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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

11. 2. 2016 - 10:00

Wo die Rockmusik überwintert

Die schwedische Band Ghost bringt Glam und Travestie in den nüchternen Alternative Metal.

Rockmusik wird in der alternativen Popkultur vielmals oft nur mehr als Zitat oder verwegenes Accessoire gebraucht. Nach der kraftvollen Renaissance des Genres Garagenrock im letzten Jahrzehnt kommt der Indiepop momentan gut ohne kratzbürstiges Rock-Line-Up aus. Dafür haben sich die äußeren Enden der Gitarrenmusik stärken können. Das Neo-Psychdelic- und Desert-Rock-Genre brummt selbst im letzten Gasthof im stillsten Tal und Hipster-Black-Metal ist zwar ein hässliches Wort aber inzwischen schon ein richtig etabliertes Genre. Entscheiden wir uns der Eleganz wegen die nächsten Minuten lieber Alternative Metal als Hipster Metal zu sagen und sehen wir uns dieses Phänomen ein wenig genauer an.

Liturgy

Liturgy

Jahrzehnte lang lag die inhaltlich schlecht beleumundete Musikspielart Black Metal in einem komatösen Schlaf und stagnierte auf einem begrenzten musikalischen Niveau in einer gut geschlossenen Subkulturwelt.

Bis etwa ab dem Jahr 2000 neue junge Pop-Avantgardisten auftauchten, die sich der archaischen Struktur und Ästhetik des Black Metal bedienten, allerdings die misanthropische Spiritualität von Pionieren der Szene, wie Burzum oder Darkthrone, umkehrten. Wolves In The Throne Room oder Liturgy sind Stars der neuen Bewegung.

Darkthrone

Darkthrone

Leute, die oft einen nachhaltigen Lebensstil pflegen und sich vom Darwinismus des Ur Black-Metal distanzieren. Wütend und traurig sind sie natürlich schon auch noch. Allerdings sind sie, wie die meisten alternativ interessierten jungen Menschen, bestens in allen Subkulturen geschult und gebildet. Den faszinierenden Black Metal-Primitivismus brechen sie mit allerhand geschmackvollem Handwerkzeug wie Folk, Elektronik und viel Pop.

Until the light takes us

Und nun sind wir schon in einer neuen Evolution des alternativen Metals. Die 2008 gegründete schwedische Band Ghost nutzt das momentane Interesse am Indie Metal, bringt nun aber auch die Stichworte Glam und Travestie ins Spiel. Dabei gebären sie sich, als wären sie eine waidwunde Reinkarnation von Kiss. Denn Ghost schminken sich wieder Corpse Paint ins Gesicht oder verkleiden sich als Teufel. Und Sänger Papa Emeritus II glänzt als antichristlicher Papst mit Mitra und Bischofsgewand.

Ghost

Ghost

Nun könnte man meinen mit solch einem Faschings-Tand könnte die Band schnell Gefahr laufen, dass man sich für sie schämen muss. Dem weichen Ghost aber einfach mit souveränem Humor aus und machen zusätzlich noch die Prog Rock-Dose auf. Damit es wirklich ordentlich knallt und riecht und alles in einer Sinnesflut untergeht. Alles zusammengehalten durch das Sicherheitsnetz Selbstironie.

Ghost spielen am 13. Februar im Orpheum Graz und am 5. Juni beim Rock in Vienna auf der Donauinsel. Aktuelles Album: "Meliora".