wieder einen neuen Job finden zu können, kündigt Georg an der Universität, weil er mit seinem Arbeitsvertrag nicht zufrieden ist.
Vom AMS bekommt er zuerst 600 Euro Arbeitslosengeld, nach einer bestimmten Zeit nur mehr 550 Euro. Er wird auf die Mindestsicherung aufmerksam gemacht und beantragt sie bei der Wiener Magistratsabteilung für Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht.
Seither bekommt Georg 277 Euro Mindestsicherung aufs Arbeitslosengeld aufgestockt und ist arbeitssuchend.
APA / Robert Jäger
Hängematte anyone?
Georg zählt zu den 15 Prozent der heimischen Beschäftigungslosen, die Mindestsicherung beziehen.
Insgesamt beziehen laut Wirtschaftsblatt 245.405 Personen Mindestsicherung in Österreich.
Recherchen der Armutskonferenz zeigen: es gäbe mehr Anspruchsberechtigte. Die überwiegende Zahl derjenigen, denen die bedarfsorientierte Mindestsicherung per Gesetz zusteht, nimmt diese aber nicht in Anspruch. Aus Scham und aus Kapitulation vor der Sozialbürokratie.
Angesichts von Rekordarbeitslosigkeit und Fluchtbewegungen nach Österreich hat die ÖVP mit ihren Forderungen eine brisante Kürzungsdebatte entfacht:
- Transferleistungs-Obergrenze von 1.500 € pro Haushalt
- verpflichtende Umstellung von Sach- und Geldleistungen im Verhältnis 50:50
- "Integrationsunwilligen" und "Arbeitsunwilligen" soll die Mindestsicherung nach einem Jahr gekürzt werden
Der letzte Punkt ist allerdings bereits in Kraft. Allein in Oberösterreich wurden im vorigen Jahr 1.260 Personen die Mindestsicherung um bis zu 50 Prozent gekürzt, weil sie sich nicht nachweislich um einen Arbeitsplatz bemüht haben.
Wien verhängte im vergangenen Jahr über 8.000 Sperren bei der Mindestsicherung.
Martin Schenk spricht mit Conny Lee über die Mindestsicherung und die aktuelle Debatte.
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Refugee stole my Mindestsicherung?
Bei der Mindestsicherung geht es um die ärmsten 3 Prozent der Bevölkerung. Die Gesamtausgaben dafür machen 0,7 Prozent der österreichischen Sozialausgaben aus.
Neben den humanitären und rechtlichen Bedenken bezüglich der Ungleichstellung von StaatsbürgerInnen und anerkannten Flüchtlingen gibt es Zweifel am volkswirtschaftlichen Nutzen der Kürzungspläne.
Die Caritas Oberösterreich wirft der oberösterreichischen Landesregierung, die Flüchtlingen die Mindestsicherung halbieren will, vor, Armut zu fördern und die Integration zu verhindern.
Georg M. sagt dazu: "Mindestsicherung heißt ja: das Mindeste muss gesichert sein.Wenn man das nicht hat, was wird dann passieren? Am Stadtrand entstehen dann Hütten, Armutssiedlungen, Slums. Und die Kriminalität wird steigen. Kriminalität kommt aus Armut und nicht weil die Leute böse sind."
FM4 Auf Laut - Bricht die Solidargemeinschaft?
Am Dienstag, den 9. Februar, diskutieren wir in FM4 Auf Laut (21-22h) mit Klara, einer Mindestsicherungsbezieherin mit österreichischer Staatsbürgerschaft, mit Abdi, der aus Afghanistan nach Österreich geflohen ist und mit Dir! Die Nummer ins Studio: 0800 226 996
FM4 Auf Laut gibt es im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player.