Erstellt am: 8. 2. 2016 - 16:07 Uhr
Roger Willemsen erklärte uns die Welt
Roger Willemsen - "Nur Zur Ansicht"
Die gesammelten Essays eines modernen Renaissance-Man.
Es gibt wenige Menschen, denen man sich wirklich nahe fühlt, obwohl man sie nie persönlich getroffen hat. Roger Willemsen habe ich mich immer nahe gefühlt, vor allem bei der Lektüre seiner fantastischen Bücher, aber auch durch seine rundum sympathische Fernseh-Präsenz und dann war da auch noch diese Hoffnung, dass ein Treffen ja doch noch passieren könnte.
CC BY-SA 2.0, User: blu-news.org
In den 90ern wurde Roger Willemsen als Host der ZDF-Talksendung "Willemsens Woche" einem breiten Publikum bekannt. Von 2004 bis 2006 auch in der Schweiz, wo er den Literaturclub moderierte.
Laut eigener Aussage hat Willemsen in seiner Karriere mehr als zweitausend Menschen interviewt, darunter Persönlichkeiten wie Yassir Arafat, Audrey Hepburn, einen Kannibalen, den Dalai Lama und Michail Gorbatschow.
Willemsen ist vielen Menschen meiner Generation erst sehr spät, durch seine Auftritte in der Sarah Kuttner Show, zum Begriff geworden. "Willemsen erweitert deinen Wortschatz" hieß die Rubrik, in der er in unglaublicher Sprechgeschwindigkeit und mit dem ihm eigenen Humor komplizierte oder selten benutzte Worte erklärte.
Die Liebe zum Wort ist es, die Willemsen sein Leben lang getrieben hat. Und noch viel mehr: die Liebe zu den Menschen. Er studierte Germanistik, aber auch Philosophie und Kunstgeschichte und hat nebenbei als Nachtportier, Reiseleiter und Museumswärter gearbeitet und dabei immer beobachtet.
Das Beobachten war seine Kunst
Willemsens Romane und Erzählungen wie "Der Knacks", "Afghanische Reise", "Vages Erinnern - Präzises Vergessen" spiegeln diese Beobachtungsgabe in Zusammenhang mit seiner wunderbaren Sprachfertigkeit wider und bleiben als sein Vermächtnis erhalten. So auch das kleine Büchlein "Deutschlandreise", in dem Willemsen mit dem Zug durch sein Heimatland fährt und dabei die skurrilsten Normalitäten und normalsten Skurrilitäten offenbart und entdeckt, aber niemals bloßstellt. Alles hat ihn interessiert, alles außer Autos.
"Der Begriff, der am häufigsten mit mir verbunden wird - durchs Publikum - ist Unabhängigkeit. Und ich bin sehr froh, dass es dieser Begriff ist. Dass die Leute sagen: 'Sie scheißen sich ja eigentlich auch nichts.'"
Im Sommer 2015 kam dann die Diagnose Krebs. Willemsen ist seither nicht mehr öffentlich aufgetreten. Nun ist er im Alter von 60 Jahren - viel zu früh - an der Erkrankung gestorben. Unser Treffen hat nie stattgefunden.
FM4 Doppelzimmer Spezial mit Roger Willemsen
Im Gespräch mit Elisabeth Scharang erzählte der charismatische Moderator von seinen Begegnungen mit Stars und verglich dabei die oft als schwierige Interviewpartnerin gehandelte Madonna mit einer anderen Künstlerin: "Veronika Ferres ist anstrengender, die kommt rein und sagt: Hängt bitte mal die Lampen um, denn ich rede mit den Augen!"
Am Anfang geht es im FM4 Doppelzimmer Spezial aber um Roger Willemsens Buch "Die Enden der Welt":
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