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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

14. 2. 2016 - 12:04

Brettspiele!

Lange Zeit wurden sie vor allem von Familien mit Kindern und regelverliebten Nerds gespielt. Doch analoge Spiele sind heute vielseitiger denn je.

Ich bin mit Videospielen aufgewachsen, die immer mehr Faszination auf mich ausgeübt haben als Brett- und Kartenspiele. Computerspiele waren komplexer und unergründlicher, ein Gemisch aus Systemen und Geschichten, die sich einem - unter anderem dank unvorhergesehener Ereignisse durch Glitches und Bugs - nie komplett erschlossen haben. Computerspiele konnte man zwar manchmal gemeinsam, vor allem aber alleine spielen und damit tiefer und ausgiebiger in sie eintauchen. Außerdem kümmerten sie sich selbst um die Regeln und deren Einhaltung. Computerspiele waren persönlich und unergründlich.

Brett- und Kartenspiele waren hingegen im Bereich der Familientreffen und Großelternbesuche angesiedelt. Ich spielte sie mit den Kindern von befreundeten Pärchen der Eltern und während Omas Suppe noch am Kochen war. Brett- und Kartenspiele waren unterhaltsam, gesellig und kommunikativ, aber eben auch nicht allzu tiefgründig oder mysteriös. Und wenn sie es waren, konnte ich diesem Potenzial nur insoweit auf den Grund gehen, als die anderen Mitspieler_innen das wollten - denn analoge Spiele im Singleplayer, das gab und gibt es eben (bis auf wenige Ausnahmen) nicht.

Dennoch habe ich an Spiele wie "Sagaland", "Das Spiel des Lebens", "Slotter", oder "Mhing" sowie später auch "Activity", "Siedler von Catan" oder "Carcassonne" gute Erinnerungen. Irgendwann war es mit der Brettspielerei dennoch quasi gänzlich aus. Die notwendigen Gruppen zusammen zu bekommen wurde schwieriger und die herumliegenden Schachteln haben Platz in der Wohnung weggenommen.

"Carcassonne"

Flickr.com, User nmarshall42

Comeback

Die 2000er und frühen 2010er Jahre waren im Bereich digitale Spiele dann so reichhaltig, dass fürs Beobachten der analogen Nachbarn sowieso keine Zeit war. Unterbewusst war wohl auch das Vorurteil da, dass da nicht mal annähernd so viel interessante Dinge passieren könnten - und teilweise hat diese Vermutung vielleicht sogar gestimmt.

Doch vor ein paar Jahren hat es dann angefangen: Indie-Games-Festivals haben Computerspiele nicht mehr nur im engeren, üblichen Sinn wahrgenommen, die mittels gängigem Gamecontroller, Tastatur, Maus und Bildschirm dargestellt werden. Es wurde und wird viel experimentiert, und Spielkultur wird darüber hinaus immer inklusiver wahrgenommen. Der Computer ist zwar weiterhin gerne als Rechenmaschine im Einsatz, tritt aber oft auch in den Hintergrund und wird manchmal sogar ganz weggelassen. Willkommen zurück beim analogen Spiel! Brenda Romero etwa ist vor allem durch ihre Brettspiele wie "Train" bekannt, ist aber weiterhin ganz selbstverständlich Teil der einer großen (Video-)Spielgemeinschaft, die es nicht mehr länger für notwendig empfindet, bestimmte Gattungen und Abgrenzungen zu pflegen.

"Train"

Brenda Romero

Als Computerspiel bisher ein Tabu bzw. ohne gutes Konzept: Ein Spiel über den Holocaust. ("Train", 2009)

Vor vier Jahren, im Frühjahr 2012, ist dann unser aller Geek-Celebrity auf die Analogspiel-Renaissance aufgesprungen bzw. hat sie so richtig ins Rollen gebracht: Wil Wheaton ist mit der verblüffend erfolgreichen Webvideoserie "TableTop" an den Start gegangen und hält derzeit bereits bei rund 80 Folgen. Wheaton und Team laden sich immer mehr oder weniger bekannte (Geek-)Celebrities ein, die nicht zwingend einen aktiven Bezug zu Brettspielen haben. Das kommt gut an und holt viele Menschen bei ihrem diesbezüglichen status quo ab: Ich habe lange nicht gespielt, würde aber eigentlich wieder gerne.

Der Brettspielgrandseigneur aus der Steiermark

Klemens Franz umringt von von ihm illustrierten Brettspielen

Helmut Lunghammer

Bereits vor gut zehn Jahren vom Computerspiel zum Brettspiel gewechselt ist der Steirer Klemens Franz. Der Familienvater hat den lauten Games-Buzz hinter sich gelassen und ist stattdessen tief in die Brettspielwelt eingetaucht. 2006 illustriert er sein erstes Spiel: "Agricola", bis heute der populärste Titel, an dem er mitgearbeitet hat. Heute ist Klemens Franz längst hauptberuflicher Brettspielillustrator und natürlich auch Szenekenner. Bei den jährlichen Messehighlights - der "Spiel" in Essen (weltweit größte Messe für Gesellschaftsspiele, Aussteller aus knapp 100 Ländern mit ca. 1.000 Neuheiten pro Jahr) und der Spielwarenmesse Nürnberg erkennen ihn manche Enthusiast_innen und wollen schon auch mal ein Autogramm. An rund 150 Brettspielprojekten hat Franz bislang gearbeitet, rund 70 davon sind komplett von ihm illustriert worden. Dabei kommt es durchaus mal vor, dass er - in Kommunikation mit dem jeweiligen Verlag sowie dem Autor oder der Autorin - selbst auch Vorschläge für das Gamedesign des jeweiligen Titels einbringt.

Große Vielfalt

Spieltipps:

  • Codesnames
  • T.I.M.E. Stories
  • Space Alert
  • Cards against Humanity

Brettspiele sind auffallend vielfältiger geworden in den letzten fünfzehn Jahren, erzählt Klemens Franz im FM4-Interview. Vor allem aus Osteuropa kommen derzeit viele interessante Spiele. Die USA setzt vor allem auf erzählerische Spiele, die man quasi "durchspielen" kann wie ein Computerspiel. Und nicht selten spielt man auch nicht mehr nur gegeneinander, sondern arbeitet kooperativ auf ein Ziel hin.

Aber was tun gegen die alten Brettspielprobleme? Gruppe finden und Regeln lernen und weitergeben? Wichtig ist Vorbereitung, sagt Klemens Franz: Eine regelmäßig stattfindende Brettspielrunde macht Sinn, darüber hinaus sollte vor jeder Session zumindest eine Person die Regeln gut kennen und sie möglichst zielgerichtet weiterkommunizieren können, damit nicht alles gleich im Chaos beginnt. Auch wichtig: Die Menschen schon während der Kennenlernphase untereinander und mit dem jeweiligen Spiel immer gleich etwas in die Hand geben und sie miteinbeziehen. Denn das ist eines der grundlegenden, originären Merkmale des Brettspiels an sich: Man fühlt und begreift es - buchstäblich.